HR Performance 2

HR Performance 2_2023

Bildung – die Richtung stimmt Editorial FRANZ LANGECKER Chefredakteur Manchmal hat man das Gefühl, dass wir uns an die Bildungsdefizite gewöh- nen. In den Kitas entfällt Vorschule. Dafür reicht das Personal nicht mehr. In den Schulen mangelt es seit Jahren an Lehrer/-innen. Den Eltern fehlen Zeit und Muße, Versäumtes mit den Kids und für sich nachzuarbeiten. Nachhil- fe boomt. Google und YouTube müssen Lücken füllen. Dabei wissen wir alle, dass die Stärke dieses Landes auf den Hälsen sitzt. Zum Glück macht die Not auch erfinderisch. Plötzlich verschieben sich die Standards. Fachkräfte kön- nen kurzfristig auf das Lehramt umschulen. Die fünfjährige Qualifikation für Erzieher/-innen wird aufgebrochen. Und Unternehmen drücken beim Recrui- ting in puncto Qualifikationsanforderung fast beide Augen zu. Arbeit neu definieren Viele Tätigkeiten können uns in Zukunft Maschinen abnehmen. Wir haben im- mer Lösungen gefunden. Der Schrei nach billigen Arbeitskräften scheint die einfachste Lösung zu sein. Doch bei den Lebenshaltungskosten in der westli- chen Welt reicht ein geringes Einkommen nicht mehr für ein würdiges Leben. Wir können unsere Produktivität steigern. Der Trend geht zur Viertagewoche. Es reicht deshalb nicht, nur bei der Qualifikation die Hürden zu senken. Es lohnt sich, ernsthaft über unsere Arbeitswelt nachzudenken und sie neu zu erfinden. Angesichts der Produktivitätsgewinne durch die Digitalisierung in den letzten 30 Jahren sollten vier Tage reichen. Wie nachhaltig sind die Tätig- keiten, die wir Tag für Tag vollbringen? Ließen sich diese Arbeiten auch an- ders organisieren, um sie an Maschinen zu delegieren? Frithjof Bergmann, der Erfinder der „New Work“, hatte die arbeitslosen Fließbandarbeiter der amerikanischen Automobil industrie Anfang der 80er-Jahre permanent ge- fragt, was sie „wirklich, wirklich arbeiten wollen“. Ihm ging es um die Wür- de der Arbeit. Wenn wir Arbeit durch diese Brille sehen, wird sie anders sein. Diesen persönlichen Anspruch zu verwirklichen, sollten wir nie aufgeben. Wir haben die Corona-Pandemie gemeistert. Die Klimakrise fordert uns gewaltig. Gefragt ist unsere Intelligenz. Der Wille und das Leistungsvermögen sind da. Fähigkeiten, Intelligenz, Kreativität, Organisation, Metaverse Die klassischen Bildungsformate verlieren an Bedeutung. Bildung verlagert sich ins Netz, in das sogenannte Metaverse. Statt immer nur an den alten Schrauben drehen zu wollen, sollten wir uns für neue Kanäle öffnen. Die an- stehende Messe LEARNTEC im Mai in Karlsruhe bietet dafür ausreichend Ge- legenheit. Unser Autor Torsten Fell erläutert ihnen auf ab Seite 10 ff. und Sei- te 16 ff. und auf der Messe, wie der Metaverse Campus funktioniert. Tauchen sie ein in eine neue „Arbeitswelt“. Vergessen Sie Zooming. Die Technologie verändert unsere Bildungslandschaft. Lassen Sie Maschinen arbeiten und Lernen. Und lernen Sie, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Thomas Jenewein von SAP, Seite 19 ff., kennt sich hier aus und freut sich auf den Austausch im Netz. Die Zeit ist reif, das Modell 70:20:10 in die Tonne zu klopfen, siehe Sei- te 22 ff. Denken Sie über Micro-Credentials und Micro-Degrees nach, siehe Seite 26 ff. Die KI wird dabei zu unserem Coach, siehe Seite 34 ff., Begleiter und Ratgeber. Und vergessen Sie nicht, was wir alles voneinander und mitei- nander lernen können. Stichwort Feedbackkultur, siehe Seite 48 ff. Das alles und noch viel mehr brauchen wir, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Wir wünschen Ihnen gute Impulse aus dem Heft und eine interes- sante Messe in Karlsruhe. HR Performance 2/2023 3

Inhaltsverzeichnis E-Learning Menschenzentrierte virtuelle Lern- und Arbeitsräume Wieso auf immersives Lernen setzen? Machine Learning Machine Learning und KI im Corporate Learning Weiterbildung Zeitgemäßes Lernen am Arbeitsplatz Micro-Credentials und Micro-Degrees: (K)ein Thema für die betriebliche Weiterbildung? 10 16 19 22 26 New Work Wieso auf immersives Lernen setzen? Digitale Transformation als Chance und Herausforderung auf persönlicher Ebene 30 Digital Coaching KI im Coaching – K.O. für Coaches? Personalmanagement Keine Zeit für Zukunft? Personalmanagement am Scheideweg Mit vollem Einsatz an der Personalgewinnung arbeiten 22 34 38 44 Praxis Was haben Personalabteilungen mit Cybersecurity zu tun? 42 Datenschutz: Einwilligungen im Arbeitsverhältnis 85 Feedbackmanagement Gestaltung von Survey Feedback Landscapes schafft Mehrwert Feedback sofort! So wächst die Leistungskraft aller 48 53 Zeitgemäßes Lernen am Arbeitsplatz 16 Anbieter Feedbackmanagement (KP) Nah am Puls (KP) Mitarbeiterbefragung Messe-Highlights 4 HR Performance 2/2023 41 41 63 76 34 KI im Coaching – K.O. für Coaches?

Inhaltsverzeichnis ISSN: 1866-3753 · datakontext.com SPECIAL Mai 2/2023 HRPerformance #Netzwerk_für_digitale_HR Recruiting Innovationsfreude braucht qualifizierte Mitarbeiter Akzeptanz und Einsatz von KI im Recruiting Mitarbeiterbefragung Die klassische Mitarbeiter befragung ist tot. Lang lebe die Mitarbeiterbefragung! Ideenmanagement Das Ideenmanagement wieder neu erfinden Einfache Möglichkeiten der HR-Digitalisierung Digitale HR-Verwaltung Special: Digitale HR-Verwaltung Neues Lernen Lerntechnologien – Wunsch vs. Wirklichkeit 30 Jahre HRP Wie HR-Software HR veränderte (2003 bis 2012) 58 Datenschutz und HR Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) – der zweite Anlauf Akzeptanz und Einsatz von KI im Recruiting Management Gesundheit im digitalen Zeitalter Service Editorial: Bildung – die Richtung stimmt Drei Fragen an Alexander Kolew Drei Fragen an Max Arnold Drei Fragen an Friederike Prasuhn Buchvorstellungen LEARNTEC 2023: Bildung im Wandel Wir stellen vor: Prof. Dr. Norbert Rohleder Vorschau/Impressum Aktuelle Branchennews, E-Magazin, Webinare www.hrperformance-online.de 56 58 64 68 72 78 80 86 3 6 7 8 67 74 88 90 68 Das Ideenmanagement wieder neu erfinden = Teil einer Serie HR Performance 2/2023 5

Service Drei Fragen an … … Alexander Kolew, seit 1. September 2022 Chief People Officer (CPO) der KMK kinderzimmer Gruppe ? gebote auszubauen. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine qualifizierte Ausbildung sowie hochwertige Angebote der Personalentwicklung in eigener Regie mittel- und langfristig die Attraktivität als Arbeitgeber ausbauen. HRP: Welche Tools, Apps oder Produkte sind für Sie in der Personalarbeit wichtig? Kolew: Unsere tägliche und auch strategische Personalarbeit ist größtenteils digitalisiert. Die komplette Personalverwal- tung, das Vertragsmanagement und weitere Bereiche unseres Unternehmens funktionieren papierlos. Im nächsten Jahr wer- den wir eine eigene Unternehmensapp einführen, um unsere internen Kommunikations- und Wertschöpfungsprozesse noch stärker zu verbessern. In 2023 werden wir mit unserem eige- nen digitalen Learning-Management-System die Angebote in der Personalentwicklung erweitern und damit die Anzahl der Onlinetrainings erhöhen. ? HRP: Wie sieht für Sie Personalarbeit in Zeiten von Corona bzw. Post-Corona aus? Kolew: Die pandemische Lage im Rahmen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus hat die Rolle und Stellung des People-Be- reichs stark und nachhaltig verändert. Diese Veränderungs- prozesse werden auch mittel- und langfristig erhalten blei- ben. Aus unserer Sicht wird die Gestaltung und Förderung von Unternehmenskultur einer der wichtigsten Faktoren im People Bereich sein. Jede Führungskraft muss zwangsweise ein diffe- renziertes Bewusstsein für die Beschaffenheit der Unterneh- menskultur besitzen, um diese auch langfristig transformieren zu können. Eine Kombination aus hybriden Arbeitsweisen und die Weiterführung von essenziellen sozialen Kontakten im Ar- beitsprozess kennzeichnen unsere derzeitige People-Strategie. HRP: Herr Kolew, vielen Dank für das Gespräch. ? HRP: Welche Veränderungen streben Sie bei der KMK Kinder- zimmer Gruppe an, speziell im HR-Bereich? Alexander Kolew: Derzeit sind wir im Bereich People des KMK-Kinderzimmers marktgerecht aufgestellt. Im Gegensatz zu einigen unserer Mitbewerber konnten wir unsere Re crui- ting -Aktivitäten und Erfolge ausbauen und werden diese wei- terentwickeln. Dabei wird unser Fokus in den nächsten Mona- ten und Jahren auf einer kontinuierlichen Verbesserung unserer Unternehmenskultur und Employer Branding liegen. Gerade auf dem umkämpften Personalmarkt der Pädagoginnen und Päda- gogen soll die Arbeitgebermarke KMK Kinderzimmer für ver- lässliche Werte, Kontinuität aber auch nachhaltiges Wachstum stehen. Der wichtigste Baustein unserer Personalentwicklung ist unse- re unternehmenseigene Academy. Im Rahmen unserer Ange- botsreihe für derzeit ca. 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten wir über 200 Trainings im pädagogischen und Führungs- kräftebereich an. Diese gilt es weiterzuentwickeln und die An- UNSER PUNKT GeGen Armut und unterdrückunG Muni Aththa hat ihre Chance ergriffen. Gemeinsam mit anderen Frauen gründete sie eine Frauenbank und konnte sich mit einem kleinkredit selbstständig machen. eine neue milchkooperative sichert heute muni und den anderen Frauen ihr einkommen. www.andheri-hilfe.org Ihre Spende wirkt Geben Sie einer indischen Familie eine Starthilfe: Mit 100 € für einen Kleinkredit. 6 HR Performance 2/2023 Spendenkonto: Sparkasse KölnBonn IBAN: DE80 3705 0198 0000 0400 06

Drei Fragen an … … Max Arnold, seit dem 1. November 2022 Leiter HR und Geschäftsführungs-mitglied bei Viva Luzern Service HRP: Welche Veränderungen streben Sie bei Viva Luzern an, speziell im HR-Bereich? Max Arnold: Die Kernaufgabe von Viva Luzern ist die Betreu- ung und Pflege von älteren Menschen. Im HR von Viva Luzern betreuen wir rund 1.200 Mitarbeitende, die sich auf sechs Standorte verteilen. Dabei beschäftigen wir Menschen von der Profession Pflege über die Administration bis zur Hotellerie. Dementsprechend unterschiedlich sind die Bedürfnisse. Diese müssen wir erkennen und unsere Dienstleistungen wie Arbeits- zeitmodelle oder Karriereentwicklungsprogramme konsequent darauf ausrichten. Mein Ziel ist unter anderem, Prozesse – wo nötig und sinnvoll – zur Entlastung der Linie zu harmonisieren und unsere Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen. ? HRP: Welche Tools, Apps oder Produkte sind für Sie in der Personalarbeit wichtig? Arnold: Wir haben diverse Systeme und Tools im Einsatz, unter anderem für das HR-Management, die Gehaltsabrechnung und die Rekrutierung. Diese gilt es weiterzuentwickeln. In punc- to Digitalisierung werden wir in naher Zukunft noch den ei- nen oder anderen Schritt gehen, unter anderem mit Microsoft Teams als Kollaborationssystem und der Evaluation einer mo- bilen Kommunikationslösung für die interne Kommunikation. ? HRP: Wie sieht für Sie Personalarbeit in Zeiten von Corona bzw. Post-Corona aus? Arnold: Mit der Corona-Pandemie sind die Ansprüche von Mit- arbeitenden an die Flexibilität der Arbeitgeberin gewachsen. Für Mitarbeitende, die unsere Bewohnenden betreuen und pflegen, war und ist Homeoffice keine Option. Dennoch galt es auch für diese Berufsgruppen, während der Pandemie unnöti- ge Kontakte beispielsweise durch interne Sitzungen zu vermei- den. So etablierten sich virtuelle Meetings, von welchen wir als Unternehmen mit mehreren Standorten regelmäßig Gebrauch machen. Mitarbeitende, die aufgrund ihres Aufgabengebiets im Homeoffice arbeiten können, räumen wir diese Möglichkeit ein. Diese Entwicklung hat Konsequenzen in der Personalbetreu- ung, welche wir wiederum berücksichtigen müssen. HRP: Herr Arnold, vielen Dank für das Gespräch. HR Performance 2/2023 7

Service Drei Fragen an … … Friederike Prasuhn, seit 1. Oktober 2022 Chief People Officer (CPO) von Hellmann Worldwide Logistics nagement, die Nachfolgeplanung und das Offboarding abde- cken, sind für mich die Basis einer erfolgreichen Personalarbeit. Darüber hinaus liegt für uns der Fokus auf Tools, die Interak- tion ermöglichen – sei es die strategische Verlinkung zu Social- Media-Kanälen, um sich bspw. durch wenige Klicks mit seinem LinkedIn-Profil bei uns zu bewerben oder auch unsere intern entwickelten Apps zu einem unserer zentralen Themen, dem Feedback. ? Unser Credo für Systeme und Tools lautet immer „Smart & Simple“ und damit liegen noch spannende Möglichkeiten vor uns. ? HRP: Welche Veränderungen streben Sie bei der Hellmann Worldwide Logistics an, speziell im HR-Bereich? Friederike Prasuhn: Wir befinden uns bei Hellmann im HR-Be- reich mitten in einer spannenden Transformation. Um unsere Energie und Power noch geballter in strategische Personal- themen zu investieren, sind wir derzeit dabei, nahezu sämtli- che HR-Verwaltungsprozesse final zu digitalisieren. Ziel ist es, den gesamten „Employee Lifecycle“ systemisch abzudecken, um unseren Mitarbeiter*innen eine inspirierende „Employee Experience“ bei Hellmann zu bieten. Dabei geht es in erster Li- nie darum, individuelle HR-Angebote zu schaffen und dabei die Balance zwischen globalen Standards und lokalen Bedürfnis- sen zu finden. Das bedeutet, dass wir Strukturen, Arbeitswei- sen und nicht zuletzt auch Mindsets nachhaltig verändern wer- den, um Flexibilität und Cross-funktionale Zusammenarbeit zu ermöglichen. Gleichzeitig entwickeln wir strategische Prozes- se, wie unser „Talent- and Performance Management“ oder eine nachhaltige Nachfolgeplanung, die uns im „War of Talents“ stärkt. Und wir arbeiten mit Begeisterung an der stetigen Wei- terentwicklung unserer Unternehmenskultur, um bei Hellmann ganz besondere Arbeitsplätze zu schaffen, in denen sich jede*r entsprechend ihrer*seiner Möglichkeiten bestmöglich entfal- ten kann. HRP: Welche Tools, Apps oder Produkte sind für Sie in der Personalarbeit wichtig? Prasuhn: Ein globales HR-System, das die Mitarbeiter*in- nenstammdaten, HR-Kennzahlen und unsere strategischen Prozesse wie das Recruiting, das Onboarding, sowie die Mit- arbeiter*innenentwicklung, das Talent- and Performance Ma- HRP: Wie sieht für Sie Personalarbeit in Zeiten von Corona bzw. Post-Corona aus? Prasuhn: Während der Pandemie lag unser Fokus ganz klar da- rauf, unsere Mitarbeiter*innen so gut wie möglich zu schützen. In sehr kurzer Zeit wurden dafür vielfältige Homeoffice-Mög- lichkeiten geschaffen. Neben der technischen Infrastruktur war uns besonders wichtig, auch die mentale Gesundheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Fokus zu behalten – durch virtuelle Aktivitäten, Trainings für unsere Mitarbeiter*innen oder auch durch individuelle Beratung und Unterstützung in dieser besonderen Zeit. Besonders herausfordernd war der Schutz unserer Mitarbei- ter*innen, die nicht im Homeoffice arbeiten konnten, wie bspw. unsere Kolleg*innen in den Lagern oder unserer Fahrer*innen. Aber auch hier waren wir durch alternative Schichtplanungen sowie neue Pausenmodelle erfolgreich. Nun liegt die Definition und Umsetzung des „New Normal“ vor uns. Welche entdeckten Stärken möchten wir weiterhin nutzen und welche Möglichkeiten ergeben sich nun nach der Pande- mie? In Deutschland haben wir bspw. bereits das mobile Ar- beiten in den dafür geeigneten Bereichen eingeführt. Mit der Verteilung 70/30 arbeiten unsere Mitarbeiter*innen nun bis zu 70 Prozent ihrer Arbeitszeit digital bzw. mobil und kom- men mindestens 30 Prozent ihrer Zeit mit ihren Kolleg*innen im Büro vor Ort zusammen. An globalen Konzepten dieser Art arbeiten wir nun mit vollem Elan weiter. HRP: Frau Prasuhn, vielen Dank für das Gespräch. 8 HR Performance 2/2023

! KONTAKT Die neue Plattform für HR-Zukunft ﬂexibel gestalten – VEDA Ihr Firmenprofil HR im Flow Die Akten sind on Endlich ﬂexibel Ressourcen im Griff Networking ist Trumpf Nuwork Unternehmenskultur Beiträge von VEDA GmbH HR-SOFTWARE 23.01.2023 Hybrid Work: Machen wir es rich! tig? Mit der passenden Software kann HR entscheidend dazu beitragen, dass die Digitalisierung und damit Hybrid Work im eigenen Unternehmen erfolgreich gelingt. Klar ist aber auch, dass die Digitalisierung kein Selbstläufer und erst recht kein Sprint, sondern eine dauerhafte Aufgabe ist. Webinare von VEDA GmbH HR-SOFTWARE Worauf es bei der Digitalisierung der Zeiterfassung ankommt www.hrperformance-online.de durch Digitalisierung die Efﬁzienz verbessern News von VEDA GmbH Jetzt teilnehmen und Firmenpartner werden: petra.priggemeyer@datakontext.com Wie VEDA HR-Prozesse wie die eAU vereinfacht bestehende Flexibilität im Homeofﬁce Wir bedanken uns bei unseren Partnern: HR Performance DATAKONTEXT zeitschriften und Seminare, Zertiﬁzierung und Beratung. Services E-Learnings mit Zertiﬁkat Newsletter abonnieren HRPerformance Bild: comauthor - stock.adobe.com

E-Learning Menschenzentrierte virtuelle Lern- und Arbeitsräume Metaverse Campus – Explore Future of Learning and Working Der Begriff Metaverse ist in aller Munde, spätes- tens seit Facebook seinen Firmennamen 2021 in Meta geändert hat. Nur wenige Wochen danach haben Microsoft, NVIDIA und Hyundai ihre Vision und Strategie zum Metaverse präsentiert und Ak- tivitäten angekündigt. Doch heute ist das Thema Metaverse für viele noch gar nicht, nur als Hype oder sogar negativ besetzt. Viele Ängste und Be- fürchtungen stehen im Raum. Viele Menschen haben auch noch keinen Bezug zum Thema Me- taverse gehabt. Laut Bitkom haben 75 Prozent noch nie etwas von Metaverse gehört (Stand Juni 2022). Dabei soll dies doch die Zukunft und das „Next Big Think“ des Internets sein. Unternehmen wie BMW, Siemens, die Deutsche Bahn oder EOS haben erkannt, die neuen Chancen rundum das Thema Metaverse für ihre Produkte und Dienstleistungen im Sinne des Kundennut- zens zu denken und die Transformation einzu- leiten. Es werden virtuelle kollaborative Fabrik- planungen, digitale Zwillinge von Produkten und Standorten, kollaborative Support/Wartungspro- zesse unter anderem auch für das Abbilden neuer Branding Welten eingesetzt. Selbst Staaten, wie die Volksrepublik China, Süd- korea, Japan oder Dubai haben mittlerweile eine eigene Metaverse-Strategie verkündet und in- vestieren sehr viel Geld in diese. Dubai will z.B. in den nächsten fünf Jahren 40.000 neue Jobs im Bild: Eindrücke aus verschiedenen Welten des „Metaverse Campus“ 10 HR Performance 2/2023 Metaverse-Umfeld schaffen. China will bis 2026 25 Millionen VR-Headsets im Einsatz haben und legt einen Fünfjahresplan hierzu vor. Die Schweiz hat z.B. einen Metaversehub in Zü- rich gegründet – Teilnehmende sind u.a. die ETH Zürich, Meta, Disney, Microsoft und Google. In Deutschland wurden im Dezember in einer An- hörung des „Digital Ausschusses“ die Themen Web3 und Metaverse mit Expertinnen diskutiert und vermischt. Diese Vermischung mit Web3-, Crypto- und Block- chain-Technologien ist weder zielführend und sinnvoll und ist nach meiner Meinung schlicht- weg falsch. Bei den Einsatzszenarien in den ak- tuellen Diskussionen geht es häufig um neue Ge- schäftsmodelle und um die Produktplatzierungen im Bereich Fashion oder Kunstobjekte. Auch der Verkauf und der Erwerb virtueller Güter, wie z.B. Grundstücke, spielen dabei eine Rolle. Metaverse ist mehr … Ansätze wie von Microsoft das „Enterprise Meta- verse“ und ein „Industrial Metaverse“ zeigen, dass andere Szenarien existieren und sinnvoll sind. Auch wird der Einsatz von Lösungen und Konzep- te im Bereich Aus- und Weiterbildung erkannt und von wenigen Unternehmen aufgegriffen. Hier sind u.a. Würth, Techem oder SAP zu nennen, die be- reits erste Ideen umsetzen und Erfahrung sam- meln. Hier wird die Learning-Strategie um eine Sichtweise „Metaverse“ in den Unternehmen kon- kret weiterentwickelt und umgesetzt. Die Frage, die sich also stellt, ist, wie müssen wir im Umfeld Lernen, Training, Bildung und neue Ar- beitswelt damit umgehen? Welche neuen Kon- zepte und Möglichkeiten gibt es? Welche He- rausforderungen und Rahmen bilden die Basis für neue Regelungen? Welche Grundprinzipien gelten als Basis für ein Metaverse? Hierzu sollten wir einmal einige wichtige Punk- te und Prinzipien heranziehen, die ein Metaverse ausmachen. Zu nennen sind hier die Räumlichkeit,

die Kollaboration, die Darstellung des Individu- ums über ein virtuelles Abbild mithilfe eines Ava- tars, die Nutzung neuer immersiven Technologien rund um VR/AR, der Einbezug von KI oder die In- teroperabilität und Persistenz von virtuellen Wel- ten und deren Inhalte. Da es aktuell kein Metaverse gibt, sondern nur einzelne Systeme, die nach den genannten Prinzi- pien funktionieren, aber untereinander noch nicht die Inhalte und deren Bedeutung austauschen können – also interoperable sind, werden „Insel- Lösungen“ gebaut und angeboten. Durch welt- weite Aktivitäten versuchen Firmennetzwerke die notwendigen Standards zu definieren und diese mit Leben zu füllen. Der Metaverse Campus – eine Welt ist nicht genug Um diese komplexe Welt und Prinzipien zu be- greifen und erste Ansätze selbst zu erleben und dadurch zu verstehen, wurde der „Metaverse Campus“ initiiert. Dieser soll Ängste nehmen, Ein- satzszenarien und Prinzipien nicht nur theore- tisch erklären, sondern dies erlebbar machen. Hier werden in unterschiedlichen virtuellen Lern-, Kreative- und Arbeitswelten die Konzepte und Ansätze rund um das Metaverse erfahr- und be- greifbar gemacht. Der „Metaverse Campus“ besteht aktuell aus 16 3D/VR-/AR-fähigen Lern-, Kreativ- und Ar- beitswelten. Dabei sind die Welten (siehe Tabelle) individuell für das „Institute for Immersive Lear- ning“ als 3D-Objekt entwickelt oder selbst umge- setzt worden. Diese werden über das Tool „Spatial.io“ verwen- det. Dieses bietet interaktive, kollaborative und räumliche Funktionen und Lösungen an. Hier- durch musste für den „Metaverse Campus“ kei- ne einzige Zeile Code programmiert werden. Auch sind Gamification-Ansätze abbildbar und sorgen für zusätzliche Interaktion und Motivation bei den Teilnehmenden. Die Intelligenz liegt in den ganzheitlichen Lern- konzepten unter Berücksichtigung der zielge- richteten transferorientierten Einbindung. Den Kern bilden die Gestaltung der virtuellen Welten – Environments – und die Möglichkeit, diese mit 3D-Objekten jederzeit flexible zu erweitern. Hier- zu wurde eine Bibliothek von 3D-Objekten entwi- ckelt, die über standardisierte „Immersive Lear- ning Pattern“ in Lernprozesse integriert werden können. Diese können individuell und für unter- E-Learning Lern- welt Arbeits- welt Erleb- niswelt Kreativ- Welt (ART) X x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Environments Metaverse Campus Energie Campus Torsten Fell Space 2.0 Grüezi Matterhorn MOON – This is a small … MARS – Enjoy your Trip Über den Wolken – unter dem Meer MOIN Ostfriesland Wat Muschel Jazz and Wine Immersive Learning 2022 – In- sights Weltenentdecker*innen SkyVerse – up in the Air New Reality Kundenberater Kundenberatung/POS Onboarding – Let’s Start Tabelle: Übersicht der Welten und Einsatzschwerpunkte – daraus ergibt sich ein Metaverse. schiedliche Zielgruppen wiederverwendet und flexibel zielorientiert kombiniert werden. Darüber hinaus wurden Standards zur Nutzung des „Metaverse Campus“ erarbeitet und werden operativ in den Lernprozessen eingesetzt. Die Welten bilden den Rahmen und ermöglichen es, über Metaphern Lernprozesse zu fördern und anzuregen. Die Welten können die zu diskutie- renden Prinzipien rund um das Thema Metaver- se zum Teil heute schon erlebbar machen. Bei- spielsweise kann über visuelle Sprunggates von der einen in die andere Welt gesprungen werden. Weiterhin kann ich einen Avatar nutzen, der in an- deren technischen Lösungen auch verwendbar und somit interoperable ist. Die Lerninhalte kön- nen persistent – dauerhaft – in der Lernwelt blei- ben oder nach der Benutzung auf einen bestimm- ten Zustand zurückgestellt werden. Dies erlaubt z.B. Lernprozesse, die über eine lange Laufzeit gehen, und an den Ergebnissen permanent und dauerhaft weiterzuarbeiten. Über die aufgezählten Welten in Spatial.io hinaus, werden weitere Welten in der RAUM.app und in „Horizon Workrooms“ verwendet. Diese können mit Inhalten frei erweitert werden und mit den bereits genannten 3D-Objekten individualisiert HR Performance 2/2023 11

E-Learning gestaltet werden. Der Unterschied ist hier, dass die Welten – das Environment – nicht individua- lisiert sind, sondern von den Software-Anbietern vorgegeben sind und mit eignen Inhalten erwei- tert werden können. Die meisten Welten können mit und ohne VR- Headset genutzt werden. Somit ist ein einfacher Zugang z.B. über Browser jederzeit realisierbar. Immersive Erlebnisse mit einem VR-Headset sind beeindruckende und nachhaltige Erlebnisse für die Nutzer. Hier werden auch weitere Interak- tionsvarianten angeboten, die einen deutlich in- tensiveren Lernprozess als im Browser oder in der App ermöglichen. Eine wichtige Maßgabe ist, dass die Teilnehmen- den einen aktiven Part im „Metaverse Campus“ haben und erleben so live die neuen Chancen, Ri- siken, sowie die Einsatzszenarien mit verschiede- nen technischen Lösungen, und das geschieht in sehr unterschiedlichen Welten. Um dies sicherzustellen, sind zwei Ausprägungen als Basis aller Aktivitäten im „Metaverse Campus“ wichtig: 1. Gib Folien in 3D/VR keine Chance. 2. Es gibt keine Sitzmöglichkeiten für die Avatare in 3D/VR. Beide Ausprägungen sorgen für Aktivität. Es gibt aber kein passives Konsumieren bei der kollabo- rativen kreativen Nutzung der 3D-Welten. War- um sollten 2D-Daten hier noch eine große Rolle spielen. Die Transformation der Visualisierung, der Interaktion und der Nutzung der Räumlichkeit für die Aufgaben, die Erarbeitung und Präsenta- tion der Ergebnisse, ist allerdings mit einem Lern- prozess für die Organisation und der beteiligten Rollen verbunden. Verschiedene Welten machen es möglich … Die Welten und damit der „Metaverse Campus“ sind Bestandteil der bestehenden Up-/Reskilling- Angebote des „Institute for Immersive Learning“. U.a. werden die Zertifizierungen zum VR/AR-Trai- ner hiermit zielgerichtet erweitert. Interaktive Rollenspiele, kreative Entwicklung von Story lines, dass Erproben von Prozessen aus der Praxis oder das Visualisieren von Lerninhalten in einem 3D- Raum stehen hier im Vordergrund. Der „Metaverse Campus“ spielt auch im Bereich der Inhouse-Lernangebote eine zunehmende Rolle. In den Aktivitäten werden immer konkre- te Ideen und Einsatzfelder in der jeweiligen Or- ganisation integriert und abgeleitet. Die Teilneh- menden werden angehalten eigene Praxisthemen mitzubringen und diese direkt in die Diskussion und erste Umsetzungen einfließen zu lassen. Hierzu ist eine große Flexibilität der Gestaltungs- möglichkeiten notwendig. Dies wird u.a. durch die Wiederverwendbarkeit der „Immersive Learning Pattern“ und der 3D-Ob- jekte realisiert. Die Teilnehmenden können so mit den anderen Teilnehmenden kollaborativ an Ideen und an einer Story, für ihr eigenes Thema arbei- ten und erhalten in virtuellen Reflexionsrunden im „Metaverse Campus“ Feedback und Transfer- aufgaben. Neben den Lernwelten wie dem „Energie Cam- pus“ in dem die aktuellen Themen Wärmepumpe, Fotovoltaik, Solarthermie oder E-Mobilität erleb- bar werden, werden bestimmte Welten des „Me- taverse Campus“ im Umfeld Events genutzt. Z.B. werden regelmäßige Exkursionen von „Matter- horn“, auf den „Mond“ und auf den „Mars“ durch- geführt und so Teilnehmenden die Grundprinzipi- en von Metaverse erlebbar aufgezeigt. Hier dient die Weltenmetapher als Analogie für die mensch- liche Exploration und Erforschung neuer unbe- kannter Orte. Dabei stellen die Welten Herausfor- derungen dar und bilden die Basis für psychische und physische Belastungen. Gestellte Aufgaben werden immer komplexer und motivieren immer mehr, die Möglichkeiten der 3D-Welten zu nutzen. Sie führen die Teilnehmenden nach und nach an den Funktionsumfang heran. Neben Lern- und Erlebniswelten für Events, ste- hen im „Metaverse Campus“ auch Arbeitswelten zur Verfügung. Hier werden interaktive räumli- che Meetings und Beratungsgespräche durch- geführt. Während der Beratung werden neue Interaktionsmethapern eingesetzt und gemein- sam mit den Kunden dreidimensionale Struktu- ren entwickelt, die die Herausforderungen und Businessziele abbilden. Auch finden in den Wel- ten kleinere Workshops statt. Auch laden Show- rooms für die Ausstellung von Produkten und Dienstleistungen ein. Weitere kreative Themenwelten runden die Ein- satzszenarien ab, hier sind virtuelle Vernissagen und Themenwelten vorhanden. So wurden z.B. Umfrageergebnisse zum Thema „Immersive Lear- ning 2022 – Insights“ als Vernissage visualisiert. Hier fanden mehrere Events und Führungen statt. Diese Welt steht Teilnehmenden nun jederzeit zur Verfügung. Darüber hinaus steht mit „Moin Ost- friesland“ eine öffentliche Vernissage mit eigenen 12 HR Performance 2/2023

E-Learning Fotos und Skulpturen als Vernissage zu besuchen zur Verfügung. Ab August 2023 werden aus dem „Metaverse Campus“ auch News-Sendungen stattfinden. Die- se werden bis Ende des Jahres mit neuen Forma- ten – auch Live-Formate mit Zuschauern – umge- setzt werden. In der ersten Hälfte des Jahres wird das virtuelle Headquarter „Torstenfell.space“ in eine neue technische Lösung überführt. Dies wird dann nicht nur räumlich sein, sondern auch kol- laborativ. Diese Welt wird u.a. Ausgangspunkt der zukünftigen Veranstaltungen sein. Das C steht mit „Collaboration“ für einen abso- luten Kern des Metaverse. Gemeinsames Lernen und Arbeiten, Events und Kreativwelten laden ein, neue Lösungen zu entwickeln und zu testen. Die Kollaboration wird unter Nutzung der Avatare im virtuellen Raum abgebildet. Non-verbale Signale werden mithilfe von Senso- ren erkannt und auf den Avatar gelegt. Diese kön- nen dann in der Kommunikation von den anderen interpretiert werden. Gemeinsam können Objekte manipuliert, neue Zusammenstellungen und kre- ative Storys designt werden. Die bereits skizzierten Beispiele zeigen, dass ein breiter Einsatz der virtuellen Welten möglich ist. Dabei zeigen diese sehr schön auf, wie vielfältig der Einsatz virtueller Welten auf dem Weg zum Metaverse heute schon sein kann. Natürlich gibt es auch Grenzen und Rahmenbedingungen, die Berücksichtigung finden müssen. In der Nutzung durch die Teilnehmenden müssen z.B. Verhaltens- regeln oder Sicherheitshinweise gegeben werden. Auch auf das Umfeld der ethischen Fragestel- lungen und Datenschutz-/-sicherheits-Konzep- te muss besonderes Augenmerk gelegt werden. Neue Fragestellungen, z.B. was passiert, wenn man mir meinen Avatar stiehlt und nutzt usw. müssen beantwortet werden. SPACE bildet den konzeptionellen Rahmen … Der „Metaverse Campus“ basiert auf einem An- satz, der sich SPACE nennt. Hierzu steht das S für „Spatial“ für die virtuelle und erweiterte Räum- lichkeit. Der „Metaverse Campus“ kann neben virtuellen Welten, auch den Zugang zu Objekten bieten, die in die eigene Realität integriert werden können und über AR-Technologie die eigene Rea- lität erweitern. In allen Ausprägungen der Räum- lichkeit stehen interaktive Experience und immer- sive Erfahrungen zur Verfügung. Das P steht für „Practice“ – hier werden an Ziel- gruppen und Businesszielen Lösungen „Aus der Praxis – für die Praxis“ generiert. Es wird sicher- gestellt, dass die jeweilige Lösung keinen Selbst- zweck hat, sondern für die geplanten Szenarien einen Mehrwert bietet. Das E steht für „Expertice“ – hier steht Wachstum und Innovation gepaart mit der Ausrichtung an Mitarbeitenden, Kunden und Kooperationspart- nern im Mittelpunkt der Überlegungen. Wo bietet die Lösung einen Mehrwert und wieso. Dies zahlt auch auf das Thema Branding und Marke ein und ist damit in einem weltweiten Markt, in dem die Talente die neue Währung sind, nicht unwichtig. SPACE ist somit ein konzeptioneller Rahmen des „Metaverse Campus“. Die Ausrichtung und Um- setzung, wird regelmäßig erprobt und mit Kunden und potenziellen Interessierten entwickelt. Technologie-Basis des Metaverse Campus Der Metaverse Campus basiert auf ersten techni- schen Standards zu kollaborativen Erlebniswel- ten und nutzt bestehende Lösungen, ohne indi- vidualisierte Programmieraufwände. Die 3D- und VR-fähigen Welten und die dort integrierbaren 3D-Objekte sind in verschiedenen technischen Lösungen verwendbar und basieren auf aktuellen Standards. Um die Personen individuell abzubil- den, wird auf eine technische Lösung zurückge- griffen, die es erlaubt, den einmal erstellten Ava- tar in unterschiedlichen Systemen zu nutzen. All dies führt zu einer hohen Wiederverwendbar- keit. Weiterhin bilden die 3D-Welten den Rahmen, können aber über die eigenen 3D-Objekte indivi- duell mit „Leben“ und Lernprozessen gefüllt und individualisiert werden. Keine Welt und keine Auf- gabe ist gleich, ohne dass hier Programmierauf- wand entsteht. Das A steht für „Alignment“ – hier geht es um die strategische Ausrichtung, die Business-Prozesse und die Integration der Lösungen. Die Sichtweise auf eine ganzheitliche Businesstransformation unter Nutzung der Komponenten erweist sich hier als ein entscheidender Faktor. Die Erstellung der 3D-Objekte und Daten ist vom Aufwand her überschaubar. So kostet die rei- ne 3D-Erstellung einer ganzen Welt, meist nicht mehr als 1.000 Euro. Kollaborative 3D/VR-Tools sind bereits für 20 bis 300 Euro pro Monat zu be- kommen. Zu den Einmalkosten kommen die An- HR Performance 2/2023 13

E-Learning Die drei Ms – Matterhorn, Mond und Mars als Eventswelten bei öffentlichen Veranstaltungen schaffung oder das Ausleihen von VR-Hardware und/oder AR-Hardware dazu. Durch die Kollaboration können, über die Avata- re, aus der ganzen Welt sich Lerngruppen virtuell treffen. Sie sparen so erhebliche Kosten, z.B. Ab- wesenheit durch Anfahrtszeiten, aber auch CO2 durch nicht stattfindende Präsenz-Treffen. Der Mehrwert gegenüber ZOOM- oder MS Teams- Sessions ist für die Teilnehmenden sehr groß. Sich räumlich in einer virtuellen Umgebung zu treffen, die Nähe, den räumlichen Klang und die sozialen Interaktionen zu spüren, kommt der Wirklichkeit sehr nahe. Fazit Vieles ist schon möglich und kann auch mit wenig Budget umgesetzt werden. Daraus entstehende Erfahrungen werden in Zukunft wichtig sein, um die Chancen und Veränderungen, die durch neue Hardware möglich wird, zielgerichtet zu gestal- ten. Der „Metaverse Campus“ kann helfen, ers- te Einblicke und Umsetzungen zu verstehen. Alle Welten können gemietet und eigene Events, Trai- nings oder Vernissagen genutzt werden. Individu- elle Welten können gemeinsam erstellt und um- gesetzt werden. Um das Thema Metaverse zielgerichtet zu integ- rieren, sind und werden neue Jobs entstehen. So wird es im Umfeld der Erstellung von immersiven Medien, einen neuen Ausbildungsberuf ab dem 1.8.2023 in Deutschland geben – den/die „Gestal- ter*in für immersive Medien“. Wir müssen uns im Umfeld HR PE, L&D oder Training mit den The- men 3D und immersive Technologien beschäfti- gen. Hierzu gibt es bereits einen Markt an Re- und Upskilling-Angeboten. Im Metaverse-Campus 14 HR Performance 2/2023 werden u.a. VR-/AR-Trainer*innen oder Meta- verse Weltendesigner*innen ausgebildet. Holen Sie sich eine/n wirklichen „Experten*in“ in diesem Bereich, im Moment sind viele „Trittbrett- fahrer*innen“ unterwegs, die unter dem Deck- mantel Metaverse ohne wirkliche Erfahrung den Hype nutzen wollen. Dies gilt auch für Lösungs- anbieter, es gibt noch kein Metaverse – es sind bestenfalls kollaborative immersive Lösungen, die noch viele Punkte offenlassen. Zudem sind viele Punkte noch gar nicht geklärt. Auf der an- deren Seite können bereits auf den bestehenden Lösungen neue Konzepte gedacht und umgesetzt werden. Hier gilt es, die richtigen und wichtigen ersten Schritte zu gehen und mit den Erfahrun- gen den nächsten Schritt umzusetzen. Umsetzen ist das Thema, Konzepte sind wichtig, aber eine zielgerichtete Umsetzung mit dem Praxisnutzen und Mehrwert generiert werden, ist wichtiger. Ich kann nur ermutigen, sich mit dem Thema Meta verse offen und ohne Vorbehalte zu be- schäftigen. Setzen Sie die Chancen in den Vor- dergrund nicht die Gründe, warum das alles nicht geht. Gewinnen Sie Erfahrung und lernen Sie aus Ihren Fehlern, ja wir alle werden Fehler machen und Erkenntnisse bekommen, wie etwas besser gemacht werden kann. Metaverse ist eine Reise, die aktiv mitgestaltet werden kann. Keiner von uns ist ausgeliefert, und die Abhängigkeiten bau- en wir meistens selbst auf. Gern lade ich Sie ein auf eine Guided Tour durch den „Metaverse Cam- pus“ ein. Nutzen Sie die Chance, jetzt schon einen Eindruck davon zu bekommen, wohin die Reise gehen wird und welche neuen Ziele gemeinsam angesteuert werden. Besuchen Sie auf der LEARNTEC 2023 den VR/AR- Bereiche in Halle 2. Probieren Sie einmal selbst eine VR-Brille aus und vernetzen Sie sich mit an- deren Interessierten rund um das Thema VR/AR und Metaverse. TORSTEN FELL, Institutsleiter und Founder – Institute for Immersive Learning, https://www. immersivelearning. institute/

E-Learning Wieso auf immersives Lernen setzen? Immersive Learning bezieht sich auf den Ein- satz von Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) oder Mixed Reality (MR) in Lehr- und Lern- szenarien, um eine „realistische“ und interak- tive Lernumgebung zu schaffen. Es ermöglicht den Lernenden, in einer simulierten Umgebung zu interagieren und zu experimentieren, was das Verständnis und die Erinnerungsquote von Kon- zepten und Fähigkeiten verbessern kann. Bei VR liegt der Schwerpunkt im Handeln und Tun, so- mit in der Kompetenzentwicklung und in der Lö- sungsorientierung. Mit AR wird meistens die Un- terstützung des Arbeitsprozesses realisiert, also Konzepte wie „Performance Support“ und „5 Mo- ments of Need“. Es gibt bereits eine Vielzahl von Anwendungen und Plattformen für immersives Lernen, die von Unternehmen und Bildungseinrichtungen entwi- ckelt wurden, um ein breites Spektrum von The- men, Fähigkeiten und Kompetenzen abzudecken. Aktuell spielen insbesondere auch kollaborative Lernansätze eine zunehmende Rolle. Über Avata- re trifft sich die Lerngruppe/das Lerntandem im virtuellen Raum und erlebt gemeinsam Trainings- situationen oder erstellt gemeinsam interaktiv Lerninhalte und Szenarien. Ausgehend von den aktuellen Einsatzgebieten, wollen wir uns heute auch bereits mit dem Thema künstliche Intelligenz (KI) in diesem Umfeld be- schäftigen und welche Umsetzungen bereits rea- lisiert sind und gerade werden. Doch lassen Sie uns erst einmal den aktuellen Status quo ansehen. Einsatzbereiche von immersivem Lernen Es gibt eine Vielzahl von Lerninhalten, die beson- ders gut für immersives Lernen geeignet sind. Im Allgemeinen eignen sich Lerninhalte, die prakti- sche Erfahrung und interaktive Übung erfordern, am besten für immersives Lernen. Die Vielfältig- keit bei den Lerninhalten und Szenarien ist ziem- lich hoch, es ist eine innovative Methode, die das Lernen effektiver und ansprechender machen kann. Dabei sind folgende Schwerpunkte beson- ders hervorzuheben: • Simulationen und Szenarien eignen sich gut, da sie es Lernenden ermöglichen, Entscheidungen und Konsequenzen in einer sicheren und kon- trollierten Umgebung zu erleben. Beispiele hierfür sind Notfalltraining, Flugsimulationen oder auch Marketingstrategien. • Technische Fähigkeiten wie Reparatur- und Wartungsfähigkeiten können gut in einer si- mulierten Umgebung geübt werden. Durch 16 HR Performance 2/2023

immersives Lernen können Lernende den Vor- gang wiederholen und sich dabei auf bestimm- te Komponenten oder Schwachstellen konzen- trieren. • Das Erlernen einer Fremdsprache kann durch immersives Lernen verbessert werden, da Ler- nende durch Interaktion mit simulierten Sze- narien in der Sprache ihre Fähigkeiten prak- tisch anwenden können. • Soft Skills wie Zusammenarbeit, Konfliktlö- sung und Führung können in simulierten Sze- narien trainiert werden. • Geschichts- und Kulturvermittlung können verbessert werden, indem Lernende durch Vir- tual Reality in historischen Epochen eintau- chen und kulturelle Aspekte in der jeweiligen Umgebung erleben können. Schwerpunkt Branchen beim Einsatz von Immersive Learning Branchen, die eine hohe praktische Erfahrung erfordern oder in denen die Folgen von Fehlern schwerwiegend sein können, sind gut für immer- sives Lernen geeignet. • • • Das Gesundheitswesen ist ein Bereich, in dem Immersive Learning bereits weit verbreitet ist. Zum Beispiel können Medizinstudenten durch Virtual-Reality-Simulationen praktische Er- fahrungen in der Chirurgie und anderen Ver- fahren sammeln, bevor sie sich an echten Pa- tienten versuchen. In der Produktion und Fertigung können im- mersive Lernumgebungen für Schulungen zur Bedienung von Maschinen oder zur Reparatur von Ausrüstungen eingesetzt werden. In einer sicheren simulierten Umgebung können Mitar- beiter die Fähigkeiten erwerben, die sie benöti- gen, um effektiver und sicherer zu arbeiten. In der Luftfahrt und im Transportwesen kön- nen immersive Lernumgebungen für Schulun- gen zur Pilotenausbildung und für Flugsimula- tionen genutzt werden. Darüber hinaus können virtuelle Schulungen für den Umgang mit ge- fährlichen oder ungewöhnlichen Situationen im Verkehr eingesetzt werden. Im Tourismus und Gastgewerbe können im- mersive Lernumgebungen für Schulungen zur Gästebetreuung und zum Umgang mit schwie- rigen Kunden oder Situationen eingesetzt wer- den. Immersive Lernumgebungen können auch in der allgemeinen Bildung und Ausbildung ein- gesetzt werden, um ein besseres Verständnis für das Erleben von Situationen zu vermitteln. • • E-Learning Mehrwert spielt eine wichtige Rolle Beim Einsatz von Immersive Learning bereitet die Argumentation „Wieso eigentlich immersive Lernmedien einsetzen“ immer wieder eine große Diskussion. Hier ein paar Gründe: Effektivere Schulungen Immersives Lernen ermöglicht es Mitarbeitern, praktische Erfahrungen in einer sicheren und kontrollierten Umgebung zu sammeln. Dadurch können Schulungen effektiver gestaltet werden, da die Lernenden die Fähigkeiten und Kenntnisse, die sie benötigen, schneller und gründlicher er- werben können. Kosteneinsparungen Immersives Lernen kann auch dazu beitragen, die Kosten für Schulungen zu senken. Da virtuelle Lernumgebungen keine teuren physischen Schu- lungsräume oder teure Ausrüstung erfordern, können Unternehmen Geld sparen, indem sie auf immersives Lernen umsteigen. Nebenbei wird die Umwelt geschont, wenn die Teilnehmenden nicht aus der ganzen Welt anreisen müssen. Höhere Mitarbeiterzufriedenheit Immersives Lernen kann auch dazu beitragen, die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen, da es eine interaktive und ansprechende Lernerfah- rung bietet. Mitarbeiter können sich durch die Verwendung von Virtual-Reality- oder Augmen- ted-Reality-Technologien stärker in die Schu- lung einbezogen fühlen und möglicherweise auch schneller Fortschritte machen. Höhere Sicherheit In unterschiedlichsten Branchen, in denen Mit- arbeiter mit gefährlichen Werkzeugen oder Ma- schinen arbeiten, kann immersives Lernen dazu beitragen, die Sicherheit für die Mitarbeitenden zu erhöhen. Da Lernende in einer virtuellen Um- gebung lernen, können sie die richtigen Techniken und Verfahren üben, ohne das Risiko von Verlet- zungen oder Schäden. Konkurrenzfähigkeit und Marke/Fachkräfte Unternehmen, die Immersive Learning in ihre Trainingsmethoden integrieren, können auch wettbewerbsfähiger sein. Sie können sich von der Konkurrenz abheben, indem sie innovative und ansprechende Schulungen anbieten, die ih- ren Mitarbeitern helfen, schneller und effektiver zu lernen. Somit wird der Einsatz im Umfeld Emp- loyer Branding und Marke eine interessante Rol- le spielen können. Insbesondere auch bei der Ge- winnung der zukünftigen Fachkräfte im Markt. HR Performance 2/2023 17

E-Learning KI im Umfeld VR/AR und Lernprozesse Sowohl VR als auch AR bieten ein immersives Lernerlebnis, das es Lernenden ermöglicht, kom- plexe Konzepte und Fähigkeiten auf eine Weise zu verstehen und zu erlernen, welche in einer tradi- tionellen Lernumgebung nicht oder nur sehr auf- wendig möglich ist. Wenn KI in VR- und AR-An- wendungen integriert wird, können Lernende ein personalisiertes Lernumfeld genießen, das sich auf ihre individuellen Bedürfnisse und Fähigkei- ten abstimmt. So verwendet Airbus ein VR-Trainingssystem, das Piloten das Fliegen von Airbus-Flugzeugen in ei- ner realistischen virtuellen Umgebung beibringt. Das System verwendet KI, um das Verhalten des Flugzeugs in verschiedenen Situationen zu simu- lieren und das Training entsprechend anzupas- sen. KI kann dazu genutzt werden, das Lernverhalten der Lernenden zu analysieren, um personalisierte Empfehlungen für Lerninhalte und Schulungen zu geben. Durch die Analyse der Daten, die von den Lernenden generiert werden, kann KI auch Feed- back und Unterstützung in Echtzeit liefern. Dies ermöglicht ein individuelles Lernumfeld, das auf die Bedürfnisse und Stärken des Lernenden zuge- schnitten ist und so ein höheres Engagement und bessere Lernerfolge fördert. Walmart verwendet VR-Training, um Mitarbeiter in verschiedenen Szenarien zu schulen, beispielswei- se bei der Handhabung von Kundenanfragen, bei der Reaktion auf Diebstähle und bei der Interakti- on mit schwierigen Kunden. Das System verwendet KI, um das Verhalten der Kunden zu simulieren und das Training entsprechend anzupassen. Durch den Einsatz von KI können Lernende kom- plexe Szenarien simulieren und interaktive Trai- ningsprogramme durchführen. Mitarbeiter kön- nen in einer Fertigungsumgebung komplexe Abläufe simulieren, um zu trainieren und Fehler zu minimieren. Medizinisches Personal kann chi- rurgische Eingriffe in einem sicheren virtuellen Raum durchführen, um ihre Fähigkeiten zu ver- bessern und mögliche Risiken zu minimieren. GE Healthcare hat z.B. ein AR-Trainingssystem entwickelt, das Ärzten und medizinischem Per- sonal die Durchführung von Ultraschalluntersu- chungen beibringt. Das System verwendet AR- Brillen, um eine realistische virtuelle Umgebung zu erzeugen, und KI, um das Feedback an den Be- nutzer anzupassen. Aktuell werden für die Erstellung von 3D-Objek- ten und Welten sogar schon erste KI-Lösungen eingesetzt. In den kollaborativen Umgebungen werden erste KI-gestützte Avatare für Dialogfüh- rung verwendet. In Soft Skill-Lerninhalten füh- re ich so ein Personalgespräch mit einem KI-ge- stützten Avatar auf der anderen Tischseite. KI ist im Umfeld VR/AR aber nichts Neues – es wird schon seit Jahren bei der Erkennung von Au- genbewegungen (Eyetracking), der Hände- und Finger oder der damit verbundenen Gesten einge- setzt. So können virtuelle Objekte angefasst, ma- nipuliert und neue erstellt werden. Auch bei der Erkennung der physischen Umgebung oder dem Erkennen von Objekten in diesem wird KI und VR/ AR schon lange kombiniert. So werden Maschi- nen, Fahrzeuge oder Gebäude erkannt und mit zu- sätzlichen Informationen über AR erweitert. In den letzten Jahren kamen durch die Diskussion rund um die kollaborativen Szenarien das Thema Face-Tracking dazu. Dieses ermöglicht non-ver- bale Gesichtsausdrücke zu erkennen und die- se auf meinen Avatar zu legen. Dies steigert in der virtuellen Umgebung die Wahrnehmung des emotionalen Zustands des Gegenübers. All diese Sensoren und KI-Lösungen sind heu- te in Hardware integriert, die zwischen 430 bis 1.400 Euro kostet. Es obliegt nun an uns, damit sinnvolle und zielgerichtete Lehr- und Lernsze- narien zu entwickeln. Den eines ist klar, durch die aktuellen Entwicklungen im Umfeld KI, werden weitere leistungsfähigere Lösungen entstehen. Insbesondere auch bei der Content-Erstellung ist dies zu spüren. Insgesamt bietet die Kombination von VR/AR und KI eine aufregende Möglichkeit, das Lernen und Training zu revolutionieren, indem sie persona- lisierte und immersivere Erfahrungen bietet, die auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Einzel- nen abgestimmt sind. Gehen Sie mit auf die Reise. TORSTEN FELL, Institutsleiter und Founder – Institute for Immersive Learning, https://www. immersivelearning. institute/ 18 HR Performance 2/2023

Machine Learning Machine Learning und KI im Corporate Learning Ein Interview mit Thomas Jenewein, Business Development Manager und Digital Ambassador bei SAP HRP: Wo stehen wir im Bereich der künstlichen Intelligenz? Thomas Jenewein: Forschung zu künstlicher In- telligenz (KI) und zum maschinellen Lernen gibt es schon seit 1950. Die letzte Welle der Aufmerk- samkeit gab es nach technischen Entwicklungen im Deep Learning & neuronalen Netzwerken, ho- her Datenverfügbarkeit sowie verbesserter Hard- ware. Vor ca. sechs Jahren (2017) sah man hier starke Verbesserungen rund um Bilderkennung, Chatbots oder „Conversational User Interfaces“ wie Alexa oder Siri. Computer und Software ler- nen von Daten, ohne explizit programmiert zu werden, und können erkennen, lesen, hören, ver- stehen und interagieren. Inzwischen nutzen viele von uns Software, in der KI enthalten ist – von Spamfiltern, Bildersu- che, Kaufempfehlungen bis hin zu spezifischen Anwendungen in der Firma. Dabei kann man von „schwacher“ KI sprechen. Die Möglichkeiten ha- ben sich nun jedoch stark geändert. Im November 2022 wurde von OpenAI die Appli- kation ChatGPT online für jeden zugänglich zur Verfügung gestellt und damit eine stärkere KI, ge- nerative KI genannt. Viele sprechen dabei von ei- nem iPhone-Moment oder der Öffnung der Büch- se der Pandora. HRP: Was ist bei dieser generativen KI besonders? Jenewein: Es ist ein Sammelbegriff für KI-basier- te Systeme, mit denen auf scheinbar professio- nelle und kreative Weise alle möglichen Ergeb- nisse produziert werden können. Bilder, Videos, Audio, Text, Code, 3D-Modelle oder Simulationen. GPT-3 (ChatGPT) und weitere Tools versetzen die Nutzer:innen in die Lage, ihre Ideen sehr schnell zu iterieren und Designs zu konkretisieren. Durch Prompts – kurze Textanweisungen – erzeugt der Computer passende Texte, Bilder oder sogar Vi- deos. Im Hintergrund arbeiten generative Modelle. Die gibt es zwar schon lange, doch erst kürzlich hat die Qualität der erzeugten Daten bzw. Text- Modelle einen großen Sprung gemacht. Der Durchbruch gelang bei textuellen Daten mit großen, transformerbasierten Sprachmodellen wie BERT (Google) und GPT-3 (OpenAI). Model- le für visuelle Daten zogen nun etwas später mit Diffusion Models wie DALL-E, Imagen und Stable Diffusion nach. Thomas Jenewein, Training & Adoption I Business Develop- ment & Digital Sales Europe, SAP Deutschland SE & Co. KG HR Performance 2/2023 19

Machine Learning Wichtig zu verstehen dabei ist, dass ChatGPT das nächste Wort immer anhand von Wahrscheinlichkeiten auswählt. ChatGPT gehört in die Kategorie des Natural Language Processings und wird für das Verfassen von Texten und anderen sprachbasier- ten Aufgaben eingesetzt. Bei neuen Themen oder am Rand der Netzwerke hat das Programm Probleme und erfindet neue Worte – es halluziniert. HRP: Welche Einsatzfelder des Machine Learning gibt es im Corporate Learning? Jenewein: Da gibt es natürlich diejenigen, die schon länger wei- terentwickelt werden. Im formellen Bereich sind dies: • Empfehlungen von Kursen je nach Interessen oder Click-Ver- halten • Automatisierung von administrativen Aufgaben • adaptives personalisiertes Lernen je nach Wissen und Skills, was durch Fragen oder Clickverhalten geprüft wird Im Bereich collaboratives Lernen sind dies u.a.: • Empfehlungen von Peers zum Lernen, • ChatBots, z.B. zu Reflektion, Onboarding, Präsentationstrai- ning und andere Anwendungsfälle • Unterstützung von Communitys, z.B. bei der Beantwortung • von Fragen oder Kuratierung individuelles Tutoring, z.B. von Übungen, Rollenspielen oder zur Prüfungsvorbereitung Im Bereich On-the-Job-Lernen sind dies u.a.: • Assistenten mit Anleitungen von Guided Tours bis Micro- Learnings, z.B. in der Software eingebettet • Verbindung mit AR/VR und Metaverse im Rahmen der ding- lichen Welt wie bei Maschinen oder Geräten • digitale Assistenten, die jegliche Fragen beantworten • oder digitale Assistenten, die Aufgaben ausführen – wobei Lernen gar nicht mehr im Vordergrund steht Diese Einteilung wurde in den letzten Jahren stetig optimiert – gerade bei den letzten Punkten sehen wir, wie die neuen Apps rund um ChatGPT neue Innovationen bringen. Tools gibt es schon viele – hier eine Auswahl in den KI eine Rol- le spielt: (Affektive) intelligente Tutoring-Systeme, adaptive Assessments, adaptive Lernsysteme, Chatbots und Voicebots, Classroom Moni- toring Systems, Smart Classrooms, digitale Lernassistent*innen, Diskursanalysen, Educational Co-Bots, Empfehlungssysteme, KI-basierte Prognosen, Klassifizierungssysteme, Learning-Expe- rience-Plattformen (LXP), Matching-Plattformen, pädagogische Agenten, Learning-Reinforcement-Systeme, Robo Grader, Sen- timentsanalysen, Sprach-, Bild- und Textanalysen, -erkennung und -generierung, Talent Marketplaces. etc., was doch relativ aufwendig ist. Jeder kann ChatGPT selbst nutzen oder die APIs nutzen, wie zum Beispiel die Khan Acade- my oder Duolingo schon eindrücklich zeigt. HRP: Was heißt das für die Praxis? Jenewein: ChatGPT kann entlang des kompletten Prozesses im Corporate Learning genutzt werden – von Bedarfsklärung, In- haltserstellung bis Evaluation. So kann es beispielsweise helfen, Lerninhalte zu erstellen oder zusammenzufassen. Design von Übungen, Quizzes und Tests ist schneller und einfacher. Für Lernende ist ChatGPT ein neuer digitaler Assistent, wenn es um Probleme oder Fragen im Arbeitsalltag geht. Vieles muss vielleicht gar nicht mehr formell gelernt werden über ein E-Learning, sondern man fragt eben den Bot. Interessant ist u.a. der Bereich Software-Programmierung, denn der Bot kann Software schreiben, sogar aufgrund von bildlichen Skizzen … Generell kann man sagen, dass Wissensarbeiter um die 35 Pro- zent produktiver werden, wie eine Studie vom MIT zeigt. Dies wirkt sich also auf ganz unterschiedliche Tätigkeiten aus – auch im Kontext von Lernen. https://www.netzoekonom.de/2023/03/08/chatgpt- erhoeht-produktivitaet-der-wissensarbeiter-um-35-prozent/ Für die EdTech Start-ups heißt es u.a., dass eigene Sprachmo- delle zu aufwendig sind. Jedoch über APIs ist es möglich, an ChatGPT anzukoppeln. Folgende Beispiele gibt es schon: https://openai.com/customer-stories/duolingo https://openai.com/customer-stories/khan-academy HRP: Welche Erfahrungen haben Sie bereits damit gemacht? Jenewein: Ich versuche wie immer bei Innovationen, diese in meinem Kontext auszuprobieren. So habe ich es bereits für fol- gende Dinge benutzt: • Voice-to-Text-Transkription unseres EducationNewscast Podcast HRP: Wie verändert ChatGPT4 die bisherige Arbeit mit den ChatBots? Jenewein: Wir müssen nun keinen eigenen Chatbot mehr er- stellen inkl. Modell-Erstellung, Training, Optimierung, Testen • Generierung von Vorschlägen für Mail-Titel/Betreff-Zeilen • Vorschläge für Agendas für Präsentationen • Vorschläge für Intros von Blogartikeln • Erstellung von Grafiken für Präsentationen via Dall-E 20 HR Performance 2/2023

• eigenes Lernen zu Zusammenhängen und Begriffen im Be- reich KI • Neugestaltung unseres Treppenhauses 😉 Auch rede ich in meinem Podcast immer wieder darüber – u.a. mit Dr. Nadja Eggmann – die an der USG eine Doktorarbeit zu KI im Corporate Learning gemacht hat, kürzlich: https://podcast.opensap.info/education- newscast/2023/02/20/enc234-kunstliche-intelligenz-im- corporate-learning-anwendungsfalle-erfolgsfaktoren-und- handlungsempfehlungen-mit-dr-nadia-eggmann/ Zusätzlich bin ich in einer Lerngruppe der Corporate Learning Community – innerhalb der wir uns regelmäßig zu Erfahrungen und Neuerungen austauschen. HRP: Welche Konsequenzen kann das für die Mensch-Ma- schine-Kommunikation haben? Jenewein: Sie wird einfacher. Derzeit ist die Prompt-Formulie- rung noch eine Kunst, aber die Anwendungen werden immer besser. Ähnlich wie der Taschenrechner für Mathematiker gibt es einen starken Booster. Die Validität und Kontextrelevanz wird zudem besser, wenn man eigene Daten einbringt und vortrainierte Modelle (wie das Large-Language-Modell hinter ChatGPT) mit eigenen Daten an- reichert. Beispiel: https://openai.com/customer-stories/mor- gan-stanley. HRP: Werden Sie auf der LEARNTEC in Karlsruhe sein? Was bringen Sie mit? Nein, wir sind im Mai in Hamburg auf der OMR – dem Festival für das digitale Universum – mit 70.000 anderen Menschen und einem großen SAP-Stand. Danach hosten wir das Corporate Learning Barcamp in Walldorf am 16. und 17. Mai. Am 22. Juni machen wir zudem das hybride SAP Training und Change Forum in Walldorf mit viel Austausch und Inspiration – wozu ich gern einlade. https://events.sap.com/eur/2023-trai- ning-forum/de/home. HRP: Wie können Weiterbildungs- und Personalabteilungen optimal mit den neuen Entwicklungen umgehen? Jenewein: Sich informieren und ausprobieren, wo es Sinn macht. Mitarbeitenden Frei- und Lernräume geben, um es auch zu nutzen. Warum nicht dazu ein internes Barcamp oder Hackathons veranstalten? Zentral bei der Einführung von KI sind zudem zwei Dinge: Change Management: Gerade bei KI-Nutzung schwingen viele Ängste mit – von Dystophien wie die Auslöschung der Welt bis zum individuellen Job- und Relevanz-Verlust. Kommunikation, Einbindung, klare Ziele, Leitplanken, Lernangebote und andere Change-Ansätze sind essenziell. Ethik: Die Nutzung von KI im Unternehmen sollte immer ent- lang ethischen Grundsätzen und Leitlinien laufen – die opera- Machine Learning tionalisiert werden müssen und dann auch konkret bestimmen: welche Use-Cases (z.B. bei Verwendung von persönlichen Da- ten, möglichem Bias …) müssen wie genauer gemonitort wer- den oder sind überhaupt ein No-Go. Ein Beispiel ist hier der SAP-Ansatz – s. kostenloses E-Learning https://open.sap.com/ courses/aie1?locale=de. Deshalb ist auch bei uns Change Management ein zunehmend wichtiger Service, um u.a. die Akzeptanz und Nutzung, neu- deutsch „Adoption“, von Software zu optimieren. HRP: Was empfehlen Sie den interessierten Verantwortli- chen? Jenewein: Natürlich ChatGPT ausprobieren, einfach ist das z.B. über Bing. Midjourney, Dall-E oder Stable Diffusion sollte man ausprobieren bzgl. grafischer Gestaltung. Weitere deutsche Tools sind z.B. für Schreibassistenz Neuro- flash oder DeeplWrite. HRP: Wo nutzt SAP künstliche Intelligenz? Jenewein: SAP nutzt ganz unterschiedlich. Wir haben kein Pro- dukt an sich, sondern betten KI in die Software ein und bieten technische Services auf unserer Business-Technology-Platt- form – und dann gibt es zum Beispiel Dublettenprüfung sowie Rechnungsempfänger-Erkennung und -Zuweisung im Finanz- wesen. Im Bereich Lernen nutzen wir (und bieten das auch als Teil un- ser Produkte an): • Kursempfehlungen im LMS • Machine Translation von Kursmaterialien (unser Autorentool SAP Enable Now hat hierzu auch eine Schnittstelle) • Chatbots in der Lerncommunity Auf der Kundenmesse SAPPHIRE zeigen wir zudem neuste An- wendungen aus unserem SAP Trainings Bereich, die mit un- seren Daten trainiert wurden: mit Kursen, Dokumentation, E-Learning oder nutzergenierten Inhalten aus der SAP Commu- nity. Die Suche mit integriertem Chatbot, ähnlich bei Bing und ChatGPT wird eine neue Nutzererfahrung bieten, wenn es um Wissen und Skills rund um SAP-Produkte geht. Und auf dem SAP Training Forum werden wir Erfahrungen aus der internen SAP-Weiterbildung mit KI vorstellen (https:// events.sap.com/eur/2023-training-forum/de/home). HRP: Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Jenewein. Weitere Links Mein Podcast – da bespreche ich das Thema immer mal wieder: https://podcast. opensap.info/education-newscast/ https://www.linkedin.com/in/thomasjenewein/ – in meinem Feed teile ich auch immer wieder interessante Artikel, Podcasts zum Thema Prof. Ethan Mollick, KI Experte vom MIT, https://www.oneusefulthing.org/ HR Performance 2/2023 21

Weiterbildung Zeitgemäßes Lernen am Arbeitsplatz Professor Dr. Norbert Rohleder vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Mainz erläutert das „70-20-10-Modell“zur Weiterbildung von Mitarbeitenden und stellt dabei dessen Vorteile, aber auch die Kritik daran heraus. Ein Großteil des Lernens und der beruflichen Wei- terentwicklung von Mitarbeitenden findet heute am Arbeitsplatz statt. Mitarbeiter lernen, indem sie sich herausfordernden Aufgaben stellen, Neu- es ausprobieren, sich mit Kollegen austauschen, im Internet recherchieren oder im Alltag Erfahre- nes auf die Arbeit übertragen. An diese Veränderungen hat sich auch die unter- nehmerische Weiterbildung angepasst. Und so hat sich in der betrieblichen Praxis seit einigen Jahren das „70-20-10-Modell“ etabliert, das viele Organisationen nutzen, wenn es um Personalent- wicklungsmaßnahmen geht. Das 70-20-10-Modell – die Definition Hinter der Zahlenreihe 70-20-10 verbirgt sich nicht etwa eine mathematische Formel. Sie ist die theoretische Basis einer neuen und zugleich al- ten Lernphilosophie, die sich in der betrieblichen Weiterbildung verbreitet hat: Wir lernen nicht nur durch Wissen, sondern insbesondere auch durch Handeln. Diese Erkenntnis ist nicht wirklich neu, denn sie hat bereits in den letzten Jahrzehnten in den Unternehmen ihren Platz gefunden: Perso- nalentwicklung On-the-Job, Into-the-Job, Near- the-Job, Job-Enlargement, Job-Enrichment oder Job-Rotation sind nur einige dieser Methoden. Entwickelt wurde die Formel ursprünglich von Morgan McCall, Robert Eichinger und Michael Lombardo am Center for Creative Leadership in North Carolina und bereits 1996 in dem Buch „Ca- reer Architect Development Planner“ von Lombar- do und Eichinger veröffentlicht. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde untersucht, wo und wie sich 191 Führungskräfte die Kompetenzen für ihren beruflichen Erfolg angeeignet hatten und was sie aus diesen Erfahrungen gelernt haben. Das 70-20-10-Rahmenwerk war ein Ergebnis die- ser Forschung. Die angegebenen Zahlen stehen für Prozentwerte und damit für das Verhältnis, wie viel Mitarbeitende aus den Bereichen formel- les Lernen, Lernen durch Feedback und Learning by Doing im beruflichen Kontext dazulernen. Nach diesem Modell lernen Mitarbeitende: • zu 70 Prozent durch die Berufstätigkeit und praktische Erfahrungen während der Arbeits- zeit, • zu 20 Prozent durch Kommunikation und den Austausch im beruflichen Umfeld, insbesonde- re auch durch Führungskräfte sowie • zu 10 Prozent durch klassische Weiterbil- dungsmaßnahmen wie Schulungen, Seminare oder Fachvorträge. Das 70-20-10-Modell unterstreicht damit das all- gemeine Verständnis, dass wir die meisten unse- rer Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltenswei- sen, die wir für die Ausübung unserer Tätigkeiten benötigen, nicht in einem Schulungsraum, son- dern durch tatsächliche Erfahrung und in Zusam- menhang mit Kolleginnen und Kollegen erlernen. Lernarten im Detail Welche Arten des Lernens beim Aufbau von Wis- sen und bei der Entwicklung von Kompetenzen 22 HR Performance 2/2023

Weiterbildung zusammenspielen sollen, zeigt ein detaillierterer Blick auf die 70-20-10-Verteilung: 70 Prozent: Lernen durch Aufgaben und Herausforderungen am Arbeitsplatz Durch selbstorganisiertes informelles Lernen am Arbeitsplatz werden die größten und schnellsten Lernfortschritte erzielt. Am meisten lernen die Mitarbeitenden, wenn sie schwierige Aufgaben übernehmen und sie die dabei auftretenden He- rausforderungen selbstständig lösen. Typische Lernsituationen und signifikante Lernfortschritte entstehen hier durch: • herausfordernde Projektarbeiten und schwie- rige Aufgaben, • besondere Anforderungen, • neue Aufgaben und Verantwortungsbereiche und Job-Rotation/Positionswechsel. • 20 Prozent: Lernen durch Interaktion Im Berufsalltag lernen wir darüber hinaus auch im Umgang mit Kollegen, z.B. durch Beobach- tung oder durch gezieltes Nachfragen, wenn wir Informationslücken schließen oder neue Abläufe und Verhaltensweisen trainieren. Einen wichtigen Stellenwert nimmt hier auch die Online-Interakti- on ein, beispielsweise in Team-Chats, mittels Col- laboration Tools oder Social Media. Einen wichti- gen Einfluss haben hier auch die Führungskräfte, wenn sie ihr Know-how weitergeben und damit so zum Lernprozess und der Personalentwick- lung beitragen. Bei diesem Prozentwert handelt es sich um informelles Lernen im Arbeitskontext. Dazu gehören: • Coaching durch den Vorgesetzten, • Mentorenprogramme, • kontinuierliches Feedback, • Austausch in Communities of Practice, sozia- len Netzwerken, Chats und Diskussionsforen sowie • Teamprojekte. 10 Prozent: Lernen durch strukturierte Trainingsmaßnahmen (klassische Weiterbildung) Auch wenn die formale Weiterbildung nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil zum Erwerb von Wissen im Berufsleben beiträgt, sollten auch die klassischen Formen des Lernens nicht vernach- lässigt werden. Dazu gehören: • Präsenztrainings/Seminare, • Konferenzen, • digitale Lernformate, • Selbststudium über Arbeits- und Lehrbücher. Kritik am Modell Viele Autoren bemängeln die dem Modell zugrun- de liegende Datenbasis; die von Lombardo und Ei- chinger zitierte Erhebung lag bereits zehn Jahre zurück und basiere nur auf Selbstauskünften von knapp 200 Managern – und macht sie damit für statistische Aussagen irrelevant und reduziert sie deshalb auf „Ratschläge von 200 Führungskräf- ten“ zum Zeitpunkt ihrer Befragung. Darüber hin- aus wird kritisiert, dass es sich bei den Befragten um eine ausgesprochen homogene Gruppe hand- le, die sich überdies durch besonders hohe Mo- tivation und Selbstorganisation auszeichne; die HR Performance 2/2023 23

Weiterbildung Diversität würde dadurch nicht ausreichend be- rücksichtigt. Axel Koch, Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning, sieht in der Bildungsformel einen gro- ßen Haken, da sie einen selbstverantwortlichen, selbstgesteuerten, lernwilligen, motivierten und transferstarken Mitarbeitenden voraussetzt, der allerdings so in Deutschlands Unternehmen in der Minderheit ist. Andere wiederum stören sich an den allzu glatten Prozentzahlen oder sprechen gar von einer konstruierten Unterteilung des Lernens in drei Bereiche, die sich in der Realität überlappen. geführt, dass sich Bildungsverantwortliche aus den Unternehmen verstärkt mit neuen und auch etablierten Formen des Lernens befassen und nötige Lernformate zur Verfügung stellen, um eine offene und in den Arbeitsprozess integrierte Lernkultur zu ermöglichen. Die Impulse des Konzeptes sind als Chance und Herausforderung gleichermaßen zu verstehen, die Wissensaneignung der Mitarbeitenden durch Training on the Job in konkreten Situationen zu er- möglichen, ihnen mehr Freiheit und Eigenverant- wortung beim Lernen zu geben, die Weiterbildung zu strukturieren und die Formen des Lernens zu überdenken. Modell als Orientierungsrahmen verstehen Quellen Nicht alle Kritikpunkte lassen sich ohne Weiteres von der Hand weisen. Jedoch sollte dieses Mo- dell nicht als unumstößliches Konzept angesehen werden, sondern vielmehr als Orientierung oder Denkanstoß dienen. In vielen Organisationen wird dieses Modell ohnehin bereits von den Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern gelebt, ohne dass dies bewusst oder in einem geordneten Rahmen geschieht. Es kann also nicht schaden, die eige- ne Praxis der betrieblichen Weiterbildung auf den Prüfstand zu stellen und das Modell als Inspiration zu betrachten, andere Lerntechniken anzuwenden. Mit der Aufteilung im 70-20-10-Modell wird ver- deutlicht, dass klassische Fortbildungsmöglich- keiten ein Fundament legen können, um beispiels- weise in ein neues Thema einzuführen oder die Mitarbeitenden mit neuen Abläufen vertraut zu machen, dass es aber wichtiger ist, das Lernen und die Weiterbildung in die tägliche Routine am Arbeitsplatz einzubauen und den Arbeitsplatz als zentralen Lernort zu betrachten. Und das heißt in der Umsetzung für die Unternehmen auch, dass die passenden Rahmenbedingungen für informelles Lernen geschaffen werden müssen und den Mit- arbeitenden im Schulterschluss mit den Führungs- verantwortlichen im Arbeitsprozess der nötige Freiraum gewährt wird. Denn wer vor allem durch praktische Erfahrung lernt, braucht auch Zeit zum Nachdenken, auszuprobieren, zum Anwenden und um sich über seine Netzwerke auszutauschen. Fazit Das 70-20-10-Modell hat das betriebliche Ler- nen beeinflusst und aufgezeigt, dass das bloße Angebot von Seminaren und Workshops zur Wei- terbildung der Mitarbeitenden nicht ausreicht. Letztlich haben die Diskussion um diesen stra- tegischen Ansatz der Personalentwicklung dazu 24 HR Performance 2/2023 Arets, Jos; Jennings, Charles; Heijnen, Vivian: 702010: Towards 100 % performance, Maastricht 2016 Beidernikl, Gerd: Führungskräfteentwicklung erfolgreich gestal- ten mit 70-20-10, Fachartikel auf hrweb.at, in: https://www. hrweb.at/2016/05/fuehrungskraefteentwicklung-erfolg- reich-gestalten/, Stand 10.5.2016, Abruf am 25.10.2022 Doll, Tim: Das 70:20:10-Modell – Lernen neu entdecken, Block- Thema zu Neuem Lernen, Haufe-Akademie, in: https://www. haufe-akademie.de/blog/neues-lernen/das-702010-mo- dell-lernen-neu-entdecken/, Stand 15.10.2021, Abruf am 1.2.2023 Graf, Nele: Betriebliches Lernen auf dem Prüfstand, Interview mit Nele Graf, Professorin an der Hochschule für angewand- tes Management, in: Weiterbildung – Zeitschrift für Grundla- gen, Praxis und Trends, Heft 3/2017, S. 34–37 Gutmann, Joachim: HR-Konzepte: 70-20-10 – Neues Lernen in der Aus- und Weiterbildung, in: Schwuchow, Karlheiz; Gut- mann, Joachim (Hrsg.): HR-Trends 2018 – Strategie, Kultur, In- novation, Konzepte, Haufe Gruppe, Freiburg 2018, S. 351–355 Hanfstein, Wolfgang: Das 70-20-10-Dogma, News zu Human Resources, in: https://www.humanresourcesmanager.de/ news/das-70-20-10-dogma.html, Stand 14.12.2016, Abruf am 2.2.2023 Koch, Axel: Das 70-20-10-Wunschdenken, in: Wirtschaft und Weiterbildung, Nr. 5/2015, S. 18–25 Lombardo, Michael M.; Eichinger, Robert W.: The Career Archi- tect Development Planner – A Systematic Approach to De- velopment Including 103 Research-Based and Experience- Tested Development Plans and Coaching Tipps, Minneapolis 1996 Sauter, Werner; Sauter, Simon: Workplace Learning – Integrierte Kompetenzentwicklung mit kooperativen und kollaborativen Lernsystemen, Spinger Gabler, Berlin und Heidelberg 2014 Spiro, Kasper: Das 70:20:10 Lernmodell – Ihr ultimativer Leitfa- den, in: https://www.easygenerator.com/de/leitfaden/das- 70-20-10-lernmodell/, Stand 2021, Abruf am 2.2.2023 Starke, Johannes: 70-20-10 – die Erfolgsformel fürs Ler- in: https://insights.tt-s.com/ Stand nen?, de/70-20-10-die-erfolgsformel-fuers-lernen, 13.10.2020, Abruf am 18.1.2023 insights.Experience, DR. NORBERT ROHLEDER ist Professor für Human Resource Management und Soziale Interaktion an der Hochschule Mainz im Fachbereich Wirtschaft. i / z n a M e l u h c s h c o H © : o t o F n n a m r e m m Z e i l a h t a N i

Weiterbildung Micro-Credentials und Micro- Degrees: (K)ein Thema für die betriebliche Weiterbildung? Potenziale kleinteiliger Zertifizierungsprogramme in der Personalarbeit KI-Kompetenzen, Soft Skills, Data Literacy & Co.: Die Liste an Kompetenzen, die Beschäftigte zur Bewältigung der digitalen Transformation im Unternehmen benötigen, ist lang – und for- dert die Personalabteilungen nicht selten her- aus: Denn wie gelangen diese Kompetenzen am besten ins Unternehmen, wenn Fachkräfte feh- len und die Ressourcen für umfassende Qualifi- zierungsmaßnahmen knapp sind? Einen interessanten Weg aus diesem Dilemma in der betrieblichen Weiterbildung können so- genannte Micro-Credentials und Micro-Degrees aufzeigen – also kleinteilige, digitale Zertifizie- rungsprogramme, die strukturierte Lerninhalte zu einem bestimmten Thema anbieten. Der vor- liegende Beitrag zeigt aktuelle Trends in der be- trieblichen Weiterbildung sowie Potenziale dieser innovativen Lernformate auf. Veränderte Kompetenzanforderungen – Potenziale für Micro-Credentials? Im Zuge der Digitalisierung erleben viele Unter- nehmen und Beschäftigte, dass sich die betrieb- lichen Qualifikationsbedarfe und Kompetenz- anforderungen immer schneller verändern und entsprechende Anpassungsbedarfe mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund bergen Micro- Credentials und -Degrees auch für die berufli- che Weiterbildung ein Potenzial: Sie können Be- schäftigten dabei helfen, innerhalb des eigenen Arbeitsgebiets up to date zu bleiben (Re-Skil- ling), ihnen aber auch Zugang zu einem verwand- ten Berufsfeld oder einer höherqualifizierten Tä- tigkeit ermöglichen (Up-Skilling). Somit sind sie gleichermaßen für die Lernenden und für die Ar- beitgebenden attraktiv, denn sie lassen sich in- nerhalb kurzer Zeit absolvieren und ermöglichen einen fokussierten Kompetenzerwerb mit star- kem Bezug zu konkreten Tätigkeiten oder Berufs- feldern (Perna, 2021). Insbesondere europäische Firmen setzen zur- zeit auf Re-Skilling: Rund 45 Prozent geben an, ihre Fachkräftebedarfe ausschließlich dadurch decken zu wollen, während nur sieben Prozent primär auf Neueinstellungen setzen (McKinsey, 2021). Unternehmen stehen somit vor der He- rausforderung, neben den Skills auch die Lern- 26 HR Performance 2/2023

angebote sowie die Lernumgebung selbst an die neuen Anforderungen anzupassen. Dazu passt der Trend zu kürzeren, flexibleren, modularen und weniger formalisierten Lernangeboten – bei gleichzeitig sukzessiver Abkehr von komplexen, längeren Qualifizierungsmaßnahmen und reinen Präsenzformaten. Dies untermauert auch das ak- tuelle mmb Learning Delphi, in dessen Rahmen die befragten Bildungsexpert:innen sogenann- te Learning Nuggets, die situationsbezogen zum Lernen eingesetzt werden können, als die kom- merziell aussichtsreichste Lernform einstufen (mmb Institut GmbH, 2023). Betriebliches Lernen der Zukunft: digital, fokussiert und informell Expertinnen und Experten sind sich sicher: Der Einsatz kleinerer und kleinteiliger Lernformate wird in den kommenden drei Jahren in Unterneh- men im deutschsprachigen Raum eine zentrale Bedeutung einnehmen – zu dieser Einschätzung kommen 94 Prozent der im Rahmen des mmb Learning Delphi 2021/22 Befragten. Zudem se- hen drei Viertel von ihnen (77 %) Micro-Credenti- als als attraktive Möglichkeit an, selbstbestimmt und informell zu lernen (mmb Institut GmbH, 2022). Dazu passt, dass in den letzten Jahren die Nutzung digitaler, interaktiver Lernangebote wie Webinare, Online-Kurse oder MOOCs in den Fir- men sichtbar zugenommen hat. Ebenfalls inten- siver genutzt als noch drei Jahre zuvor wurden kürzere Formate wie Lernvideos und Podcasts. (Seyda 2021; Ehlert et al. 2021) Geht es nach den Unternehmen, so sollen auch zukünftig verstärkt digitale Angebote und Tools für die Qualifizierung der Beschäftigten eingesetzt werden. Zudem ge- hen viele Wirtschaftsvertreterinnen und -ver- treter davon aus, dass Lernformate zukünftig angesichts der geringer werdenden Aufmerksam- keitsspanne der Beschäftigten nahezu zwangs- läufig kürzer werden (Bitkom Akademie 2021). Recruitment: weg von formalen Abschlüssen, hin zu kompetenzbasierten Nachweisen Parallel zu der wachsenden Bedeutung kleinteili- ger Lernformate und Kompetenznachweise in der betrieblichen Weiterbildung zeichnet sich auch bei der Personalauswahl eine Trendwende ab: Weg von formalen Abschlüssen hin zu Nachwei- sen von Fähigkeiten und Kompetenzen. So bevor- zugt mittlerweile rund jede dritte (34 %) US-ame- rikanische Personalleitung kompetenzbasierte Nachweise gegenüber Abschlüssen – ein deut- licher Anstieg gegenüber der Vorerhebung aus 2018 (23 %) (Gallagher, 2018). Weitere 42 Prozent Weiterbildung Abb. 2: Allgemeine Trends im Corporate Learning Unternehmen werden dazu übergehen, E-Collaboration-Dienste (wie z.B. Teams, Google Workspace) einzuführen – mit dem Ziel eines breiteren, bereichs- und fachübergreifenden Austauschs und Lernens. Micro-Credentials steigern prinzipiell die Attraktivität für informelles Lernen. Online-Sprachlern-Anbieter werden die klassischen Sprachschulen noch weiter zurückdrängen. OER-Angebote werden rasch weiter zunehmen. Neue Bildungsanbieter mit innovativem Geschäftsmodell (z.B. Udacity) werden traditionellen Bildungsanbietern große Marktanteile abnehmen. Virtuelle Präsenzformate nehmen im Lernbereich weiter zu und verdrängen reine Selbstlernformate ebenso wie das Präsenzlernen "vor Ort". Automatische Übersetzungsangebote (z.B. Google Translate, DeepL) verdrängen Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien. 86 77 75 64 61 54 47 Künstliche Intelligenz wird in Zukunft immer mehr menschliche Lehrende, Trainer/innen oder Ausbilder/innen ersetzen bzw. ablösen. 20 Alle Antworten "stimme eher zu" Frage: Im Folgenden nennen wir Ihnen einige Trends zum Thema der Digitalisierung des Lernens. Bitte geben Sie zu den Aussagen jeweils an, ob Sie diesen – mit Blick auf die Abb. 1: Trends zur Digitalisierung des Lernens kommenden drei Jahre – eher zustimmen oder eher nicht zustimmen. | N=69-70 | Angaben in % | © mmb Institut GmbH, 2022 (Angaben in Prozent | Quelle: mmb Institut GmbH, 2022) 0 20 40 60 80 100 der Befragten bekundeten, sich in diese Richtung zu bewegen. Dazu passt, dass nur knapp die Hälf- te (44 %) der Personalleitungen Hochschulab- schlüsse für sehr bzw. extrem relevant hält, wäh- rend eine ähnliche große Gruppe (47 %) von ihnen annimmt, dass diese mittelfristig bei der Einstel- lung von Mitarbeitenden zugunsten von Micro- Zertifikaten an Bedeutung einbüßen werden (Ed- Tech Foundation, 2021). Definition Micro-Credentials und Micro-Degrees Eine kompakte Definition von Micro-Credentials und Micro-Degrees hat der KI-Campus1 formuliert, die im Rahmen dieser Publikation zugrunde gelegt wird (Flasdick et al., 2022). Ihr zufolge sind Micro-Credentials di- gitale Zertifikate, die einen bestimmten Kompetenzerwerb dokumen- tieren. Sie umfassen jeweils vier zentrale Aspekte, die in der interna- tionalen Diskussion zur Definition von Micro-Credentials als Konsens identifiziert wurden (Oliver, 2021): • Demonstration eines Lernergebnisses/einer Kompetenz, • Transparentes Assessment, • Eigenständiger Wert (Stand-Alone-Value), • Qualitätsgesichert. Micro-Degrees bezeichnen ein Set bzw. eine Aggregation von inhaltlich aufeinander abgestimmten kürzeren Lerneinheiten (Kurse, die jeweils mit einem Micro-Credential dokumentiert wurden). Mehrere Micro-Cre- dentials lassen sich entsprechend zu einem Micro-Degree zusammen- fassen. 1 Auf dem KI-Campus – einer Online-Lernplattform, die mittels öffentlicher Fördergelder aufgebaut wird, findet man spezielle Micro-Lernangebote zum Thema künstliche Intelli- genz. So ist mit „AI_VET – KI in der beruflichen Bildung“ ist die erste Kursreihe auf dem KI- Campus verfügbar, die als Micro-Degree-Programm konzipiert ist. HR Performance 2/2023 27

Weiterbildung Abb. 3: Bedeutung von Anwendungen als Lernform in Unternehmen Micro Learning / Learning Nuggets Videos / Erklärfilme Blended Learning Virtuelle Klassenräume / Webinare Mobile Anwendungen / Apps Online-Coaching / -Tutoring Web Based Trainings (WBTs) Online-Prüfungen Adaptive Learning Social Networks / Communities Simulationen Augmented Reality / Mixed Reality ChatBots / Lernassistenten Lernumgebungen in virtuellen 3D-Welten… Messaging-Dienste (z.B. WhatsApp) 15 94 93 91 87 83 weile finden sich mehr als 2.500 Micro-Credenti- als auf internationalen digitalen Lernplattformen, die teils zu komplexeren Micro-Degrees gestapelt werden können und überwiegend die Themenfel- der Wirtschaft und Technologie abdecken (www. classcentral.com). 73 71 69 62 61 59 46 41 40 Alle Antworten "zentrale Bedeutung als Lernform" 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Frage: Was schätzen Sie – werden die folgenden Anwendungen in den kommenden drei Jahren eine zentrale Bedeutung oder eine geringe Bedeutung als Lernform für das betriebliche Lernen in Unternehmen haben? | N=67-70 | Angaben in % | © mmb Institut GmbH, 2022 Abb. 2: Bedeutung von Anwendungen als Lernform in Unternehmen (Angaben in Prozent | Quelle: mmb Institut GmbH, 2022) Dies zeigt sich auch schon in der Einstellungs- praxis: So beschäftigt beispielsweise Google in- zwischen immer mehr Mitarbeitende ohne Be- rufs- oder Hochschulabschluss – und reiht sich damit ein in eine wachsende Gruppe von Groß- unternehmen, die bei der Einstellung immer sel- tener formale Abschlüsse voraussetzen – darun- ter Apple, Starbucks, IBM, Bank of America oder Ernst & Young. An die Stelle (tradierter) akademi- scher und beruflicher Abschlüsse treten zuneh- mend Kompetenzen und spezifische Fähigkeiten, die beispielsweise über Open Badges oder Micro- Zertifikate nachgewiesen werden können. Über die Wahrnehmung und Akzeptanz von Micro-De- grees in deutschen Unternehmen ist bisher hin- gegen kaum etwas bekannt. Nicht-repräsentati- ve Umfragen lassen jedoch erkennen, dass diese auch hierzulande bei Bewerbungen positiv wahr- genommen werden, wenn sie einen konkreten Be- zug zum jeweiligen Tätigkeitsprofil aufweisen und der Anbieter sowie das Micro-Degree selbst als hochwertig eingestuft werden (Edukatico, 2020). Micro-Credentials und -Degrees: wachsendes Angebot, zunehmende Kommerzialisierung Insbesondere im internationalen Markt der digi- talen Lernplattformen spielen Micro-Credenti- als und -Degrees eine zunehmend wichtige Rolle – vor allem bei der Adressierung zahlungskräfti- ger Zielgruppen aus der Wirtschaft. Während die Kurse selbst teils noch gratis sind – ganz im Sin- ne der kostenlosen Massive Open Online Courses (MOOC)-Kultur, aus der die meisten Anbieter stammen – werden für die Prüfungen und Zertifi- kate Gebühren verlangt. Doch der Trend zur Kom- merzialisierung steigt, indem Lernende auch für den Zugang zu den entsprechenden Angeboten selbst immer häufiger bezahlen müssen. Mittler- 28 HR Performance 2/2023 Im Vergleich zum vielfältigen internationalen Angebot hinkt der deutsche Bildungsmarkt in diesem Feld hinterher – insbesondere bei den staatlichen Hochschulen spielen entsprechende Lernangebote bisher kaum eine Rolle. Sichtbar aktiver sind private Hochschulen, die mit akade- mischen Micro-Credentials und -Degrees häu- fig die zahlungskräftige Zielgruppe der Beschäf- tigten und lebenslang Lernenden adressieren. So bietet beispielsweise die Wilhelm-Büchner- Hochschule verschiedene Nano-Degrees zu The- men wie IT-Sicherheit, E-Mobilität oder Entrepre- neurship an, die nach erfolgreichem Abschluss teilweise auch auf komplexere Bildungsgänge an- gerechnet werden können. Die Lerninhalte stam- men – wie zumeist auch im internationalen Markt – aus akkreditierten Bachelor- oder Masterstudi- engängen und sorgen somit für kommerziell aus- schöpfbare Synergieeffekte. Weitere Micro-Lernangebote findet man bei der AKAD University sowie der Euro FH; ebenso zäh- len weitere private Bildungseinrichtungen wie Akademien, Verbände und Verlage sowie Tech- Konzerne zu den Anbietern. Wie auch im interna- tionalen Markt variieren die zentralen Charakte- ristika der Micro-Lernangebote wie Kosten, Dauer und Bezeichnung – ein Umstand, der mit wach- sendem Angebot auch in Deutschland die Orien- tierung im Markt zunehmend erschweren dürfte, wenn man sich nicht auf gemeinsame Standards einigt. Kompetente Fachkräfte: Potenziale von Micro-Zertifizierungsprogrammen nutzen Die betriebliche Weiterbildung erlebt durch die di- gitale Transformation einen tiefgreifenden Wan- del: Neue, sich schnell wandelnde Kompetenzan- forderungen, Ressourcen- und Fachkräftemangel verlangen nach neuen Strategien und Instrumen- ten in der Qualifizierung von Mitarbeitenden so- wie der Neubesetzung von Vakanzen. Dabei spielen – neben dem (formalen) Berufs- oder Studienabschluss – der informelle Kompetenz- erwerb im Erwerbsleben und dessen Dokumen- tation eine zunehmend wichtige Rolle. Micro-Cre- dentials und -Degrees können dazu beitragen, diesen Herausforderungen zu begegnen: Einge- bettet in betriebliche Weiterbildungsstrategien

Mein Personal. Meine Software. Mein HRworks. Jetzt starten! können sie kurzfristig auftretende Qualifizierungs- und Kompetenzbedarfe fokussiert bedienen – und sind gleichzeitig attraktiv für Beschäftigte, die somit einen digitalen und oft auch an weitere Bildungsangebote anschlussfähigen Nachweis über ihren Lernerfolg erhalten. Ebenso kann eine größere Offenheit gegenüber Micro-Zertifika- ten und Badges bei der Personalgewinnung dazu beitragen, bisher unberücksichtigte Fachkräftepotenziale zu heben. Vielfältige und gute Gründe genug also, sich auch in deutschen Unternehmen einmal auf das wachsende Angebot an Micro-Lernangebo- ten und deren Potenziale einzulassen. QUELLE: mmb Institut – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung mbH Literatur BITKOM Akademie (Hrsg.) (2021): Weiterbildung 2025. https://www.bitkom-akademie.de/weiterbildung-2025. Aufgerufen am 8.3.23. Edukatico (2020): Coursera, edX, Lecturio, Udacity & Co.: Was bringen die Zertifikate und Nanodegrees? https://www.edukatico.org/de/report/coursera-edx-lecturio-udacity-co-was-bringen-die-zertifikate- und-nanodegrees. Aufgerufen am 8.3.23. Ehlert, Martin et al. (2021): Digitales selbstgesteuertes Lernen in der Corona-Krise. Analysen auf Basis der NEPS-Startkohorte 6. LIfBi Working Paper No. 94. Bamberg. WP_XCIV.pdf (lifbi.de). Aufgerufen am 8.3.23. Flasdick, J. et al. (2022): Micro-Credentials und Micro-Degrees. Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven aus der Praxis des KI-Campus. Berlin: KI-Campus. https://doi.org/10.5281/zenodo.6860665. Aufgerufen am 8.3.23. McKinsey (2021): Building workforce skills at scale to thrive during and after the covid-19-crises. https://www. mckinsey.com/business-functions/organization/our-insights/building-workforce-skills-at-scale-to-thri- ve-during-and-after-the-covid-19-crisis. Aufgerufen am 8.3.23. mmb Institut GmbH (2022): Viel Rückenwind für „EduTuber“. Ergebnisse der 16. Trendstudie „mmb Learning Del- phi“. Essen. https://www.mmb-institut.de/wp-content/uploads/mmb-Trendmonitor_2021-2022.pdf. Auf- gerufen am 8.3.23. mmb Institut GmbH (2023): Vertrauen in Adaptive Learning wächst stark. Ergebnisse der 17. Trendstudie “mmb Learning Delphi”. Essen. Im Erscheinen. Oliver, B. (2021): National Microcredentials Framework. https://www.education.gov.au/higher-education-pu- blications/resources/national-microcredentials-framework. Aufgerufen am 8.3.23. Perna, M. C. (2021). Small But Mighty: Why Micro-Credentials Are Huge For The Future Of Work. https://www. forbes.com/sites/markcperna/2021/10/05/small-but-mighty-why-micro-credentials-are-huge-for-the- future-of-work/?sh=3c37c387302b. Aufgerufen am 8.3.23. Seyda, Susanne (2021): Weiterbildung boomt in kleinen Unternehmen. KOFA-Kompakt 04/2021. Köln. 2021- 04_KOFA_Kompakt_Weiterbildung.pdf. Aufgerufen am 8.3.23. Copyright Jede Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und/oder jede Art der Verwertung der textlichen, grafischen und/oder statistischen Inhalte dieser Publikation bedarf der schriftlichen Zustimmung durch die mmb Insti- tut GmbH. Kopien von dieser Publikation sind nur für den privaten, nicht-kommerziellen Gebrauch gestattet. Eine kommerzielle Verwendung jedweder Art bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der mmb Institut GmbH. Helmut Marenholz Accountant, Travel Expenses Volvo Financial Services www.hrworks.de

New Work Digitale Transformation als Chance und Herausforderung auf persönlicher Ebene Seit mehr als 50 Jahren verändert die Digitali- sierung unsere Arbeitswelt und beeinflusst uns immer stärker auf der persönlichen Ebene. Die Veränderungen schreiten dabei nicht nur immer schneller voran, sondern betreffen auch immer mehr Bereiche. Gerade in den letzten drei Jahren haben sich vielfältige Veränderungen in Bezug auf die zeitliche und räumliche Flexibilität der Arbeit ergeben. Doch nicht nur die Arbeit wird flexibler, auch die Art der Kommunikation wird vielfältiger. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren ver- stetigen und die Grenzen zwischen privatem und beruflichem Alltag weiter verschwimmen lassen. Dies stellt nicht nur Unternehmen als Ganzes vor Herausforderungen, sondern jeden Einzelnen von uns sowohl in beruflicher Hinsicht als auch auf persönlicher Ebene. Doch wo Herausforderungen sind, sind wie immer auch jede Menge Chancen, die sich uns bieten. Als digitale Fernhochschule hat die AKAD Hoch- schule Stuttgart ein hohes Interesse an diesen Entwicklungen und führt daher gemeinsam mit der Büro-Kaizen® GmbH alle fünf Jahre eine um- fangreiche Befragung zu den Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Arbeitswelt durch. Durch die wiederkehrende Befragung lässt sich nicht nur der aktuelle Stand erfassen, es las- sen sich auch Entwicklungen aufzeigen. Dabei zeigt sich, dass Chancen, die sich auf der persön- lichen Ebene bieten, aktiv genutzt werden. Neue Wege der Kommunikation Beschleunigt durch die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben sich so- wohl die Wege als auch die Art wie wir kommu- nizieren stark verändert. Chat- und Messenger- tools haben an Bedeutung gewonnen und sind aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Beschränkte sich die intensive Nutzung dieser Tools vor fünf Jahren noch auf den privaten Be- reich, so sind sie mittlerweile auch aus dem be- ruflichen Umfeld nicht mehr wegzudenken. Hier werden sie aber im Wesentlichen als Ergänzung zur E-Mail gesehen und nur selten als primärer Kommunikationsweg genutzt. Wesentlich wich- tiger sind die synchronen und kollaborativen Funktionalitäten der Tools. Gerade im beruflichen Umfeld ist die synchrone Kommunikation über 30 HR Performance 2/2023

New Work Abb. 1: zeitliche und örtliche Flexibilität die Tools, vielfach verbunden mit der gemeinsa- men Arbeit an Dokumenten, mittlerweile die be- vorzugte Nutzungsvariante. Tools wie Zoom und Teams werden für Videoanrufe und -konferenzen genutzt und ersetzen damit eher das Telefon und Präsenzkonferenzen als die E-Mail. Entsprechend sinkt auch das Mailaufkommen nicht. Die Auswir- kungen auf Präsenzmeetings werden allerdings bleiben und hybride Konferenzen werden der Normalfall werden bzw. bleiben. Steigende Flexibilität und Gestaltungsfreiheit Trotz Homeoffice und Kurzarbeit während Corona zeigt sich, dass der Umfang der Arbeitsbelastung in Form von Arbeits- und Überstunden auf einem hohen Niveau bleibt. Es zeigt sich aber auch, dass die Arbeitszeiten zunehmend flexibler werden. Drei von vier Befragten stimmen der Aussage zu, dass sie sich die Arbeitszeit flexibel einteilen können. In den meisten Fällen werden auch kei- ne festen Vorgaben zum Arbeitsbeginn gemacht. Die Arbeit ist in den letzten Jahren somit zeitlich wesentlich flexibler geworden. Eine weitere An- nahme unserer Studie war, dass mobile Endge- räte und Cloud-Lösungen im Rahmen der digita- len Transformation nicht nur eine gute Grundlage für die zeitliche Flexibilisierung der Arbeit bieten, sondern auch für die räumliche. Auch dies wurde bestätigt. Analog der Einschätzung zur zeitlichen Flexibilität sehen mehr als 75 Prozent der Befrag- ten, dass sie auch räumlich flexibler arbeiten kön- nen. Dies ist in beiden Fällen ein signifikanter An- stieg im Vergleich zu 2018. Basis dieser Entwicklung sind einerseits mobile Geräte, andererseits aber auch die Entwicklungen im Bereich der Cloud-Lösungen und der digitalen Infrastruktur. Auch hier zeigen sich wesentliche Fortschritte. Im Durchschnitt sind mittlerweile knapp 80 Prozent der persönlichen Ablage digital. Im Jahr 2018 lag dieser Wert noch unter 60 Pro- zent. Diese Entwicklung bestätigt unsere Annah- me von 2018, dass nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Zusammenarbeit und die allge- meinen Arbeitsprozesse zunehmend digitalisiert und auf mobile Endgeräte verlagert werden. Gro- ße Teile unserer Arbeit können ortsunabhängig erfolgen. Mitarbeiter sehen diese Chancen und beurteilen die Digitalisierung von Arbeitsprozes- sen inzwischen zu mehr als 75 Prozent positiv. Nur noch jeder Zehnte steht der Digitalisierung von Arbeitsprozessen negativ gegenüber. Allerdings erfolgt die Nutzung der Möglichkei- ten vielfach schneller als Unternehmen ein Re- gelwerk dazu bereitstellen können. Lediglich ein knappes Drittel der Befragten gibt an, dass zu diesem Thema funktionierende Regeln im Unter- nehmen existieren. Hier zeigt sich Handlungs- bedarf für die Unternehmen, um die Zusammen- arbeit auf eine solide Basis zu stellen und einer Überlastung der Mitarbeiter durch Mehrarbeit vorzubeugen. Mobiles Arbeiten und Homeoffice Wenn Mitarbeiter und Führungskräfte die Mög- lichkeiten der Digitalisierung nutzen, können sie Aufgaben flexibel bearbeiten, zusammenarbei- ten und ihre Kommunikation auch außerhalb des Büros und der Bürozeiten erledigen. Mittlerweile arbeiten mehr als die Hälfte der Befragten regel- mäßig im Homeoffice bzw. außerhalb des Büros. Wenig überraschend bearbeiten daher auch mehr HR Performance 2/2023 31

New Work als 60 Prozent der Befragten ihre berufliche Kom- munikation außerhalb des Büros und die Hälfte bearbeitet berufliche Kommunikation auch au- ßerhalb der regulären Arbeitszeit. An diesen Er- gebnissen wird noch einmal deutlich, dass die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben immer stärker verschwimmen. Es wäre also anzuneh- men, dass die Arbeitsbelastung durch die Digitali- sierung zunimmt. Allerdings gaben fast die Hälfte der Befragten an, dass die Arbeitsbelastung ge- sunken ist, und bei 37 Prozent ist sie gleichgeblie- ben. Lediglich bei einem Fünftel der Befragten ist die Arbeitsbelastung gestiegen. Wenn wir uns die Informationen zum Homeoffice genauer ansehen, zeigt sich, dass die grundsätz- liche Möglichkeit für eine Nutzung des Home- office für Arbeitnehmer branchenübergreifend angestiegen ist – von 41 Prozent im Jahr 2018 auf 89 Prozent im Jahr 2022. Auch für die nächs- Abb. 2: Die wichtigsten Gründe für das Homeoffice 32 HR Performance 2/2023 ten Jahre wird kein Rückgang auf den alten Sta- tus quo erwartet, sondern ein weiterer modera- ter Anstieg. Zwar ist dieses Ergebnis durch die Art der Befragung bzw. die Struktur der Befragten für die Gesamtbevölkerung zu hoch ausgefallen, al- lerdings stützen die übergreifenden Daten des Statistischen Bundesamtes unsere Ergebnisse grundlegend. Es zeigen sich aber auch große Un- terschiede zwischen den Branchen. Im Gesund- heitswesen, Baugewerbe oder Einzelhandel sind nur Quoten unter 10 Prozent realisierbar, in der Unternehmensberatung oder in der IT-Dienstleis- tung aber Quoten, die im Wesentlichen auf dem Niveau unserer Ergebnisse liegen. Auch die Nutzung dieser Möglichkeiten hat sich stark verändert. 2018 wurden weniger als 10 Pro- zent der Arbeitszeit im Homeoffice verbracht, 2022 waren es bereits mehr als 40 Prozent. Auch hier gehen die Befragten davon aus, dass dieser Wert nicht wieder auf den alten Wert zurückgeht, sondern sich weiter erhöhen wird. Die Vortei- le, die mobiles Arbeiten und Homeoffice mit sich bringen, überwiegen und die damit verbundenen Freiheiten möchte man nicht mehr missen. Interessanterweise fallen die Einschätzungen zur Auswirkung der Digitalisierung auf die Work- life- Balance nicht ganz so positiv aus. Trotz gleich- bleibender oder gesunkener Arbeitsbelastung hat sich die individuelle Work-Life-Balance für einen nennenswerten Teil der Befragten verschlechtert. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer gaben an, dass sich die Digitalisierung negativ auf ihre Work- Life-Balance auswirkt. 41 Prozent schätzen, dass die Auswirkungen neutral sind und lediglich 24 Prozent gehen davon aus, dass sich die Digita- lisierung positiv auf ihre Work-Life-Balance aus- gewirkt hat. Diese Einschätzungen dürften auch an der zunehmenden Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben im Homeoffice liegen. Arbeitneh- mer finden schlechter in den Feierabend, offene Aufgaben werden noch schnell erledigt und man bleibt auch über die übliche Arbeitszeit hinaus er- reichbar. So lässt sich ergänzend zu den vorgenannten Da- ten festhalten, dass nicht nur die Hälfte der Be- fragten ihre berufliche Kommunikation auch au- ßerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten bearbeitet, vielmehr ist auch ein knappes Drittel der Befrag- ten am Wochenende und im Urlaub erreichbar. Positiv ist hier der Vergleich mit den Daten aus dem Jahr 2018 – all diese Werte lagen wesentlich höher und mittlerweile können mehr als dreivier- tel der Befragten im Urlaub oder am Wochenende auch gezielt von der Arbeit abschalten.

New Work Pro und Kontra im Homeoffice Das grundlegend positive, aber eben auch zwie- spältige Verhältnis zum Homeoffice zeigt sich auch bei den Vor- und Nachteilen, die für die Be- fragten damit verbunden sind. Bereits bei den Gründen für die Arbeit werden mit der zeitlichen Flexibilität und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zwei Punkte hoch bewertet, die eine Ver- besserung der Work-Life-Balance ermöglichen. Die Zustimmung zum Aspekt des ungestörten Ar- beitens zeigt, dass verschiedene Störfaktoren, die den Arbeitsprozess üblicherweise negativ beein- flussen im Homeoffice geringer ausfallen. Darü- ber hinaus stellt für einen nennenswerten Anteil der Befragten auch die Entfernung zum Arbeits- ort einen relevanten Grund für die Nutzung des Homeoffice dar. Gefragt nach den Vorteilen des Homeoffice fin- den sich viele Nennungen, die mit den benannten Gründen im Zusammenhang stehen. Hohe Wer- te für Flexibilität, Work-Life-Balance aber auch Stressreduktion sprechen für das Homeoffice. Mit dem teilweisen Entfall des Pendelns stellt sich für viele Befragte auch eine Zeit- und Kostenerspar- nis ein. Weitere genannte Vorteile sind eine ruhige Arbeitsumgebung, die Möglichkeit der Kinderbe- treuung oder auch der Schutz vor Mobbing. Demgegenüber gegenüber stehen die verschie- denen Nachteile des Homeoffice. Kritisch wird vor allen das Fehlen von sozialen Kontakten und die Vermischung von Privatem und Beruflichen ge- nannt. Darüber hinaus beklagen einige Befragte die teilweise schlechte Kommunikation mit den Kollegen, die fehlende Ergonomie des heimischen Arbeitsplatzes sowie eine Abnahme der Unter- nehmensbindung, fehlenden Zugriff auf das Un- ternehmensnetzwerk, höhere Betriebskosten oder die teilweise schlechten oder nicht vorhan- denen Homeofficeregelungen. Einige der genannten Nachteile könnten durch feste Regelungen zur Erreichbarkeit im Home- office beseitigt werden, die allerdings noch nicht einmal bei der Hälfte der Unternehmen existie- ren. Ebenso kann ein stärkeres Bewusstsein auf allen Seiten, über die Chancen und Herausforde- rungen, die das Arbeiten im Homeoffice mit sich bringt, vorteilhaft für die Work-Life-Balance und die Unternehmenskultur sein. Fazit Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass sich die digitale Transformation auch weiterhin mit zunehmender Geschwindigkeit und auf immer Abb. 3: Vorteile des Homeoffice Abb. 4: Nachteile des Homeoffice mehr Bereiche ausweitet. Wir werden lernen, da- mit umzugehen und die positiven Auswirkungen zu genießen. Nach der technologischen und pro- zessorientierten Transformation der letzten Jah- re, werden sich die weiteren Entwicklungen vor allem auf die persönliche Entwicklung beziehen. Entsprechend müssen sowohl Unternehmen als auch Angestellte lernen, mit der Flexibilität um- zugehen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und der sozialen Entgrenzung entgegenzuwirken, um nur einige Herausforderungen zu nennen. Da- rüber hinaus müssen zunehmend explizit digitale Fähigkeiten entwickelt werden und mit den aktu- ellen Entwicklungen im Bereich künstlicher Intel- ligenz wird sich auch die Halbwertzeit Wissens gerade in Berufen verringern, die sich bisher si- cher gefühlt hat. Entsprechend muss lebenslan- ges Lernen fester Bestandteil unseres privaten und beruflichen Lebens werden. DANIEL MARKGRAF ist Professor für BWL an der AKAD ( Innovationsmanagement und digitale Geschäfts- modelle (BA) sowie Innovation und Entre- preneurship (MBA)). HR Performance 2/2023 33

Digital Coaching KI im Coaching – K.O. für Coaches? Mit welchen Fragen wir uns zukünftig (nicht nur) im Coaching auseinandersetzen müssen. teme können somit selbstständig lernen, ohne – wie es der Machine-Learning-Pionier Arthur Samuel (1959) formulierte – explizit dafür pro- grammiert zu sein (Awad & Khanna, 2015). Da- rin liegt auch der Vorteil gegenüber herkömm- lichen Systemen, denn Anwender können das Problemlösen nun der KI überlassen (Frochte & Kaufmann, 2020). Für intelligente Lösungen wird nicht unbedingt eine „starke“ KI, d.h. die Kopie der menschlichen Intelligenz, benötigt. Eher geht es darum, Ergebnisse zu erzeugen, die als intelligen- te Lösungen betrachtet werden können (Huber, 2023). Heutige KI-Systeme – so auch die derzeit einen Hype auslösende KI „ChatGPT“ – liegen als „schwache“ KI vor. Sie lassen sich also in der Re- gel für eine spezifische Aufgabe nutzen und eben nichts anderes, übertreffen hier aber häufig die menschliche Effizienz (Rutschmann, 2021). Auch in Bereichen wie Coaching und E-Mental-Health bewähren sich KI-Systeme ansatzweise bereits in Form von Chatbots (Mai & Rutschmann, 2023). Eine Studie von Nicky Terblanche und Kollegen (2022a) zeigt bspw., dass Coaching-Bot „Vici“ (im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Chatbot) zu einer erhöhten Zielerreichung der Klient*in- nen beiträgt. Allerdings trat der signifikante Un- terschied zur Kontrollgruppe erst nach drei Mo- naten auf. Außerdem bewirkte der Chatbot keine Verbesserungen in der Resilienz, dem psychologi- schen Wohlbefinden oder im Stresserleben. Bei 34 Studierenden in der Studie von Kathleen Fitzpatrick und ihrem Team (2017), die über zwei Wochen mit dem textbasierten Chatbot „Woebot“ kommunizierten, reduzierten sich deren depressi- ve Symptome signifikant im Vergleich zu der Kont- rollgruppe ohne Bot. Knapp die Hälfte der Teilneh- mer*innen bemängelte allerdings unnatürliche Konversationen, technische Probleme oder un- erwartete Antworten. In 11 qualitativen Rückmel- dungen zeigten sich Personen positiv beeindruckt von dem „fun little dude“, überrascht über den Un- terschied, den Woebot im Alltag bewirkte oder eu- phorisch: “I love Woebot so much. I hope we can be friends forever. I actually feel super good and happy when I see that it ‘remembered’ to check in with me!” (Fitzpatrick et al., 2017, S. 8). Graß- mann (2022, S. 341) betont in diesem Zusammen- hang, dass es durchaus möglich sei, eine emotio- nale Bindung zu virtuellen Agenten einzugehen. „Wir müssen uns dringend damit auseinander- setzen, wie wir mit Maschinen umgehen, die so scheinen, als wären sie intelligent und men- schenähnlich.“ (Prof. Dr. Marco Huber 2022 im Ge- spräch mit Hans Böhringer, Reporter für Wissen- schaft) Wenn viele Coaches sich bis vor Kurzem noch nicht vorstellen konnten, wie künstliche Tech- nologien in der Zukunft selbst die Gesprächs- führung mit Klient*innen übernehmen (Scher- muly, Graßmann, Ackermann & Wegener, 2021): Sie müssen sich ebenso wie Mediziner, Anwälte, Berater, Ingenieure, Komponisten und Künstler auf neue Zeiten einstellen (von Focht, 2020): „KI- Systeme sind gekommen, um zu bleiben“ (Huber, 2023) und werden die Rolle von Coaches zukünf- tig verändern (Clutterbuck, 2018). Ganz allgemein zielt KI darauf ab, Probleme zu lö- sen, die vom Menschen intelligentes Handeln er- fordern (Huber, 2022). Beim maschinellen Lernen, wie z.B. beim Deep Learning, werden KI-Systeme mithilfe von Trainings- oder Beispieldaten gefüt- tert und darauf trainiert, Muster oder Zusammen- hänge in Daten zu erkennen. Die gewonnenen Er- kenntnisse werden verallgemeinert und auf neue Daten angewendet (Luber & Litzel, 2016). KI-Sys- 34 HR Performance 2/2023

Diesem Prinzip folgend, verspricht übrigens auch die von Google angebotene Chat-App „Replika“ ih- ren Nutzern, sich mit ihr einen fast menschlichen Freund „ohne Vorurteile“ erstellen zu können, mit dem man „eine echte emotionale Bindung aufbau- en, lachen oder ganz man selbst sein kann“. Solche ausschnitthaften Befunde stützen einer- seits das Potenzial von KI-Systemen, im Coaching einen Mehrwert bieten und damit auch überge- ordnet zur Demokratisierung von Coaching bei- tragen zu können (Terblanche et al., 2022b). Ganz offensichtlich besteht hier andererseits noch Forschungsbedarf, um die bisherigen (aus- gebliebenen) Effekte und heterogenen Befunde in Studien zu erklären oder um Zukunftsprognosen für die Rolle der KI im Coaching zu festigen. Die entscheidende Frage ist, wie genau (KI-)Coaching funktioniert (Theebom et al., 2014, Rauen, 2023). Hier stoßen wir jedoch an die vielleicht wichtigs- te Grenze der KI-Systeme – die Blackbox (Huber, 2020, Frochte & Kaufmann, 2020, Ribeiro, Singh & Guestrin, 2016). So sind Wirkungszusammenhän- ge in den genutzten Modellen der KI-Systeme oft selbst für Fachleute – ganz zu schweigen von den Nutzern – nicht nachvollziehbar (Huber, 2020). Mit den Technologien der Zukunft haben wir also dasselbe Problem wie ohne sie. Auch in klassi- schen Face-to-Face-Coachings ist uns bisher nicht klar, worin genau die Erfolgsfaktoren im Coaching bestehen und in welcher Weise Metho- den, Techniken und Prozessphasen wirken (Kotte et al., 2016; Schermuly, 2019). Für eine Qualitäts- sicherung im Coaching sollte der Einsatz von KI- Systemen im Coaching nicht nur durch technische Machbarkeit und praktischen Nutzen angetrieben werden, sondern auch durch theoretische Über- legungen (vgl. Graßmann & Schermuly, 2021), z.B. zu der Frage, ob und wann der Einsatz des „Werk- zeugs KI“ sinnvoll ist (Huber, 2022). Eine zentrale Anforderung an Coaches besteht in der Bewältigung der Heterogenität, Subjektivität und Komplexität der Problemstellungen (Scher- muly et al., 2014; Hoffmann-Bisinger, 2023). Pro- bleme von Klient*innen sind oft mehrdimensional (z.B. Sach- und Beziehungsebene mischen sich), Ziele manchmal ambivalent und können sich im Laufe des Coachings verändern (Hoffmann-Bi- singer, 2023). Vor allem aber sind Probleme und ihre Bewertung von einer prinzipiell unbegrenz- ten Menge an Kontextfaktoren abhängig, d.h. von persönlichen Faktoren (z.B. Bedürfnisse, Biogra- fie, Gewohnheiten), sozialen (z.B. Beziehungen) oder physischen (z.B. Gesundheit), die sich der unmittelbaren Kontrolle des Coaches entziehen. Digital Coaching Ganz abgesehen davon folgt – zumindest im sys- temischen Coaching – die Interaktion zwischen Coach und Klient insgesamt nur auf sehr abstrak- ter Ebene einem Muster, kann also als hoch indi- vidueller bzw. unstandardisierter Prozess ange- sehen werden (Ebner, 2022). In der systemischen Prozessbegleitung bewirkt die Neutralität von Coaches hinsichtlich der Veränderungsabsicht von Klient*innen, dass Coaches – oder eine KI – weder „richtige“ Lösungen kennen oder vorgeben, noch eigene Regeln für eine Lösung entwickeln. Stattdessen nutzen sie das Regelwerk der Coa- chees, das wiederum den vorher genannten Kon- texteinflüssen unterliegt. Um gewünschte Verän- derungen zu unterstützen, müssen Coaches und/ oder ein KI-System im Prozess nicht nur kognitive Prozesse, sondern auch emotionales Erleben, z.B. durch die Arbeit mit inneren Bildern (Hoffmann- Bisinger, 2007, 2023) erzeugen können. Während des Coaching-Prozesses bewegen sich Coaches in dem Spannungsfeld, einerseits das (für Coachees) Wesentliche von Unwesentlichem unterscheiden zu müssen und diese Unterschei- dung andererseits oft nicht an objektivierbaren, sondern intuitiven Kriterien festmachen zu kön- nen. “The process of intuition is hidden from our sense perceptions” (Haynes, 2003, S. 14). Als Fol- ge können Menschen (und damit Coaches wie Coachees) nicht genau sagen, weshalb sie sich in diesem Prozess auf eine bestimmte Art und Wei- se entschieden, oder die (zutreffenden) Gründe benennen, weshalb sie eine Entscheidung gefällt haben (Frochte & Kaufmann, 2020). HR Performance 2/2023 35

Digital Coaching effektivsten Sinne ergänzt oder übertroffen wer- den, sondern dass KI-Systeme – ebenso wie Men- schen – mit Fehlerquellen wie „Bias“ ausgestattet sind, die aber aufgrund der fehlenden Transpa- renz im System schlechter behoben werden kön- nen und die Kooperation zwischen Mensch und Technik dann erschweren, anstelle sie zu erleich- tern. Sollte sich ein KI-System selbstständig mit Daten aus den verschiedensten ihr zugänglichen Quel- len füttern, so kann es bisher nur digitalisierte Da- ten verarbeiten und bleibt auf diese beschränkt. KI-Systeme können Emotionen von Menschen zunehmend gut erkennen und aufgrund dessen Entscheidungen treffen, sie können die Gefüh- le jedoch nicht fühlen (Bärmann, 2019) und da- her auch nicht resonieren oder emotional unter- stützen, selbst wenn sie überwiegend so wirken. Ebenso kann die KI Wissen erwerben, aber nicht wissen, dass oder wie sie lernt (Bärmann, 2019). Ohne einen (menschlichen) Körper kann ein KI- System auf einen wichtigen Teil der Welt nicht zu- greifen und lässt an dieser Stelle eine Lücke. Also: KI-Systeme handeln wie Menschen, funktio- nieren aber nicht wie sie (Huber, 2023) und kön- nen in den nächsten Jahren viele, aber nicht alle Rechenleistungen des menschlichen Gehirns er- ledigen. Auch deshalb scheint es wenig zielführend zu sein, KI-Systeme in ein Rennen mit menschlichen Coaches zu schicken. Statt als konkurrierend, sollten beide – Coach und KI – als mindestens kompensatorisch, idealerweise als komplemen- täre Kooperationspartner betrachtet werden (Flemisch et al., 2012). So könnten Coaches den Staffelstab an KI-Systeme dort übergeben, wo schnelle, intelligente Lösungen gefordert sind, menschliche Coaches jedoch intellektuell an ihre Grenzen kommen oder schlichtweg nicht ver- fügbar sind. Lerntransfer-Apps sind schon jetzt in der Lage, orientiert an Bedürfnissen von Coa- chees Lernbedarf auf smarte Weise zu ermitteln und Lernangebote zu personalisieren, wobei Coa- ches den Lernprozess und die Inhalte selbst steu- ern. Coaching-Bots könnten gezielt zur Reflexion und Festigung von Inhalten während, nach oder zwischen den Coachings eingesetzt werden (Mai & Rutschmann, 2023; Graßmann & Schermuly, 2021). Außerdem sind KI-Systeme dafür prädes- tiniert, Techniken wie systemische Skalierungs- fragen personalisiert anzuwenden, die nicht an den menschlichen Coach gebunden sind (Ebner, 2022). Weiterhin können z.B. „Check-ins“ mit in- neren Anteilen, skriptbasiert durch eine KI ange- leitet werden. Also: Coaching-Prozesse oder Prozessbestand- teile sind durch subjektive Erlebnisse und Be- wertungen der Klient*innen, Abweichungen und Störungen gekennzeichnet und weisen eine hohe Varianz auf, sind also nicht oder kaum miteinan- der vergleichbar. Die Abbildung solcher zwischenmenschlichen Prozesse gehört aus heutiger Sicht zu einer der schwierigen Aufgaben für KI-Entwickler*innen (Huber, 2023). Alle theoretisch möglichen Coa- ching-Verläufe (allein schon: Problemstellungen oder Entscheidungen) valide durch Trainingsda- ten abbilden zu können, von denen die Güte der KI schließlich abhängt, scheint theoretisch mög- lich, praktisch aber bis jetzt noch unwahrschein- lich. Das KI-System kann erkennen, ob ein gelern- tes Problem vorliegt oder nicht, aber wie geht sie mit unbekannten Problemen um? Und auch wenn es gelänge, die benötigte Masse an Trainingsda- ten zu generieren, ist deren erforderliche Quali- tät aufgrund der hohen Varianz der Coaching-Va- riablen nur schwer herzustellen und begünstigt dann, dass das KI-System etwas Falsches, z.B. nicht intendierte Zusammenhänge zwischen Da- ten lernt, was aufgrund der Blackbox-Problema- tik nur schwer zu kontrollieren ist. So lernt ein KI-System womöglich, dass ein Tier, welches einem Hund ähnlich sieht und in einer Schneelandschaft gezeigt wird, ein Wolf ist, so- fern die Trainingsbilder Wölfe meistens nur in Schneelandschaften zeigen, Hunde jedoch nie im Schnee (Ribeiro et al., 2016; Frochte & Kaufmann, 2020). Solche unerwünschten Verallgemeinerun- gen durch ein KI-System gehören zu den „Ironien der Automatisierung“ (Bainbridge, 1983) und zei- gen, dass menschliche Leistungen durch ein noch so intelligent wirkendes System nicht immer im 36 HR Performance 2/2023

Digital Coaching Genau genommen übernimmt die KI in erster Linie nicht die Aufgabe eines Menschen, eine Handlung auszuführen, sondern berechnet datenbasiert die jeweils zum Zeitpunkt X optimale Handlung (von Focht, 2020). Im Sinne einer geteilten Verantwor- tung für dieselben Aufgaben wäre insofern denk- bar, dass die KI den Coach bei der Emotionserken- nung unterstützt und dann Entscheidungen oder Handlungen empfiehlt. Ebenso könnte die KI auf- grund von Äußerungen des Coachees passende Fragen oder Hausaufgaben zur Auswahl anbie- ten. Derartige Szenarien bringen allerdings neue Fragestellungen mit sich, z.B. inwiefern Coaches in der Interaktion mit dem Coachee aus dem Kon- takt gehen wollen oder können. Es wird deutlich: Eine erfolgreiche Ausgestaltung einer Mensch-KI-Kooperation hängt davon ab, wie stark psychologisch ausgebildete Coaching- Expert*innen die nutzergerechte Entwicklung von KI-Systemen mitbestimmen, anstelle dieses Feld Informatiker*innen zu überlassen (Ebner, 2022). Sofern technische Machbarkeit der Treiber für KI-Systeme ist und diese als Ersatz für mensch- liche Coaches gehandelt werden, ist fraglich, wie KI der Komplexität des Menschlichen, z.B. auf der biografischen, emotionalen oder spirituellen Ebe- ne, gerecht werden kann. Auch mit noch so vielen „0en“ und „1en“ fehlt dem System sowohl das Wis- sen über die Welt, als auch ein echtes Verständnis der zugrunde liegenden Konzepte (Huber, 2003). Ob Menschen im Coaching theoretisch auf Men- schen verzichten könnten, wenn sich ein KI-Sys- tem wie ein Mensch verhält, bleibt eine offene Frage. Wie Menschen emotional und allgemein damit zurechtkommen werden, wenn KI mehr und mehr Raum in ihrem Leben einnimmt, muss sich zeigen. Nicht umsonst haben am 22. März mehr als 1.000 Menschen, darunter führende Wissen- schaftler, Professoren und KI-Unternehmer, in ei- nem offenen Brief des Future of Life Instituts, ihre Sorge über die rasante Entwicklung der KI geäu- ßert (https://futureoflife.org/open-letter/pau- se-giant-ai-experiments). Ausgewählte Quellen Bainbridge, L. (1983). Ironies of automation. Automatica, 19 (6), 775–779. Bärmann, S. (2019). Coaching-Session mit dem Roboter? Maga- zin Training (online). Clutterbuck, D. (2018). When will Artificial Intelligence take over Coaching? 5. Internationaler Coaching-Kongress, Olten. Ebner, K. (2022). Chatbots im Karriere-Coaching. Experteninter- view von David Ebermann. Coaching Magazin (2/2022). Fitzpatrick, K., Darcy, A. & Vierhile, M. (2017). Delivering Cogniti- ve Behavior Therapy to Young Adults with Symptoms of De- pression and Anxiety Using a Fully Automated Conversational Agent (Woebot). JMIR Mental Health 2, 1–11. Focht, von, T. (2020). Einsatzbereiche von KI: Wie künstliche In- telligenz Arbeitsbereiche verändert. Interview von Christina Rose. OnetoOne (online). Frochte, J. & Kaufmann, C. (2020). Zuverlässige KI und Transpa- renz auf unstrukturierten Daten. Informatik Aktuell (online). Graßmann, C. (2022). Die Arbeitsbeziehung im Coaching: Ein Forschungsüberblick und Handlungsempfehlungen für die Praxis. Organisationsberat Superv Coach 29, 331–346. Graßmann, C., & Schermuly, C. C. (2021). Coaching with artificial intelligence: concepts and capabilities. Human Resource De- velopment Review, 20(1), 106–126. Hoffmann, I. R. (2007). Changing Perspective – Changing Solu- tions. Activating Internal Images for Change in Systemic Brief Therapy. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag Hoffmann-Bisinger, I. R. (2023/in Druck). Innere Bilder – Der Schlüssel zur Veränderung. Analoge Systemische Kurzthera- pie und Coaching. Stuttgart: Klett-Cotta. Huber, M. (2020). „Schluss mit der Black Box!“. Interview zur künstlichen Intelligenz mit Ralf Butscher. Bild der Wissen- schaft (online). Huber, M. (2022). Künstliche Intelligenz (KI) als Werkzeug ein- setzen. QZ (online). Huber, M. (2023). Auslaufmodell Mensch? LeaderTalks Podcast von Georgiy Michailov (online). Kotte, S., Hinn, D., Oellerich, K. & Möller, H. (2016). Der Stand der Coachingforschung: Kernergebnisse der vorliegenden Meta- analysen. Organisationsberat Superv Coach, 23(1), 5–23. Luber, S. & Litzel, N. (2016). Was ist Machine Learning? Big Data Insider (online). Mai, V. & Rutschmann, R. (2023). Chatbots im Coaching. Poten- ziale und Einsatzmöglichkeiten von digitalen Coaching-Be- gleitern und Assistenten. Organisationsberat Superv Coach 30, 45–57. Rutschmann, R. (2021). Coaching & AI – wie künstliche Intelli- genz die Zukunft des Coachings prägen wird. ICF Germany Charter Chapter e.V. Schermuly, C. C. (2019). Erfolgreiches Business-Coaching – Po- sitive Wirkungen, unerwünschte Nebenwirkungen und ver- meidbare Abbrüche. Weinheim: Beltz. Schermuly, C. C., Graßmann, C., Ackermann, S., & Wegener, R. (2022). The future of workplace coaching–an explorative Delphi study. Coaching: An International Journal of Theory, Research and Practice, 15(2), 244–263. Terblanche N., Molyn J., de Haan E., Nilsson V.O. (2022a). Com- paring artificial intelligence and human coaching goal attain- ment efficacy. PLoS One 17(6). Terblanche, N., Molyn, J., De Haan, E., & Nilsson, V. O. (2022b). Coaching at Scale: Investigating the Efficacy of Artificial In- telligence Coaching. International Journal of Evidence Based Coaching and Mentoring, 20(2), 20–36. PROF. DR. CHARLOTTE VON BERNSTORFF, Professorin für Personal- psychologie an der BSP- Business & Law School. Sie forscht, lehrt und berät Unternehmen zu Datenanalysen. DR. ILKA HOFFMANN- BISINGER, Gründerin und Leiterin des iska-berlin, Ausbilderin, Coach, Therapeutin, Beraterin und Super- visorin. Sie entwickelte das Ask!-Modell. HR Performance 2/2023 37

Personalmanagement Keine Zeit für Zukunft? Personalmanagement am Scheideweg Ein radikaler organisatorischer Wandel ist alternativlos. Strategische Partnerschaften – extern wie in- tern – erfordern ein kollegial offenes Miteinander auf Augenhöhe, um ihre Potenziale voll entfal- ten zu können. Ausgangspunkt und Vorausset- zung hierfür ist, dass sich die Verantwortlichen (hier und nachfolgend immer mitgedacht d/m/w) bereits im Vorfeld über eine gemeinsame Ziel- setzung verständigen, damit die darauffolgende Umsetzungsstrategie auch tatsächlich zur (ver- einbarten) Zielsetzung einen Beitrag leisten kann. Wenn wir dieses Verständnis des Strategiebegrif- fes am heutigen Personalmanagement spiegeln, stellen sich durchaus grundlegende Fragen zu Rolle und Perspektive der Personalarbeit. Die dy- namische Berücksichtigung sich aktuell abzeich- nender und zukünftiger Rahmenbedingungen ist hierbei von erfolgskritischer Bedeutung. Dieser Beitrag hinterfragt, welchen Einfluss die nahezu überall erkennbare operative Überlast des Personalmanagements durch Kurzfrist-He- rausforderungen auf dessen zukünftige Ausrich- tung hat. Überlegungen zur mittelfristigen Orga- nisationsgestaltung machen dabei deutlich, dass ein radikaler Personalmanagement-Neuanfang notwendig und sinnvoll ist, um die Zukunftshe- 38 HR Performance 2/2023

Personalmanagement rausforderungen ökonomisch und personell aus- gewogen zu bewältigen. wählt, nicht selten mit höheren Kosten und zulas- ten der Qualität. Zielkonflikte durch unterschiedliche Blickwinkel und differenzierte Interpretationen Als Querschnittsfunktion hat das Personalma- nagement „mehreren Herren zu dienen“: Der Ge- schäftsführung im Rahmen der Umsetzung von – im besten Falle gemeinsam vereinbarten – Zie- len der Organisation, den Führungskräften mit bedarfsgerechter Unterstützung bei personellen Herausforderungen in deren Verantwortungsbe- reich. Gleichzeitig hat es dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter in der Organisation gefördert und ordentlich behandelt werden. Darüber hinaus wacht der Betriebsrat mit Argusaugen darüber, dass „alles mit rechten Dingen zugeht“. Und das Controlling hofft, dass nach Möglichkeit am Ende des Jahres mehr Geld in der Kasse ist, als zu Be- ginn des Jahres geplant. Welche Rolle kann und will das Personalmanage- ment in diesem komplexen Geflecht spielen? Im Wesentlichen ist ein erfolgreiches Miteinander davon abhängig, inwieweit die handelnden Per- sonen eine „auskömmliche Wellenlänge“ zuein- ander finden. Unabhängig davon entstehen durch inhaltliche Anforderungen regelmäßig Zielkon- flikte zwischen den Beteiligten, deren Bewäl- tigung oftmals schmerzhafte Folgen für einige dieser Beteiligten zur Folge haben. Unter Berück- sichtigung dieser oftmals kaum zu vermeidenden alltäglichen Reibungspunkten ist tatsächlich ein offensiveres strategisches Personalmanagement gefordert. Hierbei sind neben den organisationa- len Anforderungen, unterschiedliche Blickwinkel und differenzierte Interpretationen der Beteilig- ten ebenso zu berücksichtigen, wie gewachsene Machtstrukturen und gegenseitige Abhängigkei- ten. Personalmanagement: die unmögliche Quadratur des Kreises Für das Personalmanagement ist es in diesem komplexen Handlungsfeld mit regelmäßigen Ziel- konflikten insofern ein ziemlich auswegloses Un- terfangen, allen Beteiligten im Sinne einer Win- win-Situation gleichermaßen gerecht zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass oftmals zeitkri- tische Notwendigkeiten kaum einen Spielraum lassen für zeitintensivere Analyse- und Kommu- nikationsprozesse. Dies hat zur Folge, dass die Handlungsoptionen, die dem Personalmanage- ment zur Verfügung stehen, deutlich begrenzt sind. Vielfach wird dann der schnellere Weg ge- Erschwerend kommt hinzu, dass die Verantwort- lichkeiten und Entscheidungsprozesse im Orga- nisationsgefüge selten klar definiert sind. Dies hat Flexibilitätsvorteile im alltäglichen Arbeits- prozess, aber auch deutliche Nachteile bei unge- klärten Projektzuordnungen oder im Konfliktfall zur Folge. Durch seine (eher verantwortungs- freie?) Querschnitts- und Beratungsfunktion eig- net sich das Personalmanagement insofern in Problem-Situationen durchaus als willkommener Sündenbock. Unter den heutigen organisationa- len Gegebenheiten erscheint eine grundsätzliche Veränderung dieser Situation für das Personal- management kaum absehbar. Zum einen scheint die oberste Führungsebene in dieser komplexen Konstellation keine Nach- teile (und für sich selbst eher Vorteile) zu sehen. Zum anderen sind vonseiten des Personalma- nagements neue Organisationsmodelle, die diese komplexe Struktur sinnvoller gestalten könnten, noch nicht einmal im Ansatz erkennbar. Im Gegen- teil, das „Hamsterrad dreht sich immer schneller“, seit sich das Personalmanagement oftmals auch noch um die Bewältigung des Demografiewan- dels, eine verstärkte Diversity-Realisierung und die Umsetzung von ESG (Environmental Social Governance) kümmern soll. Radikaler Personalmanagement- Wandel mit positivem Ausblick Für das Personalmanagement ist die aktuelle Si- tuation unbefriedigend: Überlastung durch stän- dig zusätzliche Aufgaben unter Berücksichtigung von u.a. New Work-Projekten (und Illusionen), arbeitsintensiven Big Data-Auswertungen sowie ständig steigenden bürokratischen und arbeits- rechtlichen Anforderungen. Und dies alles in einer „Sandwich-Funktion“ unterschiedlicher Akteure und Interessen mit eher diffusen Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen. Ein radikaler Wandel muss her, wenn sich das Personalma- nagement jenseits ihrer bisherigen „Hausmeis- terrolle“ für alles, was personalbezogen in Orga- nisationen anliegt, neu positionieren möchte. Hierzu ist es sinnvoll und notwendig, dass das Personalmanagement seine bisherigen Aufga- ben nach Effektivität (Zielerreichung) und Effi- zienz (Wirtschaftlichkeit) benennt, bewertet und daraus ein eigenes (zukunftsorientiertes) Leis- tungsportfolio erarbeitet, das den eigenen Wert- schöpfungsbeitrag zur Unternehmensleistung verdeutlicht. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, HR Performance 2/2023 39

Personalmanagement welche Aufgaben aufgrund vorhandener Kompe- tenzen oder organisatorischer Zweckmäßigkeit zwingend vom Personalmanagement wahrge- nommen werden sollten. Es ist aber auch deut- lich zu machen, welche heutigen Aufgaben ein- zeln oder gebündelt verlagert (oder auch ganz gestrichen) werden könnten, weil bei der aktuel- len Durchführung Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis stehen. Personalmanagement als Treiber des Wandels und Umbau der Organisation Dem Autor dieser Zeilen ist aus eigener Erfahrung völlig bewusst, dass das Personalmanagement immer und ständig inneren und äußeren Zwän- gen ausgesetzt ist, die eine grundsätzliche Neu- ausrichtung in unsicheren und stressigen Zeiten als illusorisch und weltfremd erscheinen lassen. Trotzdem sei hier der Versuch unternommen, dass das Personalmanagement der Gedanken-Falle entkommt, in die sich auch ein Baumfäller begibt, der argumentiert, „ich habe jetzt überhaupt kei- ne Zeit, meine Säge zu schärfen, ich muss ja drin- gend diese vielen Bäume fällen“. Es ist völlig klar, dass Veränderungen nur vom Personalmanage- ment selbst in Eigeninitiative angeschoben wer- den können, weil alle übrigen Beteiligten nahezu ausschließlich an der eigenen Zielerreichung in- teressiert sind und an der mit Arbeit verbundenen „nervigen“ Optimierung dieses komplexen Hand- lungsfeldes kaum Interesse haben. Das Personalmanagement kommt also nicht um- hin, als Treiber des Wandels selbst tätig zu wer- den. Um die Beteiligten zu überzeugen, braucht es zumindest gute Argumente und noch besser die Unterstützung wichtiger Machtpromotoren der Organisation, die vom Veränderungsnutzen überzeugt sind. Die Argumente hierbei ähneln sich fast immer: bessere und schnellere Zielerrei- chung bei verringerten Kosten mit gleichzeitig ge- stärkter Markt- und Zukunftsposition – die Quad- ratur des Kreises eben. Die Strategie des Personalmanagements für die- sen Wandel liegt in der Theorie deutlich auf der Hand, erfordert in der Umsetzung jedoch viel Ge- schick und sicherlich auch einen längeren Atem. Es ist zu überdenken, welche Verantwortlichkei- ten für das Personal die Führungskräfte zukünf- tig haben sollten und wie eine sinnvollere Aufga- benteilung zum Personalmanagement gefunden werden könnte. Es ist Fantasie gefragt, wer wel- che der vielfältigen Zukunftsaufgaben wie wahr- nehmen sollte und welche Prioritäten zu setzen sind. Ohne ein völliges Neudenken der bisherigen Ver- waltungseinheiten mit Neubewertung sinnvoller Eigen- und Fremdleistungen wird dies nicht ge- lingen – eine generelle Transformation scheint vonnöten. Das Personalmanagement könnte sich dieser Herausforderung stellen und dadurch eine Neuausrichtung des eigenen Bereiches und sei- ner organisatorischen Umgebung erreichen. Im Ergebnis würde dies nicht nur eine Wertschöp- fungssteigerung für die Organisation durch die Personalmanagement-Aktivitäten bedeuten, sondern als willkommenem Nebeneffekt auch zu einem Reputationsgewinn des Personalbereichs führen. Fazit und Ausblick: Personal- management am Scheideweg!? Personalmanagement: Weiter so, wie bisher? Dies ist zwar (leider) die wahrscheinlichste Op- tion, aber für die Betroffenen wohl auch wenig attraktiv unter Berücksichtigung der zukünftigen Aufgabenvielfalt und weiterhin komplex offenen Verantwortungsstrukturen. Ein radikaler Neuanfang könnte klare Verantwort- lichkeiten schaffen, eine bessere und schnellere Zielerreichung ermöglichen, Bürokratie abbauen und die Organisationseffizienz steigern. Das Per- sonalmanagement könnte sich hiermit eine völlig neue Rolle als Innovationstreiber in der Organisa- tionsentwicklung erarbeiten. Hierzu ist es notwendig, bisherige Strukturen auf- zubrechen und Prinzipien des Organisationsauf- baus neu zu denken. Ob die Zeiten für eine der- art disruptive Organisationsveränderung heute günstig sind? Sicherlich nicht, aber hierfür gibt es nie günstige Zeiten. Zumal der operativ kurzfristi- ge Handlungsdruck eher zunimmt, statt abnimmt. Keine Zeit für die Zukunft? Doch, ganz sicher, denn das Personalmanagement nimmt die Dinge jetzt endlich auch einmal selbst in die Hand … PROF. DR. WERNER FRÖHLICH, Univ.-Prof. (a.D.) für Allgemeine Betriebs- wirtschaftslehre Europa- Universität Flensburg 40 HR Performance 2/2023

Feedbackmanagement Anbieter Mannheimer W.O.-Institut e.K. Herr Prof. Dr. Walter Bungard Dynamostraße 13, 68165 Mannheim Tel.: 06 21/43 85 51 97 EMail: mail@woinstitut.com www.woinstitut.com Produkte/Dienstleistungen: Mitarbeiterbefragung, Gefährdungs beurteilung psychischer Belastung, Vorgesetztenbeurteilung/ 360°Feedback, Pulsbefragung – Im Einsatz seit: 1985 Kurzbeschreibung: Seit über 30 Jahren beraten und begleiten wir Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung von SurveyFeedbackProzessen. Dabei kombinieren wir die aktuelle Forschung mit unseren umfassenden Erfahrungen in der Praxis. Durch diese Verbindung garantieren wir unseren Kunden wirkungsvolle, nachhaltige und auf die speziellen Anforderungen maßgeschneiderte Projekte. Unsere Experten unter stützen Sie bei der Durchführung des kompletten Befragungsprozes ses bis hin zur Evaluation des FollowupProzesses. Unsere Pläne für die Zukunft: Integrative Feedbacklandschaften, Gesundheit/Nachhaltigkeit in der MAB/separat, Kurzbefragung zu einzelnen Themen zur Agilitätsförde rung, Einbettung der Befragung in strateg. Prozess inkl. Followup Praxisbeispiel: Regelmäßige, dezentrale Durchführung einer MAB in weltweit tätigem Unternehmen seit über zehn Jahren, Implementierung eines stan dardisierten Prozesses mit flexiblen Wahloptionen und Integration in Gesamtstrategie Nah am Puls TERRITORY GmbH | TERRITORY EMBRACE Frau Bernadette Kramer CarlBertelsmannStraße 33, 33311 Gütersloh Tel.: 0 52 41/2 34 805 14 EMail: kramer.bernadette@territory.group https://territory.de/territoryembrace/ Produkte/Dienstleistungen: Strategische Mitarbeitendenbefragun gen, PulsChecks und 360°Feedbacks – Im Einsatz seit: 2006 Kurzbeschreibung: Ihre Mitarbeitenden bemerken oft als Erste, wenn etwas besser lau fen könnte. Bleiben Sie am Puls ihrer Belegschaft und nutzen Sie ihre Wahrnehmung, um Dinge anders zu betrachten, offen zu diskutieren und so überfällige Veränderungsprozesse anzustoßen. Wandeln Sie Kritik in nutzbare Impulse um und verstärken Sie positive Trends. Entwickeln Sie Ihr Unternehmen weiter mit einer Mitarbeiten denbefragung mit TERRITORY EMBRACE – sicher, anonym und aus sagekräftig. Unsere Pläne für die Zukunft: Zunehmende Komplexität in Unternehmen begleiten wir mit hybriden Befragungsmodellen, differenzierter Betrachtung von fachlichen und disziplinarischen Führungsstrukturen und individueller Beratung. Referenzkunden: • Bertelsmann: seit 2006 internationale MAB mit 50.000 MA und über 300 Firmen • DMG MORI: seit 2017 Befragungen in 16 Sprachen weltweit • Hörmann: seit 2014 diverse Standorte mit gewerblichen und kauf männischen MA HR Performance 2/2023 41

Praxis Advertorial Was haben Personalabteilungen mit Cybersecurity zu tun? Wie Sie mit Awareness Trainings und Game-Based Learning sicheres Verhalten trainieren. Unglaubliche neun von zehn Unternehmen waren 2022 laut Bitkom von Cyberangriffen betroffen. Der wirtschaftliche Scha- den: 203 Milliarden Euro. Doch was macht die Cyberkriminellen so „erfolgreich“, wo doch jedes Unternehmen Security Software im Einsatz hat? Und warum sollte sich die Personalabteilung um Cybersecurity kümmern? Ist das nicht ein Thema für die IT? Warum Technik allein nicht schützt Natürlich ist Cybersecurity ein Hauptthema der IT-Abteilung. Mit der passenden Software schützt sie die Systeme des Un- ternehmens. Aber was passiert, wenn sich Cyberkriminelle durch Phishing und Datendiebstahl direkten Zugriff verschaf- fen? Die Verteidigung wird umgangen, Daten verschlüsselt und enormer Schaden angerichtet. Und häufig ist die erste Frage: Wer hat den Fehler begangen? Doch den Menschen als größte Schwachstelle für die IT-Si- cherheit zu bewerten und den Schuldigen zu suchen, ist der falsche Ansatz. Vielmehr können Mitarbeitende mit dem nöti- gen Bewusstsein für IT-Risiken die stärkste Sicherheitsbarriere darstellen. Daher lautet die richtige Frage: Wie können wir un- sere Mitarbeitenden am besten in sicherem Verhalten fördern? Der Mensch im Visier von Cybercrime Wenn Unternehmen gefragt werden, welche Art von Cyber- angriffen sie am häufigsten erlebt haben, steht Phishing an erster Stelle. Genau wie bei der Frage, welcher dieser Angrif- 42 HR Performance 2/2023 fe am schwerwiegendsten war (Quelle: Kriminologisches For- schungsinstitut Niedersachsen e.V.). Allzu oft steht am Anfang eines solchen Angriffs eine E-Mail. Vielleicht kennen Sie solche Nachrichten aus Ihrem persönlichen Postfach: eine Info über eine vermeintliche Paketzustellung, die Aufforderung, Ihr Pay- pal-Passwort zu ändern oder der ominöse entfernte Verwand- te, der sich plötzlich meldet und Ihnen Geld vererben möchte. Aber nicht alle Phishingmails sind so einfach zu entlarven. Cy- berkriminelle verfeinern ihre Betrugsmaschen immer weiter und passen ihre Nachrichten sehr genau auf die Empfänger an. Woher sie die Infos bekommen? Ganz einfach: aus den sozia- len Netzwerken. Eine kurze Suche bei LinkedIn reicht, um Name, Position, Vorgesetzte und Interessen von Mitarbeitenden he- rauszufinden. Aus diesen Informationen erschließen sich An- greifende auch die Logik der E-Mail-Adressen eines Unterneh- mens und senden ihre maßgeschneiderten Phishingmails ab. So sieht die E-Mail auf den ersten Blick aus wie eine legitime Nachricht des eigenen Chefs, der eine Überweisung beauftragt. Oder wie eine Bewerbung mit entsprechenden Unterlagen im Anhang. Nur dass der Anhang statt Anschreiben und Lebens- lauf Ransomware enthält, die beim Öffnen das ganze System lahmlegt. Sie merken es bereits: Gegen diese personalisierten Angrif- fe können technische Schutzmaßnahmen oft nicht helfen. Mit psychologischen Tricks werden Mitarbeitende dazu verleitet, etwas Bestimmtes zu tun. Nämlich zu klicken, einen Anhang zu öffnen, das Passwort einzugeben – aus freien Stücken. Was hier hilft? Allen Mitarbeitenden im Unternehmen beibringen, wie sie sich sicher im digitalen Alltag verhalten. Vom Azubi bis zum Geschäftsführer Cybersecurity geht uns also alle etwas an – nicht nur die IT. Doch wie steht es zum Beispiel um Ihr eigenes Sicherheitsbe- wusstsein? Haben Sie auf folgende Fragen direkt eine Antwort? • Wie schütze ich meinen Computer, wenn ich mich in ein öf- fentliches WLAN einwähle oder von zu Hause aus arbeite? • Woran erkenne ich eine Phishingmail? • Mir kommt etwas komisch vor. Wie und wo melde ich den Vorfall? Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt sicherheitsrelevanter Themen. Wenn Mitarbeitende die richtigen Antworten auf die- se Fragen kennen, ist schon viel für den Schutz vor Cyberangrif- fen getan.

Der Gamechanger für Ihre Sicherheitskultur Doch wie verankern Sie solches Wissen effizient und nachhal- tig in den Köpfen der Belegschaft? Indem Sie den Mitarbeiten- den mit modernen Security Awareness Trainings die Möglich- keit geben, selbst aktiv zu werden, Dinge auszuprobieren und Fehler machen zu dürfen. All das fördert die Lernbereitschaft. Denn zugegeben: Das Thema IT-Sicherheit sorgt nicht auto- matisch für Jubelstürme. Daher sind Methoden wie charakter- basiertes Storytelling, ein hoher Interaktionsgrad und Gami- fication wichtige Erfolgsfaktoren für E-Learnings in diesem Bereich. Die American Federation of Scientists (AFS) hat he- rausgefunden, dass sich Lernende bei Game-basierten Lern- methoden an bis zu 90 Prozent mehr Inhalt erinnern als bei tra- ditionellem Lernen. Diese Erkenntnisse machen sich die interaktiven Security Aware ness Trainings der G DATA academy zunutze. Mithilfe von Game-Based Learning wird die intrinsische Motivation der Ler- nenden angesprochen. Denn nur Trainings, die Spaß machen, funktionieren auf Dauer. Abtauchen in den Phishing-Strudel Ein Beispiel für den hohen Grad an Interaktion in unseren Trai- nings: Mitarbeitende tauchen in einem der Trainings selbst in den Phishing-Strudel hinab. Als Begleiter unserer vier Haupt- charaktere navigieren sie durch eine erlebnisreiche Unterwas- serwelt und lernen, wie sie mit betrügerischen E-Mails und Webseiten umgehen. Alle Multiple-Choice-Fragen, Videos und Drag-and-Drop-Aufgaben sind eingebettet in eine größere Ge- schichte. Das Ziel: einer bösen Phisherin das Handwerk zu le- gen. Probieren Sie die Kurse gern selbst einmal aus, kostenfrei und ohne Umwege unter www.gdata.de/abtauchen. Ransomware-Game Hauptfigur Martin ist dem Phishing-Strudel gerade entkom- men, schon wartet die nächste Lernreise auf ihn: Durch einen dummen Fehler landet er in der Cyber-Unterwelt und muss sich aus den Fängen des Entführers Randy Ransom befreien. In den vier Teilen unseres brandneuen Serious Games dreht sich alles um das Thema Ransomware: Wie gelangt so ein Erpressertro- janer überhaupt auf meinen Rechner? Und wie schütze ich mich Praxis davor? Das lernen Mitarbeitende mithilfe dieses Point-and- Click-Adventures in stilechter Retro-Optik. Neugierig? Testen Sie das Game gern selbst unter www.gdata.de/ransomware-game. Tipps für nachhaltigen Wandel in Ihrer Sicherheitskultur Damit Security Awareness Trainings in Ihrer Organisation ange- nommen und zum Erfolg werden, ist die richtige Kommunikati- on das A und O. Hier noch einige Tipps, wie Sie Ihre Kolleg*innen auf dem Weg hin zu mehr Sicherheitsbewusstsein unterstüt- zen können: • Koordinieren Sie sich mit Ihren IT-Sicherheitsverantwortli- chen. Mit Ihrer Expertise bei der Personalentwicklung tragen Sie entscheidend zu einer stärkeren Sicherheitskultur bei. • Holen Sie Ihre Führungskräfte zum Thema ab. So steht auch das Management hinter der Initiative und geht mit gutem Beispiel voran. • Stimmen Sie Ihre Belegschaft auf die Trainings ein. Kündigen Sie die Einführung der Online-Schulungen an, nutzen Sie An- leitungen und FAQ, um offene Fragen direkt abzufangen. • Poster an den Wänden im Büro, Bildschirmschoner oder Tas- sen mit Awareness-Slogans sind ein konstanter Reminder an sicheres Verhalten. • Sorgen Sie dafür, dass die IT-Sicherheitsexpert*innen bei Ih- nen im Haus ansprechbar sind und bei Rückfragen zur Ver- fügung stehen. CHRISTIAN LABER, Head of E-Learning Development bei G DATA CyberDefense gdata.de/awareness-training HR Performance 2/2023 43

Personalmanagement Mit vollem Einsatz an der Personalgewinnung arbeiten Strategische und taktische Implikationen zu Sicherstellung von Personalressourcen Die Situation bei der Personalgewinnung ist hei- kel, Besserung nicht in Sicht und eine Rettung wird alle Kraft in Anspruch nehmen – so stellt sich der Arbeitsmarkt im Allgemeinen und für HR- Services im Besonderen dar. Was kann trotzdem getan werden? Personalressource sichern: Total Recruiting Der erste Vorschlag lautet „Total Recruiting“, weil es mit ein bisschen Engagement und Kreativität in der Personalgewinnung nicht getan sein wird. Dazu einige Vorschläge für die Praxis: 1. Ein gutes Recruiting setzt ein gutes Produkt – den „Arbeitsplatz“ – voraus: Wie können die Arbeitsbedingungen optimal auf die Zielgruppe ausgerichtet werden? Dies bedeu- tet etwa, die Arbeitszeiten an den Bedürfnissen der Mitarbeiter und nicht der Kunden auszurich- ten. Ein spannendes Beispiel bietet die Bäcke- rei Max Kugel in Bonn, die am späten Vormittag den Verkauf öffnet und so die Produktion erst am Morgen und nicht in der Nacht aufnehmen muss. Seit der Umstellung ist an Bewerbungen von Bä- ckern kein Mangel mehr. 2. Das Unternehmen als Sinngeber positionieren: Falls Sie sich noch nicht mit dem Schlagwort „Pur- pose“ vertraut gemacht haben, wird es höchste Zeit. Junge Bewerber wollen nicht nur tolle Auf- gaben, gute Entlohnung und zeitliche Freiräume, sondern auch Sinn in ihrer Arbeit erfahren. Und unterhalb der „Weltrettung“ geht es dabei kaum. Die amerikanischen Tech-Konzerne machen es vor: aus Mobilität wird Freiheit, aus sozialen Netzwerken erwächst der Weltfriede. Mausklick aus XING oder LinkedIn. Und wenn der Lebenslauf spannend ist, dann bewerben Sie sich beim Interessenten. 4. Das Unternehmen als Arbeitgeber erlebbar machen. Was findet ein Interessent über ein Unternehmen als Arbeitgeber im Internet? Wer arbeitet da? Gibt es Bilder, idealerweise Bewegt-Bilder und Testi- monials? Wann hat man sich zuletzt mal selbst von außen betrachtet und den eigenen Firmenna- men gegoogelt? Das gute Produkt „Arbeitsplatz“ muss zeitgemäß verkauft werden! 5. Bauen Sie Ihre Fähigkeiten im Umgang mit modernen Analyse-Tools aus. Eine öffentlich zugängliche Datenbasis wie Google Analytics bietet eine Vielzahl an Informa- tionen über viele Elemente des Bewerbungspro- zesses. Das beginnt bei regionalen Verteilungen von Profilen und geht bis zu Synonymen für Job- profile. Aber viele Personaler können noch nicht mit diesen Tools umgehen. Klar ist aber auch: Selbst mit allem Engagement der Unternehmen wird der Kuchen der zur Ver- teilung anstehenden Arbeitskräfte in Deutsch- land nicht mehr größer werden. Man kann sich bestenfalls ein größeres Stück herausschneiden. Dazu muss man aber in der Rekrutierung immer ein Stück besser, schneller und lauter sein als die Wettbewerber. Schnell findet man sich in ei- nem toten Rennen wieder: Heute hat man einen schlanken, schicken Online-Rekrutierungspro- zess ans Laufen gebracht; morgen ist das schon wieder Standard und es muss eine neue Eskalati- onsstufe im Total Recruiting eingeläutet werden. Personalgewinnung wird eine Sisyphus-Aufgabe bleiben. 3. Die Bewerbung so einfach wie möglich machen. Wozu brauchen Sie noch ein Foto in der Bewer- bung? Wozu ein Anschreiben? Selbst Zeugnis- se sind für den Erstkontakt mit knappen Bewer- bergruppen recht irrelevant. Verlangen Sie nicht mehr als einen Lebenslauf, idealerweise sogar als One-Click-Bewerbung mit Datenübertragung per Bedarf an Arbeitskräften reduzieren Wenn Unternehmen nicht mehr genug Mitarbei- ter für anstehende Aufgaben bekommen, dann müssen sie lernen, dieselbe Wertschöpfung mit noch weniger eigenen Beschäftigten zu erzeugen. Personaler müssen Experten im Zusammenstel- len heterogener Teams unterschiedlichster Quel- HR Performance 2/2023 45

Personalmanagement Personalressource auf dem Arbeitsmarkt ausweiten Wir kennen die Klassiker der Ausweitung des Ar- beitskräfte-Reservoirs: Verlängerung der Lebens- arbeitszeit, eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Zuwanderung. Die von Bundesarbeits- minister Hubertus Heil am 21. Oktober 2022 ange- kündigte Initiative zur Erleichterung der Zuwan- derung von Fachkräften hat wichtige und richtige Kernpunkte: Das Anwerben von Fachkräften soll durch die Absenkung der Mindestgehaltsschwel- len erleichtert werden. Die Anerkennung von Ab- schlüssen soll verbessert und die Vorrangprüfung bei Ausbildungsplatzbewerbern wegfallen. Auch eine „Chancenkarte“ für Zuwanderer ohne Arbeits- vertrag könnte ein wichtiges Signal in die Welt sein. Allerdings werden auch auf diesem Kanal nicht die notwendige Zahl an Zuwanderern kom- men. Ein weiterer wichtiger Aspekt könnte die Ver- schlechterung der Bedingungen von Teilzeitar- beit sein. Wir können als Gesellschaft nicht junge Menschen teuer ausbilden, um sie dann ohne Not in Teilzeit-Arbeitsverhältnisse abwandern zu las- sen. „Die Arbeit muss besser werden, nicht weni- ger“, resümierte Alexander Wulfers am 1. Oktober 2022 in der FAZ. Teilzeit muss unattraktiver wer- den – bei Sozialversicherung und Abgaben. Dazu gehört auch eine Überarbeitung des Teilzeit- und Befristungsgesetz: Es sollte kein Anspruch auf Teilzeit mehr bestehen, wenn nicht eindeutige Umstände wie Krankheit, Pflege oder Kinderbe- treuung Antragsteller dies rechtfertigen. Unter- nehmen sollten Vollzeit-Arbeit stärker belohnen. Fazit Mit ein bisschen Engagement, ein paar neuen Ideen und etwas gutem Willen wird es bei der Personalbeschaffung in Zukunft nicht mehr ge- hen: entweder ganz und mit vollem Einsatz oder gar nicht an der Personalgewinnung arbeiten. Wer das nicht mag oder kann, soll Konzepte ent- wickeln, wie das Unternehmen mitarbeiterfrei geführt werden kann. Aber da hoffe ich doch als Personaler, dass es so weit nicht kommen wird. PROF. DR. WOLFGANG APPEL, Professor für Personalmanagement an der htw saar len werden. In Projektteams werden neben Fest- angestellten – unabhängig vom Arbeitsort und Lebensmittelpunkt – Leasing-Kräfte, Freelancer und Crowdworker arbeiten und je nach Projekt- phase wechseln diese Zusammenstellungen und finden sich neu zusammen. Gerade das Crowd- working über etablierte Plattformen wie Mecha- nical Turk bietet Chancen, wettbewerbsfähige Leistungen zu attraktiven Kosten aus unterent- wickelten Regionen der Welt zu beziehen. Die Automatisierung kann ein Segen werden, um die drohende Arbeitslücke von fünf Millio- nen Menschen, die bis 2030 auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen werden, möglichst klein zu halten. Alle Sozialpartner müssen über jeden Job froh sein, der wegrationalisiert wird, weil er die Chance erhöht, dass die vorhandene Arbeitskraft in einer höherwertigen, mehr Wert schöpfenden Tätigkeit eingesetzt wird. Damit könnte die Rendi- te von Unternehmen zumindest gehalten werden und der Staat hat die Aussicht auf ausreichende Steuern und Sozialabgaben. Um den Bedarf an Arbeitskräften zu reduzieren, muss der Kunde noch stärker in den Erstellungs- prozess eingebunden werden. So wie wir uns im- mer mehr daran gewöhnen, dass in der Ausflugs- gaststätte der Kaffee nicht mehr an den Tisch gebracht wird, sondern am Tresen selbst abge- holt werden darf, müssen wir auch in Personal- prozessen noch mehr Aufgaben auf Mitarbeiter und Bewerber verlagern. Durch all diese Maßnahmen kann der Bedarf an Arbeitskräften reduziert werden. Die knappe Res- source Mensch würde volkswirtschaftlich besser ausgenutzt werden. 46 HR Performance 2/2023

Gestaltung von Survey Feedback Landscapes schafft Mehrwert Feedback-Trends, Herausforderungen und Ansatzpunkte Feedback gilt als eine wichtige Quelle des Ler- nens und der Weiterentwicklung. Entsprechend gehören organisationale Feedbackinstrumente zum Standardinventar der Organisationsentwick- lung. Gleichzeitig zeigt sich in den letzten Jahren im Bereich des Survey Feedback eine erhebliche Dynamik und zunehmende Diversifikation von Feedbackinstrumenten. Neben klassischen Ins- trumenten wie Mitarbeitendenbefragungen oder 360°-Feedback, kommen zunehmend weitere Befragungsansätze wie Pulsbefragungen, Em- ployee-Life-Cycle-Befragungen, z.B. Onboarding- und Exit-Befragungen oder Teamfeedback zum Einsatz (vgl. Müller & Straatmann, 2020; Rotolo, Fleck & Shepherd, 2020). Technologische Entwicklungen als Katalysator oder Ablenkung Diese Trends werden dabei vor allem durch tech- nologische Entwicklungen getrieben, die neue bzw. andere Möglichkeiten der Erhebung und Auswertung schaffen (Frieg & Hossiep, 2018; Kraut, 2020) und sich auf den gesamten Feed- backprozess vom Design, über die Erhebung, Be- richte und die Folgeprozesse auswirken. Dabei wachsen die Ansprüche über HR-gesteuerte Be- fragungen zu bestimmten Zeitpunkten hinaus in Richtung von bedarfsgesteuertem, kontinuierli- chem und sofort verfügbarem Feedback. Große Hoffnung wird auch in die Möglichkeiten der Datenintegration und -analyse gesetzt, um im Rahmen von „People Analytics“ ein umfas- senderes Verständnis erarbeiten zu können. Al- lerdings können die digitalen Möglichkeiten in der Umsetzung von Feedbackinstrumenten auch überfrachtend wirken und von den eigentlichen Herausforderungen von Feedback und Entwick- lungsprozessen ablenken. Das Kernproblem von „Feedbackprozessen“ ist, dass Feedback, oft ver- standen als „Datensammlung und Reporting“, häufig im Vordergrund steht und der Prozess des Handelns im Sinne von Verantwortlichkeit, Zeit und auch finanziellen Ressourcen weniger wirk- mächtig aufgestellt oder sogar gänzlich unter- spezifiziert ist. IT-Lösungen können hier grund- sätzlich unterstützen. Sie ersetzen aber nie das 48 HR Performance 2/2023

Feedbackmanagement Handeln und Entscheiden sowie die tatsächliche Umsetzung der Prozesse durch Menschen. Im schlimmsten Fall suggerieren und befördern sie eine Pseudofunktionalität und Gestaltungsillu- sion von eigentlich rudimentärem Handeln und schlechten Prozessen. Andere Organisations- und Steuerungskonzepte Ein zweiter wichtiger Treiber der Veränderung von Feedbackkonzepten ist ein sich veränderndes Verständnis von Organisations- und Steuerungs- konzepten. Klassischerweise werden Feedback- instrumente gemäß einer Datenorientierung mit der Intention eingesetzt, Probleme zu identifizie- ren und anschließend entsprechend eines Engi- neering-Ansatzes Lösungen zur kontinuierlichen Verbesserung zu generieren. Im Sinne der „neu- en Organisationsentwicklung“ (Church & Burke, 2017) ist aber vor allem die Schaffung von kollek- tivem Dialog, Diskurs und Reflexion die primäre Funktion von Feedbackinstrumenten. Da Organisationen sich in einem Umfeld bewe- gen, welches zunehmend komplexer, dynami- scher, kompetitiver und unsicherer wird, sehen sie sich mit einem immer schneller werdenden Wechsel zwischen unterschiedlichen Zielset- zungen konfrontiert, mit denen sie sich gleich- zeitig auseinandersetzen müssen und die oft in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen (z.B. Hahn & Knight, 2021; Smith & Lewis, 2011). In Anbetracht von Zielkonflikten und Komplexi- tät kommen klassische Organisations- und Steu- erungsmechanismen – wie z.B. die Definition von festen Strukturen, Plänen und Kontrolle – häufig an ihre Grenzen. Agilere Arbeitsformen sind eine mögliche Antwort zur Minderung dieser Heraus- forderungen. Aber auch diese sind in ihrer Funk- tionalität abhängig vom „Mindset“ der handeln- den Personen und auch von der Akzeptanz und Einbettung in den „Rest der Organisation“. Wer- den Prozesse und Strukturen in Organisationen stringent im Sinne komplexer dynamischer Sys- teme verstanden, hat dies zur Konsequenz, dass moderne Organisations- und Steuerungsmecha- nismen im Kern vor allem eine konstruktive Aus- einandersetzung mit Fragen der gemeinsamen Ausrichtung, Orientierung, Werte und Ziele för- dern und initiieren sollten. Denn mit zunehmen- der Komplexität und Widersprüchlichkeit gewin- nen Mechanismen gemeinsamer Sinngebung und die Entwicklung „geteilter mentaler Modelle“ (Cannon-Bowers et al., 1993) an Bedeutung. Ins- trumente zur erfolgreichen Initiierung und Or- ganisation von Dialog und Diskurs sind hierbei essenziell für eine zukunftsorientierte Weiterent- wicklung von Unternehmen und eine nachhaltige Förderung der Bindung der Mitarbeitenden. Ent- sprechend können Feedbackinstrumente im Sin- ne einer Dialogorientierung als wichtiger, wenn nicht zentraler Kanal des „Continuous Listening“ (Jolton & Klein, 2020) wirken und als Impulsgeber die Entwicklung von Teams und Organisationen unterstützen (Bushe & Marshak, 2009). In der Praxis sind viele Feedbackprozesse aller- dings vorwiegend von einem „Engineering-An- satz“ im Sinne einer Datenorientierung geprägt: 1. „Daten“ sammeln, 2. Problem identifizieren, 3. Maßnahmen ableiten, 4. Lösung erreichen. Häufig stößt dieser Prozess allerdings in Punkt 3 oder 4 auf klare Grenzen in der Umsetzbarkeit. Ein konkurrierendes und stärker an den Ideen der neuen Organisationsentwicklung ausgerichte- tes Verständnis von Feedbackprozessen ist, dass es vor dem Hintergrund hoher Komplexität häu- fig keine einfachen und eindeutigen Lösungen gibt. Perspektiven auf Probleme sowie Anforde- rungen und Dringlichkeiten unterscheiden sich deutlich zwischen den Akteur:innen innerhalb der Organisation. Ein wesentlicher Beitrag von Feed- backprozessen liegt in der Förderung eines ge- meinsamen Verständnisses von Rollen und An- forderungen, individuellen Arbeitswelten und Perspektiven. So können idealerweise „Einsich- ten“ entstehen, um schließlich eine gemeinsame Orientierung und Zielausrichtung zu entwickeln. In diesem Sinne folgt ein alternativer Feedback- prozess eher der Logik: 1. Unterschiedliche Pers- pektiven verdeutlichen, 2. Einsichten erzeugen, 3. „geteilte mentale Modelle“ fördern, 4. neue Aus- richtung und Dynamik erzeugen. Diese unterschiedlichen Perspektiven auf Feed- backprozesse haben wichtige Implikationen in Bezug auf die Anforderungen an sowie die kon- krete Ausgestaltung und Orchestrierung der ein- gesetzten Feedbackinstrumente. Befragungslandschaften zur Reduzierung von Wildwuchs und Redundanzen Um der Diversifikation von Feedbackinstrumen- ten und den unterschiedlichen Anforderungen an Feedback gerecht zu werden, ist die Etablierung einer systematischen Survey Feedback Land scape (Befragungslandschaft) hilfreich. Im Rahmen ei- ner Survey Feedback Landscape können Feed- backinstrumente gezielt organisiert werden, um zum einen im Sinne eines Engineering-Ansatzes relevante Daten zur strategischen Steuerung und das organisationale Reporting zu beschaffen und zum anderen im Sinne einer Dialogorientierung HR Performance 2/2023 49

Feedbackmanagement Es macht zum Beispiel nur sehr indirekt Sinn mit Fragen, die eigentlich die Steuerung der Gesamt- organisation betreffen, tatsächliche Veränderun- gen vor Ort in einzelnen Teams erreichen zu wol- len. Zu oft bleibt jedoch unklar, wer eigentlich auf welcher Ebene für die Arbeit an bestimmten The- men verantwortlich ist. Eine einfache und allge- meingültige Lösung gibt es hier nicht, da sich die Verantwortungszuschreibung für bestimmte The- men in Organisationen deutlich unterscheiden und auf unterschiedlichen Ebenen liegen kann. Hinzu kommt, dass das gleiche Thema durch die spezi- fische Formulierung in der Befragung auf ganz un- terschiedlichen Ebenen angesiedelt sein kann. So verortet beispielsweise zum Thema Weiterbildung die Formulierung „Meine direkte Führungskraft unterstützt aktiv die Weiterbildung von Mitarbei- tenden.“ die Verantwortlichkeit anders als zum Beispiel die Formulierung „Sind Sie insgesamt mit den Weiterbildungsangeboten in Ihrem Unterneh- men zufrieden?“ Bei vielen Themen und Formulie- rungen der klassischen Mitarbeitendenbefragung ist diese Passung von Thema und Owner entweder sehr vielschichtig, unklar oder gar diffus. Die Idee der Survey Feedback Landscape ist es, mit bestimmten Instrumenten in kompakter Wei- se auf spezifische Themen zu fokussieren und dabei orientiert am organisationalen Nutzen eine klare Zielsetzung und Verantwortlichkeit für die jeweiligen Feedbackinstrumente zu etablieren. Eine gute Passung zwischen Purpose, Owner und Topic kann den Wirkungsgrad der einzelnen Be- fragungen deutlich steigern, da die entsprechen- den Entscheidungs- und Handlungsspielräume der Owner bezüglich der adressierten Themen explizit in der Ausrichtung und Ausgestaltung der Feedbackinstrumente berücksichtigt werden. Typische Herausforderungen in der Praxis In der konkreten Umsetzung von Survey Feedback Landscapes ergeben sich aus praktischer Sicht allerdings oft typische Herausforderungen, die mit gezielten Maßnahmen überwunden werden können. Fehlendes ganzheitliches Konzept Die Einführung einer Survey Feedback Land scape kann den Anschein erwecken, dass plötzlich statt einer Befragung, viele unterschiedliche Feedback- instrumente zum Einsatz kommen und gemanagt werden müssen. Dabei bildet die Survey Feed- back Landscape in manchen Fällen nur ab, was bislang aus unterschiedlichen Bereichen sowie- so schon durchgeführt wurde. In anderen Fällen als Impuls für die Initiierung eines gemeinsamen konstruktiven Austausches eingesetzt zu werden. Ohne bewusste Planungen bergen der steigen- de Bedarf und die unterschiedlichen Zielsetzun- gen bzgl. Feedback eine deutliche Gefahr von un- kontrolliertem Wildwuchs und dem Aufbau von überflüssigen Redundanzen. Im Idealfall schaffen Survey Feedback Landscapes die in Organisatio- nen häufig dringend benötigte Transparenz und Klarheit in Bezug auf die Feedbackinstrumente. Ziel ist es, ein klares Verständnis der Hintergrün- de, Zwecke und Ausrichtung der einzelnen Feed- backinstrumente zu erreichen und einen syste- matischen Umgang zu etablieren. Dreiklang der Survey Feedback Landscape Gestaltung „Purpose – Topic – Owner“ In der Gestaltung von Survey Feedback Land- scapes und dem Design einzelner Feedbackinst- rumente sollten drei Aspekte besonders berück- sichtigt werden: Purpose (Ziel), Topic (Thema) und Owner (Entscheider:in/Verantwortliche:r). Purpose bezieht sich vor allem darauf, welches Ziel das Feedback hat. Warum wird das Feed- back benötigt? Werden Daten zur strategischen Steuerung im Sinne einer Datenorientierung ge- braucht? Oder gemäß einer Dialogorientierung Impulse zum Perspektivenabgleich und einer ge- meinsamen Neuausrichtung? Geht es um Fragen der Steuerung der Gesamtorganisation? Oder um die Ableitung von Maßnahmen und den Dialog auf lokaler Ebene? Diese spezifischen Zielsetzungen sollten dann durch die Auswahl entsprechender Themen für die Befragung abgebildet und unter- stützt werden. Für die Wirksamkeit ist es ent- scheidend, zu wissen, wer im Sinne eines Owners mit den Ergebnissen arbeiten kann und soll. Dabei müssen die Ressourcen und Entscheidungskom- petenzen, um an dem jeweiligen Thema etwas zu ändern, klar mitgedacht werden. 50 HR Performance 2/2023

Feedbackmanagement kann es sein, dass zusätzliche Feedbackinstru- mente aufgenommen werden. Dies kann schnell als Fragmentierung und Mehrbelastung wahr- genommen werden. Zudem birgt dies die Gefahr von entkoppelten Feedbackprozessen ohne klare Zielsetzung. Insbesondere dann, wenn kein sys- tematisches Gesamtkonzept erkennbar ist. Hier können durch eine konsequente Berücksichtigung der Passung zwischen Purpose, Topic und Owner in der Gestaltung der Feedbackinstrumente sowie deren Kommunikation wichtige Voraussetzungen für eine systematische und wirksame Umsetzung in der Organisation geschaffen werden. „Thinking in formats“ In der Gestaltung einzelner Feedbackinstrumen- te innerhalb der Survey Feedback Landscape wird häufig stark in spezifischen Formaten gedacht, ohne eine Ausrichtung am Bedarf der Organisa- tion vorzunehmen. So werden direkt innovative Erhebungsarten, Apps oder andere Tools fokus- siert, ohne deren Eignung zur Erreichung relevan- ter Ziele zu berücksichtigen. Werden zunächst die Passung von Purpose, Topics und Ownern in den Fokus gestellt und dann die technische Umset- zung geplant, wird sichergestellt, dass die Tech- nologie und der Prozess dem Bedarf folgen und nicht umgekehrt, der Bedarf und der Prozess der Technologie untergeordnet werden. „(Historische) Abhängigkeiten und verschiedene Feedbackbedarfe“ Insbesondere wenn bereits Feedbackinstrumente in der Organisation genutzt wurden, sind beste- hende Abhängigkeiten besonders zu berücksich- tigen. Zum einen birgt der gewohnte Umgang mit bereits bestehenden Feedbackinstrumenten Vor- teile. Zum anderen ist für viele die Vergleichbar- keit der Daten über die Zeit hinweg wichtig. Eine zusätzliche Relevanz kommt diesen historischen Abhängigkeiten dann zu, wenn die Feedbackins- trumente – wie etwa die Mitarbeitendenbefra- gung – in übergeordnete Kennzahlensysteme eingebettet sind. Darüber hinaus darf in der Ge- staltung nicht vergessen werden, dass organi- sationale Bereiche nicht unbedingt gleich offen oder befähigt sind, was den Einsatz moderner Feedbackinstrumente anbelangt. Diese Abhän- gigkeiten sollten in der Gestaltung als Ausdruck bestimmter Unterstützungsbedarfe berücksich- tigt werden. Bei Veränderungen gilt es die bishe- rigen Stakeholder einzubinden und aufzeigen, wie die bestehenden Feedbackbedarfe mit den neuen Ansätzen besser abgedeckt werden können. „Over-surveying“ und Befragungsmüdigkeit Die Auflösung größerer Befragungen in kleinere und agilere Instrumente kann zu einer Inflation von Befragungsinstrumenten führen. Sehen sich Mitarbeitende mit einer Flut von verschiedenen Befragungen zu unterschiedlichen Themen kon- frontiert, kann eine Befragungsmüdigkeit auftre- ten. Durch die Gesamtkoordination im Rahmen der Survey Feedback Landscape kann dies abge- mildert werden, insbesondere dann, wenn Fragen der Taktung und Befragungstiefe in die Planun- gen der Instrumente miteinfließen (z.B. wie sind die Instrumente zeitlich abgestimmt? Können HR Performance 2/2023 51

Feedbackmanagement auch Stichproben zum Einsatz kommen?). Zudem verdeutlicht auch der von Jolton und Klein (2020) berichtete hohe Zusammenhang (r=.7) zwischen der Wahrnehmung, dass Aktionen auf Basis der Befragung erfolgten und der Rücklaufquote, dass die Wirksamkeit von Feedback ein hoher Akzep- tanzfaktor ist und eher „Lack of Action“-Müdigkeit als Befragungsmüdigkeit auftritt. Fazit Mit einer konsequenten Ausrichtung an einem systematischen Gesamtkonzept kann solchen Herausforderungen schon in der Gestaltung ei- ner Survey Feedback Landscape begegnet wer- den. Wichtige Orientierungspunkte dabei sind der Bedarf für Feedback (Purpose), relevante The- men (Topics) und die sich daraus ergebende in- haltliche Fokussierung der Instrumente, sowie die flexiblere und agilere Gestaltung der Erhe- bungs- und Folgeformate. Schließlich gilt es Ver- antwortlichkeiten transparent zu gestalten (Ow- ner), Möglichkeiten zur Mitgestaltung zu schaffen und hierbei auf eine gute Passung zwischen die- sen drei Aspekten zu achten. Gelingt diese Neu- orchestrierung und interne Abstimmung der ver- schiedenen Feedbackinstrumente innerhalb einer Survey Feedback Landscape zu einem stimmigen Gesamtkonzept, so kann sie der Organisation be- darfsgerecht, flexibel, zeitnah und agil Einblicke in verschiedene Bereiche und Ebenen der Orga- nisation liefern, ohne gleich das ganze System zu belasten. Impulse zu spezifischen relevanten Themen bieten dabei die Möglichkeit, den Dia- log und die gemeinsame Neuausrichtung inner- halb der Organisation zu fördern und somit einen nachhaltigen Mehrwert zu schaffen. Referenzen Bushe, G. R., & Marshak, R. J. (2009). Revisioning organization development: Diagnostic and dialogic premises and patterns of practice. The Journal of Applied Behavioral Science, 45(3), 348–368. https://doi.org/10.1177/0021886309335070. Cannon-Bowers, J. A., Salas, E., & Converse, S. A. (1993). Shared mental models in expert team decision making. In N. J. Cas- tellan, Jr. (Ed.), Current issues in individual and group decision making (S. 221–246). Hillsdale, NJ: Erlbaum. Church, A. H., & Burke, W. W. (2017). Four Trends Shaping the Future of Organizations and Organization Development. OD PRACTITIONER, 49(3), 14–22. Frieg, P., Hossiep, G. R. (2018). Mitarbeiterbefragungen – bei den Unternehmen nach wie vor ein etablierter Klassiker. Wirt- schaftspsychologie Aktuell, 4, 13–16. Hahn, T., & Knight, E. (2021). The ontology of organizatio- nal paradox: A quantum approach. Academy of Manage- ment Review, 46(2), 362–384. https://doi.org/10.5465/ amr.2018.0408. Jolton, J. A., & Klein, C. (2020). Exploring the Universe of Pul- se Surveys and Continuous Listening Opportunities. In W. H. Macey, & A. A. Fink (Eds.), Employee Surveys and Sensing: Challenges and Opportunities (S. 53–67). New York: Socie- ty of Industrial and Organisational Psychology. https://doi. org/10.1093/oso/9780190939717.003.0004. Kraut, A. I. (2020). Employee Surveys Move into the Future: A Tale of Evolution, Revolution, and Speed Bumps. In W. H. Ma- cey, & A. A. Fink (Eds.), Employee Surveys and Sensing: Chal- lenges and Opportunities (S. 443–460). New York: Socie- ty of Industrial and Organisational Psychology. https://doi. org/10.1093/oso/9780190939717.003.0027. Müller, K., & Straatmann, T. (2020). Schöne neue Feedback- Welt?! Trends in der Gestaltung organisationaler Feedback- instrumente. HR Performance, 3 ,12–16. Rotolo, C. T., Fleck, C. R., & Shepherd, B. (2020). Current and Fu- ture Trends in Employee Survey Practice: A View from Em- ployee Survey Practitioners. In W. H. Macey, & A. A. Fink (Eds.), Employee Surveys and Sensing: Challenges and Op- portunities (S. 425–442). New York: Society of Industri- al and Organisational Psychology. https://doi.org/10.1093/ oso/9780190939717.003.0026. Smith, W. K., & Lewis, M. W. (2011). Toward a theory of paradox: A dynamic equilibrium model of organizing. Academy of Ma- nagement Review, 36(2), 381–403. https://doi.org/10.5465/ amr.2009.0223. DR. SVENJA SCHUMACHER, Post-Doc am Fachgebiet für Arbeits- und Organi- sationspsychologie der Universität Osnabrück, E-Mail: svenja.schuma- cher@uni-osnabrueck.de DR. TAMMO STRAATMANN, Universität Osnabrück, Post-Doc am Fachgebiet Arbeits- und Organisa- tionspsychologie, E-Mail: tammo.straatmann@ uni-osnabrueck.de DR. INGRID FEINSTEIN, Director Employee Research, Ipsos GmbH, E-Mail: ingrid.feinstein@ ipsos.com PROF. DR. KARSTEN MÜLLER, Universität Osnabrück, Leiter des Fachgebiets Arbeits- und Organisa- tionspsychologie, E-Mail: karsten.mueller@ uni-osnabrueck.de 52 HR Performance 2/2023

Feedbackmanagement Feedback sofort! So wächst die Leistungskraft aller Veränderungsbereitschaft und Adaptionsvermögen sind Kernkompetenzen der Zukunft. Zeitnahes Feedback ist dafür ein Muss. Nur in einer Kultur, in der jeder seine Meinung in alle Richtungen äußern darf, kann wirklich Großes gelingen. Vorstandsbeschluss! „Wir machen das jetzt wie bei Netflix“. Bei Netflix gibt man sich Feedback nicht nur immer, überall und sofort, sondern auch im Rahmen spezieller Feedback-Dinner mit dem kompletten Team. Dabei gibt jeder jedem am Tisch – also auch dem Chef – ein Live-Feed- back nach dem Muster: Fangen Sie an, hören Sie auf, fahren Sie fort. 1/4 positive Aussagen zu 3/4 Entwicklungsanregungen in Form von offenen, ehrlichen, spezifischen Hinweisen sind üblich. Allgemeinplätze, unangebrachte Bemerkungen, Höflichkeitsfloskeln und Einschmeicheleien sind dabei tabu. Sollte sich jemand im Ton vergreifen, bekommt er augenblicklich Feedback zum Feedback: „Hey, das ist nicht hilfreich.“ Bei Netflix funktioniert all das gut, weil deren Kultur darauf ausgerichtet ist, mit einer hohen Talentdichte Spitzenleistungen zu erzielen, ohne die Mitarbeitenden zu steuern und zu kontrollieren. Bei absoluter Transparenz bietet man ihnen dort einen Rahmen, in dem diese selbstorganisiert arbeiten, eigenverantwortlich handeln und dezentral entscheiden. Das macht das Unternehmen schnell, flexibel, erfolgreich – und hochinnovativ. Sicher gehen einige Netflixer mit Herzklopfen zu diesen Abendessen. Feedback kann schmerzlich sein. Top-Talente wissen aber auch: Lob ist Bal- sam für die Seele, doch noch wertvoller sind Hin- weise, die einem helfen, immer besser zu werden. HR Performance 2/2023 53

Feedbackmanagement Zudem wird man bei Netflix an die hohe Kunst eines guten Feedbacks sukzessive herangeführt. Dort gibt es Schulungsprogramme, in denen die Mitarbeitenden lernen und üben, Feedback res- pektvoll zu geben und wertschätzend anzuneh- men. immer noch Bei obigem Konzern hingegen, machthierarchisch aufgestellt, gab es all das nicht. Zwar fiel es den Ranghohen leicht, Feed- back „nach unten“ auszuteilen. Doch schon un- tereinander wurde es schwierig. Niemand will es sich ja mit seinen Kollegen verscherzen. Und von unten nach oben? Das klappte gar nicht. Kei- ner gibt seinem Chef knallhartes Feedback, wenn sein Fortkommen von dessen Wohlwollen abhän- gig ist. „Schwindelabend“ wurden die Veranstal- tungen intern genannt. So musste dieser Copy- cat-Vorstoß zwangsläufig scheitern. Man kann nicht einfach etwas von anderswo übernehmen, weil es dort funktioniert. Es muss zur eigenen Fir- menwelt passen. So macht man Feedback annehmbar Hochleistungssituationen entstehen dort, wo sich Menschen entschließen, voneinander und mitei- nander zu lernen, indem sie aktiv um Feedback bitten, Feedback respektvoll geben und dankbar annehmen. Solche Talente machen sich gegen- seitig besser, sodass die Leistungsfähigkeit aller wächst. Es entsteht eine Kultur der Selbstverant- wortung, die höchste Performance ermöglicht. So erschaffen Mitarbeitende bessere Lösungen und Das neue Buch der Autorin Anne M. Schüller Bahn frei für Übermorgengestalter 25 Quick Wins für Innovatoren und Zukunftsversteher Gabal Verlag 2022, 216 Seiten, 24,90 Euro ISBN: 978-3967390933 54 HR Performance 2/2023 ziehen damit bessere Kunden an. Zudem steigt die Attraktivität für weitere Top-Talente, wodurch sich die Talentdichte erhöht – und die Innovati- onskraft zunehmend steigt. Gutes Feedback kann aber nur dann wirksam werden, wenn es annehmbar ist. Deshalb beginnt der Feedback-Prozess am besten mit einer Frage, etwa so: „Bist du offen für einen Hinweis?“ Beim Feedbackgeben gilt darüber hinaus: Das Feedback-Ziel ist die Unterstützung Der Geber muss mit dem Feedback positive Ab- sichten verfolgen. Bösartige Rückmeldungen, die absichtlich verletzen, beleidigen oder herabset- zen sollen, sind nicht erlaubt. Das Selbstwertge- fühl einer Person muss intakt bleiben, damit sie das Feedback annehmen kann. Deshalb sind re- spektvolle Worte, die die Sicht des Gegenübers sachte erweitern, überaus wichtig. Auch eine Be- gründung ist hilfreich: „Ich gebe dir diese Rück- meldung, weil ich besorgt bin, dass ...“ Das Ganze soll die Person und damit auch die Firma weiter- bringen. Im Mittelpunkt steht der praktische Nutzen Ein gelungenes Feedback ist konstruktiv und kon- kret. Es muss sich auf die Dinge konzentrieren, die der Empfänger tatsächlich ändern kann. Es stützt sich auf Beobachtungen, nennt also nie- mals Vermutungen. Der Sachverhalt wird aus der Eigensicht heraus geschildert („Mir ist aufgefal- len, dass …“ oder: „Ich erlebe es so, dass …“). Zu- dem sollen die Auswirkungen beleuchtet wer- den („Das hat dazu geführt, dass …“). Womöglich spricht man eine Verhaltensalternative an („Was ich mir vorstellen könnte …“). Nachdem alles ge- sagt ist, fragt man zum Schluss: „Du nimmst mir auch wirklich nicht übel, dass ich so offen zu dir war?“ Niemand wird hier Nein sagen können – und alles ist gut. Übrigens: Nichts ist schlimmer als eine oberleh- rerhafte Belehrung oder jemand, der ständig her- ausstellt, um wie viel besser er es selbst gemacht hätte. Vielmehr gilt: Wer im Zuge solcher Gesprä- che niemanden abkanzelt und entwürdigt, son- dern wohlwollend und achtsam den Blick seines Gesprächspartners nach vorne richtet, fördert nicht nur dessen Selbstachtung, sondern auch Änderungsbereitschaft und Akzeptanz. Auch positives Feedback ist wichtig Unmittelbares Feedback gibt Orientierung. Des- halb gilt: Feedback sofort! Dann kann es auch sofort seine Wirkung entfalten. Im unternehme- rischen Alltag ist dies elementar – und für die

Feedbackmanagement Internet-Generation längst selbstverständlich. Jedes „Like“ im Social Web ist wie ein virtuelles Schulterklopfen. Auch bei Online-Games wird man für vollbrachte Spielleistungen postwen- dend belohnt: mit Fortschrittsbalken, Status-Up- grades und so fort. Das macht süchtig nach mehr. Und zudem: Menschen verstärken Verhalten, für das sie eine positive Rückmeldung erhalten. „Instant Feedback“ kann jeder geben. Dazu braucht es keine offizielle Feedback-App, wie man sie jetzt in immer mehr Unternehmen findet. Wenn etwas formal vorgegeben wird, wirkt das immer erzwungen. Ein kleiner persönlicher Dank via Whatsapp & Co., ein handgeschriebenes „Pri- ma gemacht“-Post-it auf dem Kanban Board oder ein Daumen-hoch-Schild während des Online- Meetings, so was wirkt oft sehr viel besser. Wir brauchen die Resonanz anderer Menschen, um ein Gefühl für die eigene Identität zu bekom- men. Deshalb ist auch positives Feedback ele- mentar. Es sorgt als Verstärker dafür, dass ein erwünschtes Verhalten fortgesetzt wird. Bekom- men wir keines, fangen wir an, herumzueiern, probieren mal dieses, mal jenes, um doch noch eine Reaktion zu ergattern. Anstrengungen müs- sen lohnenswert sein, sonst schaltet unser Ge- hirn den Energiesparmodus ein. Wer keine An- erkennung ausdrücken und nicht wertschätzend loben kann, wird feststellen, dass es in seinem Umfeld bald nichts mehr zu loben gibt. So macht man das Beste aus Feedback Top-Mitarbeitende sind auch deshalb stabil, ro- bust und souverän, weil sie Feedback intensiv nutzen, um stetig besser zu werden, selbst dann, wenn das schmerzt. Ergo: Feedback ist ein Ge- schenk, und so sollte es auch angenommen wer- den. Dabei gilt: Angemessene Wertschätzung Kritik kann dazu führen, dass man sich rechtferti- gen will, die Schuld bei anderen sucht oder in die Opferrolle schlüpft, um sein Ansehen zu schüt- zen. Das bringt niemanden weiter. Feedback ist keine Attacke, sondern eine Gelegenheit, die ei- nem hilft, sein Vorgehen zu optimieren. Insofern gilt: konzentriert hinhören, Wertschätzung für das Gesagte zeigen, sich für den Hinweis bedan- ken. Akzeptieren oder ablehnen Wer Feedback erhält, sollte ernsthaft versuchen, davon zu profitieren, etwa so: „Oh, danke, dar- an hatte ich gar nicht gedacht.“ Oder so: „Du hast recht. Feedback angenommen.“ Oder, wenn es ei- nen trifft: „Danke, ich möchte ganz in Ruhe dar- über nachdenken.“ Doch niemand ist verpflichtet, sich nach den Empfehlungen des Gebers zu rich- ten. Folgt man dessen Hinweisen, ist es allerdings gut, ihm/ihr das zu sagen. So kommt dann sicher öfter ein Hinweis, der einen weiterbringt. „Würdigend hinhören, nicht rechtfertigen, dan- kend annehmen“, so lautet das Mantra, wenn Feedback kommt. Nur wenn man innerlich offen ist, kann Feedback wirken. ANNE M. SCHÜLLER ist Diplom-Betriebswirt, Managementdenker, Keynote-Speaker, preis- gekrönte Bestsellerau- torin und Businesscoach, www.anneschueller.de. HR Performance 2/2023 55

Recruiting Advertorial Innovationsfreude braucht qualifizierte Mitarbeiter HANS KOLB Wellpappe modernisiert Bewerbermanagement mit MHMeRECRUITING. Innovationsfreude und dynamisches Wachstum prägen die Erfolgsgeschichte von HANS KOLB Wellpappe. Der Personal- bedarf an den sechs Standorten ist hoch. Bis 2020 wurde das Bewerbermanagement manuell abgewickelt. Mit der Einfüh- rung von MHMeRECRUITING wurden die Abläufe rund um das Bewerbermanagement digitalisiert. Das hat die Vorgänge zur Besetzung von Arbeitsstellen optimiert und transparenter gemacht. Die HANS KOLB Unternehmensgruppe entwickelt und produ- ziert auf der Basis von Wellpappe eine breite Palette von Ver- packungen. Derzeit arbeiten für die Unternehmensgruppe rund 1.200 „Kolbianer“ in den unterschiedlichsten Positionen. Da- von befinden sich etwa 60 in der Ausbildung. „Mit qualifizierten Mitarbeitern steht und fällt der Erfolg des Unternehmens“, sagt Horst Varschen, Personalleiter und Prokurist bei HANS KOLB Wellpappe. „Deshalb hat der Bereich HR bei uns einen sehr ho- hen Stellenwert.“ Um bereits in der Bewerbungsphase seine Wertschätzung für qualifiziertes Fachpersonal auszudrücken und das Bewerber- management zu modernisieren, wollte HANS KOLB Wellpappe diesen Bereich durch ein E-Recruiting-System und digitalisier- te Prozesse optimieren. Neue Standorte sowie der Wechsel von einem Zwei- auf einen Dreischichtenbetrieb haben den Per- sonalbedarf bei HANS KOLB Wellpappe erhöht. Die natürliche Fluktuation sowie Rentenabgänge taten das Übrige. Analoge Bewerbermappe ade Das Bewerbungsverfahren des Unternehmens basierte bis dato auf der klassischen Bewerbermappe, die meist per Post Horst Varschen, Personalleiter und Prokurist bei HANS KOLB Wellpappe 56 HR Performance 2/2023 einging. Hinzu kamen vermehrt digitale Bewerbungen per E-Mail. Nicht immer gingen die Unterlagen bei der zentralen Personalabteilung in Memmingen ein. Die Weiterleitung an das dreizehnköpfige HR-Team in der Firmenzentrale verzögerte sich teilweise erheblich. Ein zeitaufwendiger Prozess war auch die Sichtung der Bewer- bungen, um sie an die Fachabteilungen weiterzuleiten. Eine transparente Nachverfolgung über den aktuellen Stand des Bewerbungsprozesses war nicht möglich. So mancher attrak- tive Kandidat für eine ausgeschriebene Stelle musste lange auf eine Antwort warten – und sagte in der Folge einem ande- ren Arbeitgeber zu. „So wollten wir nicht länger arbeiten und dachten deshalb daran, ein digitales System mit produktiveren Prozessen einzuführen“, erinnert sich Daniel Habermeier, Per- sonalleiter gewerbliche Mitarbeiter bei HANS KOLB Wellpappe. Transparenz und Automatisierung auf der Wunschliste Gesucht wurde daher eine digitale Lösung für das Bewerber- management. Ein besonderes Augenmerk lag auf den recht- lichen Rahmenbedingungen und der Datenschutz-Thematik. Zudem sollte es die Lösung ermöglichen, Bewerbungen zent- ral zu verwalten, die Eingangsbestätigungen umgehend zu ver- senden und dabei gleichzeitig auf die Datenschutzrichtlinien hinzuweisen. Die Berechtigungen für den Zugriff auf die Be- werberdaten sollten nicht nur die Führungskräfte und Fachab- teilungen, sondern auch den Betriebsrat in den Entscheidungs- ablauf einbinden.

Ganz oben auf der Anforderungsliste stand die einfache Be- dienbarkeit der Lösung. Darüber hinaus sollten Schnittstel- len zu den vorhandenen HR-Systemen möglich sein. Wichtig war es für die KOLB Group auch, dass die Recruiting-Software auf unterschiedlichen mobilen Endgeräten eingesetzt werden kann. „Wir wollten den Entscheidern ermöglichen, eine Bewer- bung mit einer App jederzeit anzusehen und darauf zu reagie- ren“, erläutert Varschen. Blitzstart für digitales Bewerbermanagement Nach einem kurzen Auswahlverfahren ging der Zuschlag An- fang 2020 an MHMeRECRUITING. Insbesondere überzeugten die Kompetenz des Projektteams von MHM HR, der Zeitplan und das Preis-/Leistungsverhältnis. Bereits in der zweiten Ja- nuarhälfte 2020 wurde die Software implementiert. Nach eini- gen individuellen Anpassungen und Schulungen startete nach nur knapp acht Wochen der Live-Betrieb. Eines der wichtigsten Tools ist für das Unternehmen das inte- grierte CV-Parsing von MHMeRECRUITING. Damit lassen sich Lebensläufe und komplette Bewerbungsunterlagen effizient verarbeiten. Die Anwendung extrahiert aus den Bewerberun- terlagen automatisch alle relevanten Informationen und legt sie an der richtigen Stelle im Bewerbermanagementsystem ab. So entsteht ein strukturiertes digitales Kandidatenprofil. Ent- scheider haben dadurch einen direkten Blick auf ein Bewerber- profil, ohne alle Dokumente sichten zu müssen. MHM Multiposting ist ebenfalls im Einsatz. Dieses Standard- Modul der E-Recruiting-Lösung wurde individuell an die An- forderungen von HANS KOLB Wellpappe angepasst und sorgt automatisch dafür, dass Stellenausschreibungen von der Kar- riereseite des Unternehmens direkt in relevante Stellenportale übertragen werden. An das Modul sind im Moment circa 1.300 Kanäle angebunden, aus denen Recruiter mit Unterstützung des Systems auswählen können. Um auch den regionalen Arbeits- markt abzudecken, wurden für HANS KOLB Wellpappe zusätz- liche Schnittstellen zu regionalen Stellenportalen eingerichtet. Geben Bewerber ihre Zustimmung, wandern die Daten von zu- nächst abgelehnten Interessenten außerdem in den Talent- Recruiting Pool von MHMeRECRUITING. Diese Datenbank lässt sich bei entsprechendem Bedarf nach den notwendigen Bewerber- Skills durchsuchen. Automatisierung macht den Prozessen Dampf Heute profitiert HANS KOLB Wellpappe von einem digitalen Be- werbermanagement, das viele Prozesse automatisiert. So ist jedes Stellenprofil, das es im Unternehmen gibt, als Vorlage er- fasst. Kündigt ein Mitarbeiter, kann anhand des vorhandenen Profils innerhalb weniger Minuten eine Stellenausschreibung angefertigt und veröffentlicht werden. „Und das auf allen Ka- nälen, die ich mir vorstellen kann“, freut sich Daniel Habermei- er. „So können wir schneller und ohne großen administrativen Aufwand auf Fluktuation oder notwendige Nachbesetzungen reagieren.“ Die Webanwendung ist zudem responsiv entwickelt und lässt sich somit einfach auf dem Smartphone bedienen. Dokumente passen sich der jeweiligen Plattform an und lassen sich ohne Verzerrung zum Beispiel auf dem Smartphone ansehen und be- arbeiten. „Die Benutzeroberfläche ist sehr anwenderfreundlich zu handhaben. Dadurch kann das System auch problemlos von weniger technik-affinen Entscheidern eingesetzt werden“, so Varschen. Viel Lob gibt es von HANS KOLB Wellpappe auch für die Art und Weise, wie MHM HR Systemupdates handhabt. Diese werden automatisch und regelmäßig eingespielt. Ein Klick auf das Hin- weissignal zeigt Nutzern im Anschluss, was angepasst wurde und was sich wie verändert hat. „Das ist bei anderen Software- Programmen bei Weitem nicht so transparent und funktioniert auch nicht so problemlos“, erklärt Habermeier. Generell hat die Einführung von MHMeRECRUITING die Prozes- se rund um das Bewerbermanagement automatisiert und er- heblich beschleunigt. Daten stehen heute mit wenigen Klicks auf jedem Endgerät zur Verfügung. Von den transparenten Ab- läufen profitieren Bewerber und das Unternehmen gleicherma- ßen. Daniel Habermeier, Personalleiter gewerbliche Mitarbeiter bei HANS KOLB Wellpappe QUELLE: MHM HR GmbH HR Performance 2/2023 57

Recruiting Akzeptanz und Einsatz von KI im Recruiting Eine Untersuchung auf Basis einer Breitenbefragung Technologischer Fortschritt, Digitalisierung, in- ternationale Verflechtungen und der anhaltende Fachkräftemangel stellen Unternehmen und Per- sonalabteilungen vor immer größere Herausfor- derungen. Diese Megatrends führen dazu, dass der Arbeitsmarkt sich seit geraumer Zeit zu ei- nem Arbeitnehmermarkt entwickelt hat. Die Kon- sequenz dieser Entwicklung ist ein internationa- ler Wettbewerb um die besten Talente (Becker & Becker 2021, S. 154). Die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter:innen wird aufwendiger und erfor- dert daher effektive und effiziente Personalpro- zesse. In diesem Kontext ermöglichen moderne technologische Verfahren, die auf der Zuhilfenah- me von künstlicher Intelligenz (KI) basieren, neue Wege und Arten der Personalgewinnung. Da sol- che Mittel inzwischen zahlreich und damit auch kostengünstiger vorhanden sind, setzen immer mehr Unternehmen KI im Rahmen ihrer Recrui- tingaktivitäten ein. Gemäß einer repräsentativen Befragung von mehr als 600 Unternehmen aller Branchen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom verwenden bereits 21 Prozent der befragten Un- ternehmen KI in der Personalabteilung, etwa zur Vorauswahl von Bewerber:innen (Bitkom 2021). Wenngleich KI den Recruiting-Prozess beschleu- nigt, automatisiert und modernisiert, findet ihr Einsatz in der Personalgewinnung nicht unbe- dingt die wohlwollende Zustimmung der Bewer- ber:innen. In diesem Artikel werden daher die Vor- teile von KI im Recruiting für Unternehmen der Akzeptanz aus Bewerber:innensicht gegenüber- gestellt. Grundlage dieser Überlegungen ist die 58 HR Performance 2/2023

Recruiting nen auf der Grundlage von objektiven Kriteri- en auswählen und bewerten. Voraussetzung ist jedoch, dass die KI entsprechend program- miert wurde und die zur Verfügung gestellten Daten nicht einseitig manipuliert wurden. 3. Effizienzsteigerung: KI-Systeme sind in der Lage, große Mengen an Daten effektiv zu ver- arbeiten und Bewerber:innen, die den Anforde- rungen des Stellenprofils entsprechen, schnel- ler zu identifizieren. Diese Automatisierung beschleunigt nicht nur den Rekrutierungspro- zess, sondern erhöht auch seine Effizienz. 4. Entscheidungsunterstützung: KI-Systeme kön- nen auf Grundlage der Analyse von Bewerbungs- daten individuelle Prognosen der Leistung po- tenzieller Mitarbeiter:innen erstellen und damit die Auswahlentscheidung erleichtern. KI im Recruiting aus Sicht der Bewerber:innen Jüngste Forschungsergebnisse belegen diverse akzeptanzhemmende Vorbehalte und Unsicher- heiten aufseiten der Bewerber:innen hinsichtlich der Nutzung von KI im Rahmen des Bewerbungs- und Evaluationsprozesses. Diese lassen sich ins- besondere auf Risiken im Bereich der Transparenz und der Kontrolle über den Prozess zurückführen. Bewerber:innen wünschen sich mehr Informa- tionen über den Bewerbungsprozess, ihre An- sprechpartner:innen sowie die Entscheidungsträ- ger:innen und darüber mit welchen Mitteln und Maßnahmen ihre Bewerbung und Leistung be- wertet werden. Daraus ergeben sich die folgen- den Kritikpunkte: 1. Mangel an Transparenz: Soweit KI im Be- werbungsprozess verwendet wird, sollte es transparent kommuniziert werden. Anderen- falls besteht das Risiko, dass Bewerber:innen den Prozess als unfair empfinden, wenn sie im quantitative Studie „KI im Recruiting“ der IU In- ternationale Hochschule (2022). Sie hat gezeigt, dass die Wahrnehmung und Akzeptanz von KI im Recruiting von verschiedenen soziodemografi- schen Daten sowie dem Zeitpunkt ihres Einsatzes im Recruiting-Prozess beeinflusst wird. KI im Recruiting aus Unternehmenssicht Zwei wichtige Faktoren, um dem Wandel des Ar- beitsmarktes von einem Arbeitgeber- hin zu ei- nem Arbeitnehmermarkt zu begegnen, besteht in einer attraktiven Arbeitgebermarke mit gezielter Beschreibung des Unternehmens-USP und einer positiven Candidate Experience, durch die sich Unternehmen von ihrer Konkurrenz abheben. Die „Candidate Experience beschreibt das indivi- duelle Erleben von Rekrutierungsprozessen bei einem potenziellen Arbeitgeber durch den jewei- ligen Bewerber (Athanas & Wald, 2014, S. 5)“. Sie „bezeichnet den Gesamteindruck, den ein poten- zieller Bewerber (…) vom potenziellen Arbeitge- ber erhält. Es geht dabei um das individuelle Erle- ben in einem Bewerbungs- und Auswahlprozess an allen direkten und indirekten Kontaktpunkten mit dem Unternehmen (Verhoeven, 2016, S. 12)“. Im Vordergrund einer positiven Candidate Expe- rience steht demnach das Ziel, die Chance zu er- höhen, passende Bewerber:innen für sich zu ge- winnen. KI kann dazu beitragen, die Candidate Experien- ce positiv zu beeinflussen, weil sie Recruitingpro- zesse beschleunigt, die Effizienz erhöht und da- mit die Wahrnehmung des Bewerbungsprozesses aufseiten der Bewerber:innen verbessert. Damit wird ihnen das Gefühl vermittelt, dass der Recrui- tingprozess auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und auf Augenhöhe gestaltet ist (Athanas, 2020, S. 64-66). Konkret bietet KI aus Sicht der Unternehmen fol- gende Vorteile (Lederer et al., 2021, S. 47 ff.): 1. Zeitersparnis: Mittels KI-Systemen kann eine Vielzahl an Aufgaben im Recruiting automati- siert werden, wie beispielsweise das Durchsu- chen von Lebensläufen, das Filtern von Bewer- ber:innen und die Terminierung von Interviews. Dadurch sparen Personalabteilungen Zeit und können sich auf andere Aufgaben konzentrie- ren. 2. Gleichbehandlung: KI-Systeme können helfen, die Diversität der Belegschaft zu erhöhen und Vorurteile und Diskriminierung bei der Rekru- tierung zu vermeiden, indem sie Bewerber:in- HR Performance 2/2023 59

Recruiting Nachgang von ihrem Einsatz erfahren. (Gier- mindl et al., 2021). 2. Kontrollverlust: Angesichts eines wahrge- nommenen Mangels an Transparenz bzgl. des Einsatzes von KI erhalten Bewerber:innen möglicherweise den Eindruck, dass ihr Einfluss auf den Erfolg ihrer Bewerbung bei einem Ein- satz von KI eingeschränkt ist (Meijerink & Bon- darouk, 2023). 3. Diskriminierung: Die neuere Literatur weist auf das Problem der Verzerrung durch Algo- rithmen und die Wahrnehmung der Bewer- ber:innen hin, die zu einer Beeinträchtigung der Verfahrensgerechtigkeit der Bewertung führt (Newman et al., 2020). Mehrere Beispiele aus der Praxis zeigen, wie Algorithmen, die zur Be- wertung von Bewerber:innen entwickelt wur- den, unbeabsichtigt mit Datensätzen trainiert wurden, die zur Diskriminierung von bestimm- ten demografischen Gruppen (Lambrecht & Tucker, 2019) oder ethnischen Minderheiten führten (Kiemde & Kora, 2020). Eine in dieser Hinsicht fehlerhaft trainierte KI hat einseitige oder verzerrte Entscheidungen zur Folge, die sich negativ auf die Vielfalt innerhalb der Orga- nisation auswirken (Köchling & Wehner, 2020). Die empirische Untersuchung der IU Internationa- le Hochschule „KI im Recruiting“ unterstreicht die zuvor beschriebenen Kritikpunkte und die ambi- valente Wahrnehmung und Bewertung von KI im Recruitingprozess aus Sicht der Bewerber:innen. So werden neben erkannten Vorteilen auch Nach- teile in Folge systematischer Unzulänglichkeiten befürchtet. Aus Sicht der Bewerber:innen stellt sich KI im Recruitingprozess als vorteilhaft dar, wenn KI wie oben gezeigt dazu führt, den Prozess Abbildung 1: Einstellung zum Einsatz von KI im Recruiting-Prozess [IU Internationale Hochschule, 2022, S. 10–11] 60 HR Performance 2/2023 der Bewerbung und Einstellung zu beschleunigen. KI-Systeme können auch dabei helfen, den Be- werbungsprozess für Bewerber:innen einfacher, benutzerfreundlicher und gerechter zu gestalten, wenn KI-Entscheidungen konsequent anhand fai- rer Kriterien getroffen werden. Auf der anderen Seite befürchten Bewerber:in- nen, dass KI-Systeme nicht in der Lage sind, die individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen der Bewerber:innen vollständig zu erfassen oder zu berücksichtigen. Ebenso sehen Bewerber:innen die Gefahr von systematischen Fehlern in der An- wendung von Algorithmen, die dazu führen, dass geeignete Bewerber:innen übersehen werden, während weniger geeignete Bewerber:innen wei- terverfolgt werden. Ergebnisse der Breitenbefragung Der Einsatz von KI im Recruiting ist immer noch kontrovers diskutiert. Da die Mehrheit der Stu- dien die Vorteile von KI im Recruitingprozess aus Unternehmenssicht darstellen, wurde für einen ersten Überblick ein Marktforschungsansatz gewählt und anhand einer nach Alter und Ge- schlecht repräsentativen Breitenbefragung un- ter 1.005 Teilnehmern im Alter zwischen 16 und 65 Jahren im Oktober/November 2021 explizit die Akzeptanz von KI im Recruiting seitens der Be- werber:innen untersucht, die statistisch-deskrip- tiv ausgewertet wurde (IU Internationale Hoch- schule 2022). Die Mehrheit der Befragten, fast zwei Drittel (64,7 %), stehen dem Einsatz von KI im Recrui- ting ablehnend gegenüber. Bei der Frage, welche Assoziationen mit KI im Recruiting verbunden werden, geben 65,2 % an, negative Emotionen zu haben, die von „unpersönlich“, „skeptisch“ bis „Angst“ reichen. Lediglich 22,7 % der Befragten haben positive Assoziationen und verbinden mit KI im Recruiting Aspekte wie „interessant“, „gut“, „Schnelligkeit“ und „Zukunft“. Unter denjenigen (35,3 %), die der Anwendung von KI im Recruiting positiv gegenüberstehen, fallen Unterschiede hinsichtlich Bildung und Her- kunft auf (siehe Abbildung 1): Je höher der Bil- dungsabschluss, desto positiver die Haltung. Befragte mit Migrationshintergrund zeigen sich deutlich offener gegenüber KI als Befragte ohne Migrationshintergrund. Auch andere Studien (Gillespie 2023) weisen da- rauf hin, dass die jüngeren Generationen sowie Kanditaten:innen mit einem Hochschulabschluss KI generell positiver gegenüber stehen, ihr mehr

Recruiting Vertrauen entgegenbringen und es bereits häufi- ger sowohl im Studium als auch im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten nutzen. Gillespie (2023) spricht in diesem Zusammenhang von einem Wis- senspfad, der das Verständnis der Menschen für den Einsatz von KI und ihrer Wirksamkeit bei der Nutzung digitaler Technologien widerspiegelt. ab. KI wird eher akzeptiert, wenn sie eingesetzt wird, um Routineaufgaben zu ergänzen und zu automatisieren. Allerdings ist die Skepsis gegen- über KI höher, wenn sie als Grundlage für das Re- cruiting und allgemein für das Treffen von per- sonalgebundenen Entscheidungen genutzt wird (Gillespie 2023). Ein möglicher Grund für die höhere Akzeptanz von KI im Recruitingprozess durch Personen mit Mig- rationshintergrund mag darin liegen, dass sie die Anwendung von KI als Chance auffassen, das Risi- ko einer möglichen Diskriminierung aufgrund von Faktoren wie Herkunft, Alter oder Geschlecht zu verringern oder gänzlich zu verhindern. Die Befragungsergebnisse zeigen jedoch, dass es bei der Akzeptanz von KI im Recruitingprozess eine Spannung zwischen Vertrauen und Miss- trauen gibt. Obwohl die Unpersönlichkeit von KI für viele Befragte generell als größter Nach- teil empfunden wird und drei Viertel der Teil- nehmer:innen den menschlichen Faktor vermis- sen, sehen mehr als die Hälfte der Befragten den menschlichen Faktor auch als Risiko an. Denn menschliches Versagen oder gar Manipulation könnte für Fehler in der Programmierung von KI verantwortlich sein. Die Studie zeigt aber auch deutlich, dass der Ein- satz von KI umso stärker abgelehnt wird, je weiter die Kandidat:innen im Bewerbungsprozess vor- anschreiten (Abbildung 2). Während der Einsatz von KI in einer frühen Phase des Bewerbungspro- zesses – etwa bei der Verfassung von Stellenan- zeigen, der Kommunikation mit Chatbots zur Be- antwortung erster Fragen oder der Analyse von Bewerbungsunterlagen – von der Mehrheit der Befragten noch akzeptiert oder sogar befürwor- tet wird, findet KI zum Zeitpunkt der Durchfüh- rung oder Analyse von Bewerbungsgesprächen weniger Akzeptanz. In dieser Phase des Bewer- bungsprozesses wünschen sich mehr als 70 Pro- zent der Befragten, dass KI von Menschen über- wacht wird und die Auswahlentscheidung von Personalmanager:innen oder zukünftigen Mana- ger:innen getroffen und nicht der KI überlassen wird. Für die Befragten scheint der menschliche Faktor demnach ein wesentlicher Bestandteil einer po- sitiven Candidate Experience zu sein. Die Gründe liegen in dem geringen Vertrauen in die Entschei- dungen, die von KI getroffen werden (65,2%), so- wie der geringeren persönlichen Wertschätzung gegenüber Bewerber:innen (80,5 %). Die Einstel- lung und das Vertrauen gegenüber KI ist also kon- textabhängig und hängt vom Einsatzzweck der KI Obwohl die große Mehrheit der Befragten (63,3 %) in Zukunft von einem vermehrten Einsatz von KI im Recruitingprozess ausgeht, scheinen die meisten dieser Entwicklung skeptisch gegen- überzustehen. Dies mag auch damit zusammen- hängen, dass Bewerber:innen oft nicht bewusst ist, ob und wann sie im Rahmen ihrer Bewer- bungsphase mit KI in Kontakt kommen. So sind manche KI-Anwendungen für die Bewerber:innen offensichtlich, wie z.B. im Falle eines Einsatzes von Chatbots, die Fragen von Bewerber:innen be- antworten oder die Aufforderung zur Eingabe des Lebenslaufes in eine Maske an die Bewerber:in- nen stellen. Oftmals wissen Bewerber:innen al- lerdings auch nicht, inwieweit ihre Bewerbungen oder Informationen anhand oder mit Unterstüt- zung von KI verarbeitet oder ausgewertet wer- den. Deshalb verwundert es nicht, dass neun von zehn Befragten angeben, dass sie noch keine be- wusste Erfahrung mit KI in einem Bewerbungs- prozess gemacht haben. Fazit KI ist bereits im Personalbereich angekommen und wird auch in Zukunft verstärkt im Rahmen des Recruiting-Prozesses eingesetzt werden. Ziel für Unternehmen muss es sein, die Chancen und Möglichkeiten, die diese Technologien bieten, zu nutzen und gleichzeitig die wahrgenommenen Ri- siken zu minimieren. Abbildung 2: Je tiefer im Bewerbungsprozess, desto eher wird KI abgelehnt [IU Internationale Hochschule, 2022, S. 16]. HR Performance 2/2023 61

Recruiting Im globalen Wettbewerb um die besten Talente kann KI zu einem effizienteren und erfolgreiche- ren Recruitingprozess beitragen. KI kann helfen, unvoreingenommene und Bias-freie Entschei- dungen zu treffen und damit den Pool an Be- werber:innen und die Diversität der Belegschaft zu erhöhen. Allerdings birgt der Einsatz von KI auch Risiken und Bewerber:innen scheinen dieser Technologie grundsätzlich noch skeptisch gegen- überzustehen. Menschen schätzen menschliche Werte – auch und gerade in Bewerbungsprozes- sen. Für die Befragten sind insbesondere Ehr- lichkeit, ein offener Umgang mit KI und ein wert- schätzender menschlicher Kontakt wichtig. Für den Bewerbungsprozess bedeutet dies, dass ins- besondere ein:e feste:r Ansprechpartner:in sehr geschätzt wird und Vertrauen, auch in Hinblick auf die Nutzung von KI, geben kann. Mehrheitlich wird der Einsatz von KI am Arbeits- platz zur Ergänzung und Automatisierung von Routineaufgaben akzeptiert und sogar geschätzt, allerdings scheint es aus Sicht der Bewerber:in- nen essenziell, dass die letzte Entscheidung und insbesondere die Kontrolle in der Hand von Men- schen liegt. Literatur Athanas, C. (2020). Candidate Journey: Schlüssel zum Recruitin- gerfolg. BankInformation, 07(20), 64–67. Athanas, C. & Wald, P. M. (2014). Candidate Experience Studie. https://www.metahr.de/studien/Candidate_Experience_ Studie_2014.pdf. Becker, M. & Becker, A. (2021). Personalwirtschaft: Lehrbuch für Studium und Praxis (2. Auflage). Schäffer-Poeschel. Bitkom (2021): Künstliche Intelligenz kommt in Unternehmen allmählich voran. https://www.bitkom.org/Presse/Presse- information/Kuenstliche-Intelligenz-kommt-in-Unterneh- men-allmaehlich-voran Giermindl, L. M., Strich, F., Christ, O., Leicht-Deobald, U., Redze- pi, A., Mikalef, P., Popovic, A., Lundström, J. E., & Conboy, K. (2021). The dark sides of people analytics: reviewing the pe- rils for organisations and employees. European Journal of In- formation Systems, 31(3), 410–435. Gillespie, N., Lockey, S., Curtis, C., Pool, J., & Akbari, A. (2023). Trust in Artificial Intelligence: A Global Study. The University of Queensland and KPMG Australia. 10.14264/00d3c94 IU Internationale Hochschule (2022): KI im Recruiting: Emo- tionen, Ansichten, Erwartungen. https://static.iu.de/stu- dies/202203_KI_im_Recruiting_Whitepaper.pdf Kiemde, S. M. A., & Kora, A. D. (2020). Fairness of Machine Lear- ning Algorithms for the Black Community. International Sym- posium on Technology and Society, Proceedings, 373–377. Köchling, A., & Wehner, M. C. (2020). Discriminated by an algo- rithm: a systematic review of discrimination and fairness by algorithmic decision-making in the context of HR recruitment and HR development. Business Research, 13(3), 795–848 Lambrecht, A., & Tucker, C. (2019). Algorithmic bias? An empirical study of apparent gender-based discrimination in the display of stem career ads. Management Science, 65(7), 2966–2981 Lederer, M., Müller-Jungnickel, A. M. & Pirkl, S. (2021). Künstli- che Intelligenz in HR-Prozessen: Anwendungsfälle und Ak- zeptanzstudie für die Personaleinstellung. In U. Lichtenthaler (Hrsg.), Künstliche Intelligenz erfolgreich umsetzen: Praxis- beispiele für integrierte Intelligenz (S. 41–53). Springer Gab- ler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-34670-6 Meijerink, J., & Bondarouk, T. (2023). The duality of algorithmic management: Toward a research agenda on HRM algorithms, autonomy and value creation. Human Resource Management Review, 33(1), 100876 Newman, D. T., Fast, N. J., & Harmon, D. J. (2020). When elimina- ting bias isn’t fair: Algorithmic reductionism and procedural justice in human resource decisions. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 149–167. Verhoeven, T. (Hrsg.). (2016). Candidate experience – Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitgebermarke im Bewerbungs- prozess und darüber hinaus. Wiesbaden: Springer Gabler. Verhoeven, T. (Hrsg. ). (2020). Digitalisierung im Recruiting: Wie sich Recruiting durch künstliche Intelligenz, Algorithmen und Bots verändert. Springer Gabler. https://link.springer.com/ book/10.1007/978-3-658-25885-6 PROF. DR. KATHARINA- MARIA REHFELD, katharina-maria.rehfeld @iu.org, IU Internationale Hochschule PROF. DR. MICHAELA MOSER, michaela.moser@iu.org, IU Internationale Hochschule PROF. DR. MAIK GÜNTHER, maik.guenther@iu.org, IU Internationale Hochschule HEIKO HOLZ, heiko.holz.ext@iu.org, IU Internationale Hochschule 62 HR Performance 2/2023

Mitarbeiterbefragung Anbieter 1. Projektteam – Wie viele Mitarbeiter arbeiten im Bereich MAB? – Standort des Projektteams – Umfangreiche Erfahrungen in Befragungsmethodik und Befragungsprozessen (Kurzbeschreibung) (MAB seit wann im Angebot?) 2. Portfolio: Welche MAB-Produkte werden angeboten? – Standardisiert – Individuell – Klassische Mitarbeiterbefragung – Pulsebefragungen – Gefährdungsbeurteilungen – Instantfeedback – 360°-Feedback – Unterstützung bei der Einrichtung einer ganzheitlichen Feedbacklandschaft – Feedback-App 3. Befragungskonzept – Anzahl standardisierte Fragen – Skalenformat (Beschreibung) – Wissenschaftlich fundiertes Engagementkonzept verfügbar – Art/Umfang der Datenschutzregelungen (konform mit DS-GVO?) – Ort der Verarbeitung und Speicherung der Daten 4. Übersetzungsleistung – Übersetzungskosten – Verfügbare Sprachen 5. Methoden zur Datensammlung – Online Survey – Paper Surveys – Hybridmethode (paper-to-online) 6. Global Helpdesk – E-Mail/Telefon – Welche Sprachen? – Verfügbarkeit: 24/7/Business Hours 7. Evaluation and Reporting – Dashboard – Auswertung und Auslieferung der Daten in PowerPoint und Excel – Berechnung individueller Indizes – Handlungsempfehlungen – Analyse offener Kommentare 8. Follow-up-Service – Konzeption des Folgeprozesses (zentral, dezentral) – Controlling des Folgeprozesses – Action Planning Tool – Action Library – Moderationsleistung – Schulungsleistungen – Führungskräfteberatung auf allen Ebenen 9. External Benchmarking – Aktualisierungszeitspanne der Datenbank (z.B. jährlich/halbjährlich) – länderspezifisch – funktionsbezogen – branchenspezifisch – Indexbenchmarking – Itembenchmarking – Integration von Kundenbenchmarks (RACER Benchmarks) 10. Preisspanne pro befragtem Mitarbeiter 11. Referenzkunden TERRITORY GmbH | TERRITORY EMBRACE Frau Bernadette Kramer Carl-Bertelsmann-Straße 33 33311 Gütersloh Tel.: 0 52 41/2 34 80-5 14 E-Mail: kramer.bernadette@territory.group https://territory.de/territory-embrace/ 5 Gütersloh seit 2006 strategische Mitarbeiter - befragungen, Pulsbefragungen und 360°-Feedbacks für KMU und Konzerne ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ca. 50 v.a. 5-stufige Likert-Skala, Single-/Multiple-Choice, Freitext ✔ Datenschutz konform mit DS-GVO, regelmäßige Prüfung Hochsicherheitsrechenzentrum in Gütersloh/Deutschland nach Aufwand (Subdienstleister) 18: Europa inkl. Nord- und Osteuropa, USA, Asien, weitere auf Anfrage ✔ ✔ ✔ kundenspezifisch Deutsch, Englisch Business Hours ✔ ✔ ✔ beratend ✔ ✔ ✔ Befähigung der Führungskräfte: Interpretation, Teamgespräch, Maßnahmen ✔ ✔ gestaffelt nach Gesamtanzahl, ab 3,80 Euro Bertelsmann, DMG MORI, Hörmann HR Performance 2/2023 63

Mitarbeiterbefragung Die klassische Mitarbeiter- befragung ist tot. Lang lebe die Mitarbeiterbefragung! Mitarbeiterbefragungen sind bei Gott nicht neu. Seit wohl 30 bis 40 Jahren haben sie einen fixen Platz im Methodenrepertoire von Personalabteilungen. Laut Branchenstudien führen aktuell bis zu 85 Pro- zent aller Groß- und Mittelbetriebe in regelmäßigen Abständen Mitarbeiterbefragungen durch. Aber sind diese überhaupt noch zeitgemäß um den Herausforderungen und Problemen der modernen Arbeitswelt zu genügen? Mitarbeiterbefragungen spalten mitunter die Meinungen im Personalbereich. Die einen schwö- ren auf diese klassischen Instrumente der Orga- nisationsentwicklung als Teil einer partizipativen Unternehmensführung. Die anderen halten sie für nicht mehr zeitgemäß oder sogar für „Unterneh- menstheater“ oder „Autoritätsinszenierungen“, in denen sich Unternehmen nur mit sich selbst be- schäftigen. nicht oder nicht so intensiv, wie man es könnte. In Deutschland gehen beispielsweise 47 Prozent der Abo-Besitzer:innen nur 1x monatlich oder sel- tener ins Fitnessstudio. Erstaunlich, oder? Die Gründe dafür sind sicher vielschichtig und vielfäl- tig. Ich möchte aber gern versuchen die Prinzipien moderner und wirksamer(er) Mitarbeiterbefra- gungen nachzuzeichnen. Ich werfe einen anderen Gedanken in die Dis- kussion ein: Mitarbeiterbefragungen erleiden in vielen Unternehmen dasselbe Schicksal wie Fit- nessstudio-Abos. Man kauft sie, nutzt sie aber Zeitgemäße Technik Starten wir mit dem Naheliegendsten. Eine mo- derne Mitarbeiterbefragung sollte auch moder- ne Methoden und Technologien nutzen, um zeit- 64 HR Performance 2/2023

Mitarbeiterbefragung gemäß zu sein. Die Papier & Bleistiftbefragung stirbt aus und in Ländern, wo die Internetnutzung der Erwerbsbevölkerung bei weit über 90 Prozent liegt, sind Online-Befragungen in jeglichen Unter- nehmen erste Wahl. Moderne Technik ist aber nicht nur eine Frage der Datenerhebung, sondern v.a. auch der Auswer- tung und der zur Verfügungstellung. Heute sollte man nicht mehr wochenlang auf Ergebnisse war- ten– die Befragung sollte nahtlos in die Bearbei- tung übergehen. Moderne Web-Applikationen und Online-Dashboards machen es möglich. Da- mit Ihre Befragungsergebnisse noch interessant und relevant sind, wenn sie erscheinen! Moderner Prozess Ebenso sollte der Gesamtprozess moderni- siert werden. Eine Mitarbeiterbefragung in Bau- art eines riesigen Containerschiffs, dass alle 1, 2, 3 Jahre fährt, ist nicht mehr zeitgemäß. Mit- arbeiterbefragungen entwickeln sich zusehends in Richtung eines Pipeline-Gedankens. „Conti- nous Listening“ heißt es dann oft so trendig. Der Gedanke häufiger und kompakter in Form von Pulse-Surveys zu befragen, macht dabei durch- aus Sinn. Im Zentrum steht dabei die sinnvolle Verknüpfung von kompakten themenfokussier- ten Befragungen mit umfassenden und thema- tisch breiten Erhebungen. Es braucht moderne Fragebogenkonzepte, um der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden – von Homeoffice bis agilen Projektstrukturen. Agiler Stil Am Ende des Tages lebt jegliche Befragung je- doch nicht von der Befragung selbst, sondern von der Bearbeitung der Ergebnisse. Die Befragung ist vielleicht sogar das Einfachste am Befragungs- prozess und erfährt in Projekten dennoch oft die meiste Aufmerksamkeit und die meisten Res- sourcen. Entsprechend sollten auch Follow-Up- Prozesse moderner gedacht werden. Nein – es muss nicht immer ein „alle-machen- einen-Workshop-Prozess“ sein. Man kann auch dem Klassiker „Mitarbeiterbefragung“ etwas Agilität einhauchen: Von selbstorganisierten Ar- beitsgruppen, über Großgruppenveranstaltun- gen, Lernreisen zwischen den Abteilungen und Peer Coaching zwischen Führungskräften. Mo- derne Befragungen arbeiten vielfältiger an den Ergebnissen und auch die Führungskräfte sind dabei meist nicht mehr alleinig Maßnahmenver- antwortlich. Darüber hinaus müssen Maßnahmen auch nicht immer SMART sein und als handzah- mer „Roof Shot“ daherkommen, sondern dür- fen manchmal auch im OKR-Stil einen radikalen „Moon-Shot“ wagen. Aktuelle Inhalte Literaturtipp Das Herzstück einer Mitarbeiterbefragung ist auf den ersten Blick der Fragebogen. Entsprechend muss auch er aktuellen Konzepten folgen. Lei- der erscheinen viele Fragebögen in früheren Jahr- zehnten stehen geblieben. Beispielsweise wenn der Begriff der „Zufriedenheit“ überbetont wird und kein modernes Employee-Engagement- oder Employee-Experience-Konzept zugrunde liegt. Oder lesen Sie doch Fragebögen mal aufmerk- sam nach Schlüsselbegriffen durch, wenn von „…an meinem Arbeitsplatz…“ die Rede ist, ohne zu bedenken, dass es eine umfassende Home- office-Regelung gilt. Oder wenn traditionalisti- sche Führungsbilder vermittelt werden, wie „Mei- ne Führungskraft lobt gute Arbeit“. Vielleicht wäre vielfach ein „Wir zeigen einander im Team Wert- schätzung für gute Arbeit und besonderen Ein- satz“ zeitgemäßer. Und ob die Frage nach „I am willing to go the extra mile for this company.“ im Lichte moderner Arbeitspsychologie noch Sinn macht oder ein Trugbild einer permanenten Leis- tungsgesellschaft vermittelt überlasse ich allen Leser:innen selbst. Dieser Artikel basiert auf dem narrativen Sachbuch „Wenn du fragst, frag richtig!“ von Gerd Beidernikl, das im Februar 2023 im Wiley Verlag erschienen ist. https://www.fragrichtig.com/ 1. Auflage Februar 2023 304 Seiten, Hardcover ISBN: 978-3-527-51145-7 Wiley-VCH, Weinheim HR Performance 2/2023 65

Mitarbeiterbefragung werten und Kennzahlen zu berechnen. Teils mit falschen Heilsversprechen an künstliche Intelli- genz und Automatisierung. Auf Unternehmens- ebene bieten Befragungen breite statistische und analytische Möglichkeiten. Aber auf der Ebene von Teams und kleinen Einheiten geht es um die „menschliche Intelligenz“, mit den Stimmungen, Wünschen und Bedarfen von Menschen adäquat umzugehen. 3. Gefahr: Quick Win > Big Win Einer der größten Fehler bei Befragungen ist die falsche Hoffnung, in den erhaltenen Ergebnissen sei sofort „die ideale Lösung“ enthalten. Das ist meist ein Quick-Win-Trugschluss. Befragungen sollen vielmehr helfen, Problemzonen besser zu erkennen, die Linse kollektiv auf diese Herausfor- derungen scharf zu stellen. 4. Gefahr: Feedbackinstrument > Feedbackkultur Oft meint man, Befragungen würden eine Feed- backkultur fördern. Nein – genau andersherum. Eine Befragung braucht eine positive Feedback- kultur als Basis, um sinnvolle Ergebnisse aufzei- gen zu können. Man könnte es sogar zuspitzen: Eine Befragung zeigt niemals die „Wirklichkeit“. Sie zeigt Ihnen nur das, was die Befragten Sie wissen lassen wollen. Gibt es keine Offenheit oder psychologische Sicherheit im Unternehmen, werden die Ergebnisse zum hohlen Schaulaufen. Resümee Ich sehe die Zukunft der Mitarbeiterbefragung daher als Lern- und Dialoginstrument auf Augen- höhe. Als eine Selbstreflexion für Führungskräfte und Mitarbeitende, um im Marathon des Berufs- alltages aus der Vogelperspektive auf sich selbst zu schauen und die Wahrnehmung zu synchroni- sieren. Nicht mit dem Anspruch, alles sofort lösen zu können, aber mit dem Anspruch, über alles re- den zu dürfen und gemeinsam Lösungen zu ent- wickeln. GERD BEIDERNIKL Soziologe, systemischer Coach, psycholo gischer Trainer und zertifizier- ter Managementberater. E-Mail: gerd.beidernikl@ vieconsult.at, https://vieconsult.at Lösungsorientierte Haltung Und letztlich ist es immer auch eine Frage der ei- genen Haltung. Und hier sind viele Mitarbeiterbe- fragungen traditionell darauf getrimmt die positi- ven (meist grünen) Antworten als erstrebenswert zu definieren und die negativen (meist roten) Ant- worten vermeiden zu wollen. Spätestens durch die Grundlagenforschungen der Arbeitspsycho- login Agnes Bruggemann wissen wir jedoch, dass jede Stimmung dynamisch ist und Ausgleichsbe- wegungen stattfinden. Ich kann resignativ zufrie- den sein, weil es ja noch schlimmer sein könnte. Ich kann konstruktiv unzufrieden sein, weil ich mir denke, dass wir noch nicht dort sind, wo wir sein sollten. Was bringt dem Unternehmen im Sinne von kontinuierlicher Verbesserung mehr? Schät- zen Sie auch negative Meinungen wert und för- dern Sie konstruktive Unzufriedenheit. Gefahren moderner Mitarbeiterbefragungen Aber auch Befragungen, die diese Gestaltungs- prinzipien berücksichtigen haben einige Gefahren zu umschiffen. 1. Gefahr: Befragungsgeschwindigkeit > Umsetzungsgeschwindigkeit In der Technifizierung von Umfragen und deren einfacherer Zugänglichkeit liegt die Gefahr des Über-Befragens. Dort wo Unternehmen den ei- genen Befragungen aber nicht mehr hinterher- kommen oder die Qualität der Befragungen durch die gesteigerte Quantität sinkt, entsteht ein neu- es Problemfeld. „Survey Fatigue“, nennen es die Amerikaner:innen so treffend. 2. Gefahr: Künstliche Intelligenz > Menschliche Intelligenz Die Technisierung von Befragungen bietet viele neue Möglichkeiten, Daten aufzubereiten, auszu- 66 HR Performance 2/2023

Buchvorstellungen Service l e t i T r o t u A t l a h n I e p p u r g l e Z i e l i e t r o V Das Metaverse Matthew Ball Co-Creation Learning Wenn du fragst, frag richtig! Georg Michalik Volker Schulte Gerd Beidernikl In der Tradition von „The Second Ma- chine Age“ erscheint das erste Buch über das nächste Internet: das Meta- verse. Aber was genau ist das Meta- verse? Wie der Autor erklärt, ist es der Nachfolger des mobilen Internets. Das Metaverse ist eine persistente, virtu- elle 3D-Welt – ein Netzwerk aus mit- einander verbundenen Erfahrungen und Geräten, Tools und Infrastruktu- ren, das weit über die virtuelle Reali- tät hinausgeht. Und es ist im Begriff, jede Branche und Funktion zu revolu- tionieren. Das Lernkonzept „Flipped Classroom“ stammt ursprünglich aus der Schul- didaktik. Dabei wird die zeitrauben- de Erarbeitungsphase aus dem Un- terrichtsraum in den privaten (Lern-) Bereich des Lernenden verlagert. Das Buch denkt das Lernkonzept erst- mals für den Weiterbildungsbereich und gibt mit I-M-P-A-C-T ein Konzept an die Hand, die Lernmethode für die Weiterbildung vorzubereiten. So ent- steht eine Neuorganisation von Semi- naren. Unternehmen stehen heute vor zahl- reichen Herausforderungen, vor allem jener des akuten Fachkräftemangels. Es wird immer schwerer, geeignete Mitarbeitende zu finden und zu hal- ten. Umso wichtiger ist es, die Gründe, warum Menschen in ein Unternehmen eintreten, dort verweilen oder es ver- lassen, herauszufinden. Das Buch er- läutert, was man als Unternehmen tun kann, um attraktiv auf Mitarbei- terInnen zu wirken, wobei Mitarbei- terbefragungen im Fokus stehen. Führungskräfte, HR-Manager sowie alle Technikbegeisterten und interes- sierte Laien Personalverantwortliche, HR-Manager, Führungskräfte, alle Mitarbeitende Unternehmer, Führungskräfte und HR-Verantwortliche • verständliche Erläuterung, was • Lernmethode „Flipped Classroom“ das Metaverse ist • Aufbau des Metaverse • weshalb das Metaverse alles revolutionieren wird für den Weiterbildungsbereich • mit dem Konzept I-M-P-A-C-T die Lernmethode für die Weiterbildung vorbereiten • mit digitalen Arbeitsmaterialien als Vorlagen • wie außergewöhnlich und positiv erlebte Arbeitsplatzkulturen ent- stehen • praxiserprobte Wege zum Dialog mit sich ständig wandelnden Be- legschaften • gezielte Mitarbeiterbefragungen als Schlüsselelement Verlag: Vahlen Auflage: 1. Auflage 2022 Umfang: 328 Seiten Einband: Softcover ISBN: 978-3-8006-6939-4 Verlag: Schäffer | Poeschel Auflage: 1. Auflage 2022 Umfang: 156 Seiten Einband: Broschur ISBN: 978-3-7910-5774-3 Verlag: Wiley-VCH Auflage: 1. Auflage 2023 Umfang: 304 Seiten Einband: Hardcover ISBN: 978-3-527-51145-7 n e t a D e h c s fi a r g o i l b B i s i e r P 24,90 Euro 39,95 Euro 24,99 Euro HR Performance 2/2023 67

Ideenmanagement Das Ideenmanagement wieder neu erfinden Entwicklungen und Konzepte für den praktischen Einsatz Ideenmanagement kann ein Erfolgsfaktor für Unternehmen und andere Organisationen sein. Ideenmanagement kann auch ein bürokratischer Moloch sein, der nicht nur ein bisschen schadet. Wie wird Ideenmanagement zum Erfolgsfaktor? Was ist Ideenmanagement überhaupt? In diesem Text zeichne ich die Entwicklung des Ideenma- nagements nach. Dabei kommen gute, brauchba- re, sinnvolle Ansätze zu Tage, Ideenmanagement als Erfolgsfaktor. Und es finden sich Fehlentwick- lungen, Fehler, die Sie in Ihrer Organisation nicht nachmachen sollten. Im Folgenden werde ich von „Organisationen“ sprechen, nicht von „Unterneh- men“. Gerade im öffentlichen Bereich, bei Verwal- tungen und anderen staatlichen oder gemeinnüt- zigen Einrichtungen, hat das Ideenmanagement noch kräftiges Potenzial. Diese Organisationen möchte ich ausdrücklich mit ansprechen. Der Ursprung Seinen Ursprung hat das Ideenmanagement im betrieblichen Vorschlagswesen. Die „Gründungs- urkunde“ des Vorschlagswesens sei das Gene- ralregulativ von Alfred Krupp aus dem Jahr 1872. Deshalb wurden 2022 „150 Jahre Ideenmanage- ment“ gefeiert. Sieht man sich dieses Generalre- gulativ genauer an, dann ist von einem betriebli- chen VorschlagsWESEN eigentlich nicht die Rede. Alfred Krupp listet auf, was in seinem Unterneh- men gelten soll. § 11 sagt, dass Geräte und Ma- terial nicht für Privatzwecke genutzt werden. § 12 68 HR Performance 2/2023

Ideenmanagement enthält die Schweigepflicht über Internes. § 13 sagt: Verbesserungsvorschläge sollen über den Vorgesetzten an die Geschäftsführung weiter- geleitet werden. Eine eigene Institution, ein Vor- schlagswesen, wird da nicht gegründet. Es wird auch keine Prämie versprochen, auch nicht mög- lichst viele Vorschläge angestrebt, nicht einmal für Verbesserungsvorschläge geworben. Leider habe ich keine Informationen darüber finden kön- nen, wie dies bei Krupp gelebt wurde. Für Unter- nehmen Anfang des 20ten Jahrhunderts gibt es Angaben: eine einstellige oder geringe zweistel- lige Zahl an Vorschläge pro Jahr ist für Unterneh- men mit einigen Hundert Mitarbeitern normal. Einschätzung Beschäftigte können über eine Idee stolpern. Im eigenen Arbeitsbereich können sie diese mit Vor- gesetzten und Kolleg besprechen und umset- zen. Für Ideen außerhalb des eigenen Arbeits- bereichs ist ein Vorschlagswesen sinnvoll. Aber: Es wird recht selten passieren, dass Beschäftigte von alleine eine richtig gute Idee einreichen. Ziel- vorgaben für die Anzahl der eingereichten Ideen sind also nicht sinnvoll. In einigen Fällen ist eine Prämie zu zahlen, darauf sollte aber nicht der Fo- kus liegen. In Deutschland sind die Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesens mitbestim- mungspflichtig, im öffentlichen Bereich häufig ebenfalls. Dafür gibt es eigene Literatur. Erste Blütezeit Eine Blütezeit erlebte das betriebliche Vor- schlagswesen im Nationalsozialismus. Ein Vor- schlagswesen galt als gutes Mittel, die Beschäf- tigten einzubinden. Entsprechend wurde von allen Unternehmen ab einer gewissen Größe ein Vorschlagswesen vorgeschrieben. Die Anzahl der eingereichten Vorschläge wurde als Gradmesser für das Engagement der Belegschaft gesehen. Die Prämie war wichtig, über besonders hohe Prä- mien wurde in der Betriebszeitung berichtet. Weniger wichtig war, ob die Vorschläge die Orga- nisation wirklich weitergebracht haben. Ob die vorgeschlagenen Einsparungen realisiert wer- den konnten. Es wurden viele Vorschläge einge- reicht, einfach, damit viele Vorschläge eingereicht wurden, damit das Unternehmen im Betriebsver- gleich gut dastand. Das konnte nicht gut gehen. Ich hätte gern beschrieben, wie das Vorschlags- wesen dieses Problem gelöst hat, doch mit dem Ende des Nationalsozialismus endete auch diese Blütezeit des Vorschlagswesens abrupt. In den ersten Nachkriegsjahren hatten die Unternehmen andere Prioritäten. Das betriebliche Vorschlags- wesen wurde in wenigen Unternehmen in den 1950ger Jahren und dann breiter ab den 1960er Jahren wieder aufgebaut. Beim Aufbau der betrieblichen Vorschlagswe- sen in der Bundesrepublik wurden etliche Fehler wiederholt: Eine hohe Beteiligungsquote galt als Erfolg und mancher Beauftragte für das betrieb- liche Vorschlagswesen hat sich mehr mit der Prä- mienregelung beschäftigt als mit der Frage, wie das Vorschlagswesen für die Organisation wirk- lich nützlich werden kann. Aber anders als zur Zeit des Nationalsozialismus konnte nun offen über die Probleme gesprochen werden: Gutach- ter bearbeiteten Verbesserungsvorschläge nur widerwillig. Warum auch sollte ein Fachmensch ein Gutachten schreiben, wonach irgendein offen- sichtlich unsinniger Vorschlag auch wirklich un- sinnig ist? Vorgesetzte bremsten das Vorschlags- wesen: Sie mussten sich ständig mit Lösungen für Probleme beschäftigen, mit Problemen, die nie- mand hatte. Oberste Führungskräfte nahmen das Vorschlagswesen nicht ernst, weil es nicht wirk- lich Nutzen stiftete. Einige Organisationen haben sehr großzügig Prä- mien vergeben. Die Arbeitnehmervertreter in den Kommissionen haben nicht unbedingt gegenge- steuert. Und so wurden manchmal Prämien ge- zahlt, die mit dem tatsächlichen Nutzen in keinem Verhältnis standen. Und es gab so barocke Ent- scheidungsstrukturen, dass manchmal die Ent- scheidung über eine Prämie mehr kostete als der Wert der Verbesserung überhaupt war. Manche Verbesserungsvorschläge haben keinen berechenbaren Nutzen. Um den Nutzen des Vor- schlagswesens besser darzustellen, wurde dafür der Nutzen geschätzt. So haben einige Organisa- tionen den nicht berechenbaren Nutzen auf die letzte Nachkommastelle genau angegeben. Das hat die Akzeptanz bei Controlling und Manage- ment nicht gefördert. Viele Ideenmanager haben gefordert, das obers- te Management solle das Ideenmanagement fördern. Und kamen nicht auf die Idee, dass das Ideenmanagement die Organisation (vertreten durch das oberste Management) fördern soll. Kurz: In einigen Organisationen wurde Ideenma- nagement mehr oder weniger gegen die Organi- sation durchgesetzt. Das konnte nicht gut gehen, und es ging auch nicht gut. Einschätzung Ideenmanagement, dass sich mehr um die eige- nen Kennzahlen kümmert als um den Nutzen für die Organisation und Ideenmanagement, bei dem HR Performance 2/2023 69

Ideenmanagement die Prämie das zentrale Thema ist: So etwas geht langfristig nicht gut. Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin selbst Angestellter und ich bin immer dafür, dass Angestellte mehr Geld bekom- men. Wenn aber die Prämie als Umweg einer Ge- haltserhöhung dient, dann zerstört dies langfris- tig das Ideenmanagement 1. Krise Die Krise kam um das Jahr 1990 herum, in einigen Organisationen früher, in anderen später. Gesell- schaftlich gab es drei Ereignisse: 1989 wurde die steuerliche Begünstigung von Prämien im Vorschlagswesen gestrichen. 1991/1992 kam die deutsche Ausgabe des Buchs „Kaizen“ von Masaaki Imai heraus. Dort wurden kleinschrittige Verbesserungen durch die Be- schäftigten selbst vorgestellt, also etwas Ähnli- ches wie das Vorschlagswesen. Nur hatte Kaizen die japanische Wirtschaft wirklich deutlich voran- gebracht, was man vom Vorschlagswesen nicht behaupten konnte. 1993 erschien ein Aufsatz von Reinhard Sprenger: Das Vorschlagswesen abschaffen. 1994 erschien dieser Aufsatz im Harvard Business Manager und war nun wirklich nicht mehr zu übersehen. Damit war klar: So kann das betriebliche Vor- schlagswesen nicht weitermachen, es muss et- was geschehen. Der erste Schritt war: Das Vorschlagswesen lernt vom Verbesserungsprozess Im kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) bearbeiteten die Beschäftigten Probleme, die von der Organisation vorgegeben wurden und die Arbeitsplatt KVP 70 HR Performance 2/2023 auch wirklich Probleme für die Organisation wa- ren. Für das Vorschlagswesen wurden nun Kam- pagnen eingesetzt: Die Organisation gab das Motto aus: Vorschläge für Qualitätsverbesserung wurden gesucht, oder für Termintreue, oder für bessere Ressourceneffizienz. Für die nächsten beispielsweise zwei Monate wurden dann Vor- schläge zu diesem Bereich bevorzugt bearbeitet, vielleicht auch besser prämiert. Dadurch wurden zumindest einige der Verbesserungsvorschläge für die Themengebiete entwickelt, für die die Or- ganisation auch wirklich Bedarf hatte. Gutachter und Vorgesetzte waren deutlich aufgeschlosse- ner. Im Verbesserungsprozess wurden Arbeitsblät- ter eingesetzt. So wurden die Vorschläge syste- matisch erarbeitet. Solche systematische Prob- lemlösung haben die Beschäftigten teils von sich aus, teils gefördert durch das Vorschlagswesen, auch für die Entwicklung von Verbesserungsvor- schlägen im betrieblichen Vorschlagswesen ein- gesetzt. Die meisten Beschäftigten hatten in ihrer Ausbildung keine Problemlösetechniken erwor- ben, das war ein deutlicher Fortschritt und die Vorschläge wurden besser. Die Kultur des Vorschlagswesens änderte sich. Vorher haben die Einreicher alleine einen Vor- schlag entwickelt und dann in den Briefkasten des Verbesserungswesens geworfen. Die Kom- munikation zwischen Einreicher und Beauftrag- ten für das betriebliche Vorschlagswesen be- schränkte sich auf den Begutachtungsprozess und die Prämie. Nun kamen Einreicher und Beauf- tragte mehr ins Gespräch. Beispielsweise, wenn ein Beauftragter auf einen Einreicher zuging und ihm mehr oder weniger offiziell zu verstehen gab, das ein Verbesserungsvorschlag so, wie er ein- gereicht wurde, abgelehnt werden müsste. Wenn aber noch etwas geändert, etwas berücksichtigt würde, dann würde das ein sehr feiner Vorschlag werden. Vielleicht konnte der Beauftragte auch empfehlen, doch diesen oder jenen Kollegen ein- zubeziehen, der hätte genau auf dem fehlenden Gebiet gute Kenntnisse und hätte schon häufiger erfolgreich Vorschläge eingereicht. Heute würden wir das nennen: Die Ideenmanager coachen Ein- reicher. Gut funktioniert hat es damals schon. Eine Voraussetzung für diese Entwicklung war, dass immer weniger Vorschläge anonym einge- reicht wurden. Einige Organisationen gingen so weit, dass sich Gutachter, Entscheider und Einrei- cher direkt abgesprochen haben, mal vom Ideen- manager moderiert, mal einfach nur „Fachleute unter sich“. Damit konnten einige Konflikte direkt vermieden oder zumindest geklärt werden.

Ideenmanagement Das traditionelle Vorschlagswesen war zentral organisiert: Es gab einen Ideenmanager, einen Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswe- sen für die gesamte Organisation. Mit zunehmend mehr Kommunikation wurde dies unpraktisch. Es wurden dezentrale Ideenmanager eingesetzt und man probierte das „Vorgesetztenmodell des Vorschlagswesens“ aus: Alle Verbesserungsvor- schläge wurden beim Vorgesetzten eingereicht. Wenn der Vorgesetzte selbst entscheiden konn- te, dann traf er auch die Entscheidung. Wenn der Vorgesetzte der Vorschlag nicht selbst entschei- den konnte, dann leitete der den Vorschlag wei- ter – eine Führungskraft hat typischerweise einen gewissen Überblick über die Organisation. Gerade wenn eine Organisation viele, relativ autonome Filialen oder Standorte hat funktioniert das Vor- gesetztenmodell mit dem Filial- oder Standortlei- ter als Ideenmanager sehr gut. Einschätzung Beschäftigte können nicht ahnen, wo die aktuel- len Probleme einer Organisation liegen. Wird ih- nen dies vermittelt, dann entwickeln Beschäf- tigte Verbesserungsvorschläge, die tatsächlich gebraucht werden. Beschäftigte sind typischer- weise nicht in Kreativitäts- und Problemlöse- techniken geschult. Werden diese Techniken geschult, dann erhält die Organisation auch sys- tematisch erarbeitete und wirklich sinnvolle Ver- besserungsvorschläge. Wenn Einreicher, Gutach- ter, Entscheider und überhaupt die Betroffenen miteinander sprechen, vielleicht sogar noch wäh- rend ein Vorschlag entwickelt wird, dann hilft auch dies. Wenn der Verbesserungsvorschlag ein Gebiet betrifft, für das tiefe Kenntnisse notwen- dig sind, dann ist es manchmal sinnvoll, wenn die Fachleute direkt miteinander sprechen. 2. Krise Die zweite Krise des Ideenmanagements haben wir jetzt. Seit Jahren sinken die Kennzahlen, bei- spielsweise der berechenbare Nutzen pro Mitar- beiter und Jahr. In einigen Organisationen wurde das Ideenmanagement ganz abgeschafft, ande- re Organisationen überlegen, wie sie das Ideen- management besser aufstellen. Woher kommt die aktuelle Krise im Ideenmanagement? Einfach wäre, Corona heranzuziehen. Ja, in Krisenzeiten hat es das Ideenmanagement immer schwerer, und aktuell sind wir in einer Krisenzeit. Aber die zweite Krise des Ideenmanagements hat schon vor Corona begonnen. Ein Argument ist: Prozes- se in Produktion, Dienstleistung und Verwaltung werden immer sorgfältiger geplant, entspre- chend ist immer weniger Raum für nachträgliche Verbesserungen. Oder: Was mit Ideenmanage- ment zu erreichen war, ist inzwischen in vielen Organisationen erreicht. Nun versprechen ande- re Managementtechniken mehr Erfolg. In ein paar Jahren kann dann das Ideenmanagement wieder zum Zuge kommen. Auch diese beiden Argumen- te sind nicht falsch, ich bin mir nicht sicher, ob sie die Krise vollständig erklären. Wie kommt das Ideenmanagement aus der Krise? Das ist jetzt, mitten in der Krise, schwer zu sagen. Wenn ich mir die erste Krise, um 1990 herum, vor Augen führe, dann hätte ich zwei Vermutungen: 1. Das Ideenmanagement muss sich noch mehr darauf konzentrieren, Nutzen für die Organisa- tion zu bringen. 2. In der ersten Krise hat das betriebliche Vor- schlagswesen viel vom kontinuierlichen Ver- besserungsprozess gelernt. Vielleicht ist es auch in der zweiten Krise sinnvoll, von einem aktuell erfolgreichen Managementkonzept zu lernen. Meine Vermutung ist, dass dieses Ma- nagementkonzept Lean Management sein könnte – aber dies ist nur eine Vermutung. Ob diese Vermutung trägt, das werden wir erst in ein paar Jahren sehen. Vielleicht verläuft die Entwicklung auch ganz anders, und Verbes- serungen werden künftig von künstlicher In- telligenz entwickelt, oder wir arbeiten in ganz anderen Strukturen, in denen zumindest ein tra- ditionelles Ideenmanagement keinen Platz hat. Fazit Ideenmanagement kann Organisationen gut un- terstützen. Aktuell ist das Ideenmanagement in einer Krise, wie schon das Vorschlagswesen vor dreißig Jahren. Damals halfen ein Blick auf den kontinuierlichen Verbesserungsprozess, konkret: • Ausrichtung auf die wirklichen Bedarfe der Or- ganisation, • Qualifizierung der Beschäftigten, • stärkere Kommunikation. Diese drei Punkte sind auch heute noch erfolgver- sprechend. Wie sich die weitere Entwicklung ge- staltet, das lässt sich heute noch nicht absehen. HANS-DIETER SCHAT ist Professor an der IU International University und bloggt auf dem Ideenmanagement- Blog.de HR Performance 2/2023 71

Neues Lernen Lerntechnologien – Wunsch vs. Wirklichkeit Wie finden mittelständische Unternehmen den richtigen Weg von der Vision zum praktischen Einsatz? Wer als HR-Professional eine Lernmanagement- software einführen möchte, wird auf den Prä- sentationen der Anbieter allerlei Wunderwörter hören: Skill Management, selbstlernende Orga- nisation, Learning Ecosystem, Gamification, Lear- ning Journey, integrierte Autorentools u.v.m. So entsteht der Eindruck: Mit der richtigen Lern- technologie finden die Lernenden das gesam- te Lernangebot an einem Ort und lernen mit Be- geisterung und großem Engagement. Das ist die Wunschvorstellung vieler HR Professionals. Geht es dann aber in die Praxis, begegnet man ei- ner anderen Wirklichkeit. Schnell stößt man auf diverse Hürden. Schnittstellen müssen erst auf- wendig eingerichtet werden, AGB erstellt und endlose Abstimmungen zum Datenschutz ge- troffen werden. Das kostet viel Zeit und hat erst mal wenig mit neuem Lernen zu tun. Und weil vie- le Systeme eben doch nicht so nutzerfreundlich sind wie Netflix, Spotify & Co., werden sie dann im Alltag der Lernenden viel weniger eingesetzt als erhofft. Wir haben bei der Peras GmbH selbst bei der Ein- führung eines neuen Systems beide Seiten ken- nengelernt: Wunsch und Wirklichkeit. Um uns in der großen Vielfalt der Anbieter und bei der Ein- führung zu fokussieren, war es für uns entschei- dend, sich immer wieder über das Ziel bewusst zu werden. Unterstützt durch die Software, werden wir unsere Kunden künftig zu bestehenden und neuen Themen wie Entgeltabrechnung, New Work und Mitarbeiterbindung schulen. Man kann sich in Präsenzveranstaltungen und Webinare einbuchen sowie Lernreisen absolvie- ren. Außerdem verwaltet die Software Teilneh- mende und Räume, verschickt Zertifikate, über- nimmt die Kommunikation mit Lernenden und Referenten, schlägt automatisiert passende Lern- inhalte vor und vieles mehr. Durch die Einführung des neuen Systems haben wir wertvolle Erfahrun- gen gesammelt und unsere Projektmanager und Consultants beraten heute andere mittelständi- sche Unternehmen auf ihrem Weg zur Auswahl und Einführung der richtigen Lerntechnologien. 72 HR Performance 2/2023

Neues Lernen Lernreisen müssen individualisierbar sein Eine Lernreise muss mehr sein als eine Aneinan- derreihung verschiedener Formate. Vielmehr soll- te sie sich stark auf die einzelne Person individua- lisieren lassen und ihr ermöglichen, die ureigenen Lernziele, basierend auf dem jeweiligen Lern- stand, darin zu verfolgen. Technisch lässt sich dies z.B. mit einem Learning Ecoystem umsetzen. In der Praxis findet man oft noch verschiedene Lernmodule nebeneinander im Einsatz. Es gibt Schulungen in Compliance oder Datenschutz, Ver- triebs- und Führungskräftetrainings, Feedback- gespräche etc. Diese werden entweder intern oder aber von externen Key-Learning-Anbietern durchgeführt. Einiges davon ist im Talentma- nagement-System erfasst, andere Maßnahmen werden vielleicht nur in Excel dokumentiert. Ein Learning Ecosystem integriert die einzelnen An- sätze, lässt sie miteinander kommunizieren sowie Daten austauschen. Innerhalb des Ecosystems ist das Lernmanagementsystem der zentrale Ein- stiegspunkt für alle Angebote. Soweit die Vision – die bei vielen Anbietern aber noch nicht ganz so funktioniert, eben weil Schnittstellen zwischen den einzelnen Modulen fehlen oder es insgesamt an der Benutzerfreund- lichkeit und damit Akzeptanz mangelt. Anforderungen Priorisieren Als Grundregel auf der Suche nach dem geeig- neten System kann zunächst einmal gelten: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Am bes- ten, man definiert sich A- und B-Ziele und schaut dann, mit welcher Software sich die jeweiligen Ziele funktional am ehesten umsetzen lassen. In vielen Fällen wird ein Learning Ecosystem ein A-Ziel sein, muss es aber nicht. Dies hängt ganz vom Einsatzzweck der Technologie und der spä- teren Zielgruppe ab. Werden zum Beispiel, wie bei Peras, hauptsächlich Kunden geschult, ist eine in- tegrierte Shopfunktionalität viel wichtiger als ein Learning Ecosystem, denn über den Shop werden letztlich die verkauften Lernangebote abgerech- net. Hier spielen auch Datenschutz- und AGB- Themen eine größere Rolle. Weniger relevant wären in diesem Fall – anders als bei intern ge- nutzten Plattformen – Kontaktmöglichkeiten zu anderen Lernenden und soziale Interaktion. Legt man Wert auf besonders einfache Bedienbarkeit, muss man u.U. Abstriche machen, was die Abde- ckung von Sonderwünschen angeht. Was niemand verpassen sollte, ist auf jeden Fall ein Blick auf den Fosway-Report „Learning Sys- tems“: Das Analystenhaus hat darin die gängigs- ten Systeme nach Leistungskriterien einsortiert – eine wertvolle Unterstützung bei der Produkt- auswahl. Auf diese Weise kristallisiert sich all- mählich die geeignete Plattform heraus. Pilotphase und realistische Zeitplanung Ist sie dann ausgesucht, startet man am besten mit einer Pilotphase in einer kleineren Lerngrup- pe und weitet den Betrieb dann Stück für Stück aus. Eine realistische Zeiteinschätzung bei der Softwareeinführung ist unverzichtbar, denn es werden sich kaum alle Aufgaben sofort auf ein- mal lösen lassen. Allzu leicht unterschätzt man den Zeitaufwand und internen Abstimmungsbe- darf. Außerdem ist erst dann dafür gesorgt, dass die wichtigen Punkte (Datenschutz, AGB, Schnitt- stellen) nicht wieder vergessen werden. Ganz un- abhängig vom System als solchem sollte auch der Vertriebsstil eines Herstellers in die Produkt- entscheidung mit einfließen. Wer nicht bereit ist, eine Testphase anzubieten oder spätere Aus- stiegsmöglichkeiten aus dem Vertrag eröffnet, qualifiziert sich langfristig nicht als besonders vertrauenswürdiger Softwarepartner. Am Ende zählt vor allem eines: Technologie und Anbieter müssen zum Unternehmen passen – und sich nicht das Unternehmen an das Produkt anpassen. Nur so wird am Ende der Wunsch eines modernen Lernmanagements auch zur Wirklich- keit. DR. JOHANNES SCHIEBENER, Head of New Learning, Peras GmbH, johannes.schiebener@ peras.de MARCEL SCHÜSSLER, Senior Consultant SuccessFactors – Expert Learning Modul, Peras GmbH, marcel.schuessler@ peras.de HR Performance 2/2023 73

LEARNTEC 2023: Bildung im Wandel Europas größte Veranstaltung für digitale Bildung widmet sich vom 23. bis 25. Mai den brandaktuellen Bildungstrends. Die Bildung befindet sich im stetigen Wandel, innovative Tech- nologien und digitale Tools lassen immer neue Lernwelten ent- stehen. Von den Anfängen des technologiegestützten Lernens bis hin zu Gamification und künstlicher Intelligenz. Seit 1992 ist die LEARNTEC jährlicher Treffpunkt für die digitale Bildungs- branche und begleitet die Entwicklungen mit. In diesem Jahr gibt es zusätzlichen Grund für Party: Denn Europas größte Ver- anstaltung für digitale Bildung feiert ihre 30. Ausgabe! Technologien. Es geht auch immer um die Lernenden selbst. Daher betrachten wir im Rahmen des LEARNTEC-Kongresses Bildung immer ganzheitlich“, sagen Sünne Eichler und Prof. Dr. Peter A. Henning vom LEARNTEC-Kongresskomitee. „Wir freu- en uns auf das Jubiläum von Europas größter Veranstaltung für digitale Bildung und laden alle Kongress-Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu ein, sich mit den hoch qualifizierten, interna- tionalen Experten über Visionen der Bildung auszutauschen.“ ChatGPT, Metaverse & Co. Auch der Fachkongress der LEARNTEC präsentiert vom 23. bis 25. Mai 2023 wieder die aktuellen Trends in der digitalen Bil- dung. Rund 100 Referierende aus Wirtschaft und Wissenschaft geben ihr Fachwissen in mehr als 60 praxisnahen Vortrags- und Workshop-Slots an die Teilnehmenden weiter. Schwer- punktthemen sind in diesem Jahr unter anderem Metaver- se, Learning Ecosystems, New und Agile Learning, Lernen mit künstlicher Intelligenz (KI) und adaptives Lernen. Das Mega- thema ChatGPT spielt in mehreren Veranstaltungen eine Rolle. Aber auch resiliente Lernsettings und Lernenden-Aktivierung wie auch der Wandel der Lernkultur finden ihren Platz im Kon- gressprogramm. „Modernes Lernen umfasst viel mehr als nur Exklusive Keynotes runden hochwertiges Kongressprogramm ab Herzstück des LEARNTEC-Kongresses sind auch in diesem Jahr wieder die hochkarätigen Keynotes mit Speakern aus Wissen- schaft und Wirtschaft. Den Anfang macht Prof. Dr. Jörg Desel (Mitglied im Präsidium der Gesellschaft für Informatik) mit sei- ner Public Keynote zum Thema „In 30 Jahren vom E-Learning zur Digitalisierung der Bildung“ am ersten Messetag. Am Nach- mittag folgt die niederländische Hi-Tech Fashion Designerin und Innovatorin Anouk Wipprecht. Getreu dem Motto „Lernen geht unter die Haut“ fragt sie, wie die Entwicklung elektroni- scher Kleidung beim Lernen und Leben helfen kann. Der zweite Veranstaltungstag beginnt mit einer Keynote des US-amerika- 74 HR Performance 2/2023

nischen Bildungsexperten Elliot Masie. Im interaktiven Aus- tausch mit ihm werden die Zukunftsthemen Open AI diskutiert und kritisch hinterfragt. Er fungiert zudem als Schirmherr für den englischsprachigen Strang im LEARNTEC-Kongress. Am Nachmittag wird auf dem Podium zum Thema „KI in der Bildung“ diskutiert. Mit dabei: Dr. Lutz Hasse (Thüringer Landesbeauf- tragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit), Prof. Dr. Jürgen Seitz (Institute for Applied AI, HdM Stuttgart), Dr. Dirk Werth (August-Wilhelm-Scheer Institut Saarbrücken) und Prof. Dr. Peter A. Henning (LEARNTEC-Kongresskomitte und Kompe- tenzzentrum KI für Arbeiten und Lernen KARL). Den dritten und letzten Veranstaltungstag öffnet Prof. Dr. Rafaela Kraus, (Vize- präsidentin für Entrepreneurship der Universität der Bundes- wehr) mit ihrer Keynote rund um künstliche Intelligenz in der Bildung. Noch mehr Raum für Workshops und persönlichen Austausch Der Wunsch nach persönlichem Erfahrungsaustausch und Networking bei den Teilnehmenden des LEARNTEC-Kongres- ses ist groß. In der neuen Workshop Area in der Messehalle wird hierfür weiterer Raum geboten. Die täglich stattfindenden Workshops widmen sich unterschiedlichen Trendthemen, un- ter anderem Stimm- und Sprechtraining für die (Online)-Leh- re, Aus- und Weiterbildung für KI, Learning Ecosystems, Resi- lienz, Wissen transparent machen und Immersives Lernen und Lehren mit sozialer virtueller Realität. Eine Anmeldung für die Workshops ist nicht erforderlich, die Teilnehmendenzahl vor Ort jedoch begrenzt. Fachmesse macht digitale Bildung erlebbar Das besondere an der LEARNTEC ist die Kombination von Kon- gress und Fachmesse. Rund 400 nationale und internationale Aussteller präsentieren auf der LEARNTEC ihre neuesten IT-ge- stützten Lernmethoden, -technologien und Best-Practices im Service lebenslangen Lernen. Nahezu alle relevanten Anbieter digita- ler Bildung sind auf der LEARNTEC vertreten. Interessierte er- halten von ihnen individuelle Lösungen für ihren Lernalltag und können sich mit Gleichgesinnten vernetzen und austauschen. Im LEARNTEC Future Lab können die Besucherinnen und Be- sucher erleben, wie die digitale Zukunft aussieht und die neu- esten Technologien wie Metaverse und KI gleich live ausprobie- ren. Innovative Ideen sind wichtige Wachstumstreiber, auch in der Bildungsbranche. Deshalb fördert die LEARNTEC auch 2023 wieder ganz besonders den Nachwuchs der Branche. In diesem Jahr wird es in Zusammenarbeit mit EDUvation auf der LEARN- TEC gleich zwei Start-up Bereiche geben: Das LEARNTEC Star- tUp Valley @Corporate in der Halle 2 mit Jungunternehmen aus dem Corporate Learning und neu das LEARNTEC StartUp Valley @School in der dm-arena rund um die digitale Schule der Zu- kunft. Neu in diesem Jahr findet zudem zeitgleich zur LEARNTEC die neue Fachmesse New Work Evolution statt. Sie ist eine Ver- anstaltung für Unternehmen, Planenende und Beratende die sich mit der Zukunft der Arbeitswelt beschäftigen. Sie bietet eine Plattform für Unternehmen, um die neusten Entwicklun- gen und Innovationen im Bereich der New Work zu präsentieren und zu diskutieren. Besuchende der New Work Evolution haben die Möglichkeit, sich über die neusten Trends und Entwicklun- gen im Bereich der New Work zu informieren und von Expertin- nen und Experten zu lernen. Es gibt Vorträge und Workshops, die sich mit Themen wie Flexibilität, Zusammenarbeit und Technologie befassen. Weitere Informationen und Tickets gibt es online unter www.learntec.de QUELLE: learntec.de HR Performance 2/2023 75

Anbieter Messe-Highlights Der Gamechanger für Ihre Sicherheitskultur Cybersecurity und sicheres Verhalten lernen Mit Social Engineering und Phishingmails umgehen Cyberkrimi- nelle technische Schutzmaßnahmen und nehmen Mitarbeiten- de direkt ins Visier. Es ist die häufigste Angriffsart, die deutsche Unternehmen erleben (Quelle: Kriminologisches Forschungs- institut Niedersachsen e.V.). Mit einer täuschend echt wirken- den E-Mail wird versucht, an Ihre Login-Daten zu kommen. Dabei setzen Kriminelle auf unterschiedliche Trigger wie Angst, Neugier, Hilfsbereitschaft oder Druck. So sieht die E-Mail auf den ersten Blick nach einer dringenden Bitte des Chefs aus, der eine Überweisung beauftragt oder um die Prüfung eines wich- tigen Dokuments bittet. Doch dahinter kann sich Ransomware verstecken, die beim Öffnen das ganze System lahmlegt. Der Mensch im Visier von Cybercrime Gegen diese Art von personalisierten Angriffen können tech- nische Schutzmaßnahmen oft nichts ausrichten. Hier wird der Mensch mit psychologischen Tricks dazu verleitet, etwas Be- stimmtes zu tun. Cybersecurity betrifft uns also alle, nicht nur die IT-Abteilung. Und gerade Sie als Personaler*innen können einen entscheidenden Beitrag zum Schutz Ihrer Organisation beitragen: Schulen Sie Ihre Kolleg*innen darin, wie sie sich im digitalen Alltag sicher verhalten. Cybersecurity lernen mit den richtigen Methoden Die American Federation of Scientists (AFS) hat herausgefun- den, dass sich Lernende bei Game-basierten Lernmethoden an bis zu 90 Prozent mehr Inhalt erinnern als bei traditionel- lem Lernen. Denn spielerische Lernformate holen die Lernen- den durch einen hohen Interaktionsgrad aus ihrer passiven Konsumhaltung heraus. Bilder und Storytelling verankern sich beim Menschen viel stärker als pure Fakten. G DATA CyberDefense AG Königsallee 178 44799 Bochum Tel.: 02 34/97 62-0 E-Mail: info@gdata.de https://www.gdata.de LEARNTEC 2023 Halle: 1 – Stand: F44 Ansprechpartner: Herr Matthias Koll Optimalerweise erschafft man aus diesen Erkenntnissen eine ganz eigene Lernwelt, angereichert mit vielen gamifizierten Elementen. Das können zum Beispiel Click-and-Reveal-Ele- mente oder zeitgesteuerte Herausforderungen sein. Gerade bei komplexen und als trocken empfundenen Themen wie IT-Si- cherheit sind spielerische Ansätze besonders hilfreich. Ein Bei- spiel gefällig? Serious Game zu Ransomware In unserem Security Awareness Game schlüpfen Ihre Mitar- beitenden in die Rolle von Spielcharakter Martin. Durch einen dummen Fehler landet dieser in der Cyber-Unterwelt und muss sich aus den Fängen des Erpressers Randy Ransom befreien. In stilechter Retro-Optik bringt dieses Spiel den Lernenden näher, wie Erpressertrojaner funktionieren und wie sie sich davor am besten schützen. Testen Sie das Game gern selbst an unserem Stand F44 in Halle 1. Wir freuen uns auf Sie! Komplettpaket mit LMS oder Content-Stream Alle Security Awareness Trainings der G DATA academy sind als Komplettpaket mit eigenem Learning-Management-System verfügbar. Falls Sie bereits ein LMS wie Moodle, Workday oder Totara im Einsatz haben, ist das auch kein Problem. Streamen Sie unsere Online-Trainings einfach direkt in Ihrem System. Wir stellen Ihnen unsere Lerninhalte im Scorm-Standard bereit. 76 HR Performance 2/2023

Messe-Highlights Anbieter E-Learnings, die nicht nur weiter- bilden, sondern auch Spaß machen Digitales Lernen gewinnt zunehmend an Bedeutung – gerade im beruflichen Alltag. Immer mehr Unternehmen erkennen die Möglichkeiten der kontinuierlichen Weiterbildung mittels digi- taler Formate, um Mitarbeitende und Führungskräfte unter an- derem in rechtlich-regulatorischen Themen zu qualifizieren. Worauf es bei E-Learnings ankommt Was macht ein gutes E-Learning-Angebot aus und wie muss ein E-Learning konzipiert sein, um einen nachhaltigen Lernef- fekt zu erzielen? Besonders eine didaktische Methode hat sich etabliert: Gamification. Darunter versteht man die Übertragung von spieltypischen Elementen in spielfremde Zusammenhän- ge mit dem Ziel der intrinsischen Motivationssteigerung der Lernenden. Im Wesentlichen geht es also darum, Lerninhalte durch den Einsatz von Spielformaten zu vermitteln. Dazu ge- hören etwa interaktive Elemente, die das Belohnungszentrum im Gehirn aktivieren und dafür sorgen, dass Teilnehmende „am Ball bleiben”. Weitere Kriterien für gute E-Learnings sind unter anderem: • Storytelling ist ein entscheidendes Mittel, um Inhalte an- schaulich und nachhaltig in Form von Geschichten zu ver- mitteln. NutzerInnen lernen Informationen anhand von Beispielszenarien, die im Arbeitsalltag vorkommen und die Sachverhalte vereinfacht und praxisnah vermitteln. So wird sichergestellt, dass auch anspruchsvollere und abstrakte Themen verstanden werden. • Adaptives Lernen beschreibt eine Methode, die sich dem Wissensstand der NutzerInnen anpasst. Das bedeutet: NutzerInnen, die bereits über Erfahrungen (z.B. im Daten- schutz) verfügen, können Basis-Lerninhalte überspringen und direkt zu anspruchsvollen Lektionen weitergeleitet lawpilots GmbH Am Hamburger Bahnhof 3 10557 Berlin Tel.: 0 30/22 18 22 80 E-Mail: kontakt@lawpilots.com https://lawpilots.com LEARNTEC 2023 Halle: 1 – Stand: F43 Ansprechpartnerin: Frau Lina Rembold werden. Im Umkehrschluss wiederholen Mitarbeitende, die Schwierigkeiten haben, entsprechende Themen. • Barrierefreie E-Learnings müssen für alle Menschen, unab- hängig von ihrer persönlichen Situation, auffindbar, zugäng- lich und nutzbar sein. Hierbei geht es auch, aber nicht nur um den Einsatz von E-Readern und Navigationshilfen: Die He- rausforderung ist, E-Learnings so barrierefrei zu gestalten, dass dabei das besondere digitale Lernerlebnis mit seinen vielen interaktiven Möglichkeiten bestehen bleibt – und In- halte somit nachhaltig vermitteln. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden bestmöglich und nach- haltig schulen wollen, setzen auf etablierte AnbieterInnen: lawpilots bietet mehr als 45 rechtlich-regulatorische E-Lear- nings in über 35 Sprach- und Länderversionen, die gemeinsam mit anerkannten RechtsexpertInnen und LernpsychologInnen entwickelt wurden. Auf der LEARNTEC vom 23. bis 25. Mai in Karlsruhe stellt lawpilots in Halle 1 am Stand F43 sein Schu- lungsangebot rund um die Themen Datenschutz, Compliance, IT-Sicherheit und Arbeitsschutz vor. Neu im Programm: E-Lear- nings zu zahlreichen ESG-Themen („Environmental, Social and Governance“). HR Performance 2/2023 77

30 Jahre HRP Wie HR-Software HR veränderte (2003 bis 2012) Die Personalleiter 2003 waren in der Welt der Bürotechnik aufgewachsen und erfolgreich geworden. Software half, die Prozesse zu beschleunigen und monotone Tätigkeiten digital zu bewältigen. Obwohl HR-Softwareanbieter schon in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts begannen, die Personal- arbeit neu zu definieren und zu gestalten, dauerte es noch Jahre, bis sich HR dadurch grundlegend ver- änderte. • Der Lufthansa-Manager Thomas Sattelberger wechselte zum Reifenhersteller Continental. Heute sitzt der für die FDP im Bundestag. • Die GFOS feierte in Essen ihren 15. Geburtstag. • Perbit Software GmbH feierte ihr 20-jähriges Bestehen. Wolfgang Witte und Richard Manuel hatten 20 Jahre vorher die Vision, dass sich Personalarbeit digital managen lässt. • Der Song von Bob Dylan: „The Times They Are a-Changin“ wurde 40 Jahre alt, und den Menschen fällt es noch immer schwer mit dieser Erkenntnis zu leben. • Der erste Intel-Chip konnte auf 25 Jahre zurückblicken. • Damals benutzten laut einer Studie bereits 42 Prozent der befragten Unternehmen Software, um ihre Arbeitszeit zu or- ganisieren. • Die Ford Motor Company feierte ihr 100-jähriges Bestehen. 19 Jahre lang fertigte das Unternehmen fast unverändert das Modell „Thin Lizzy“. Innovation war Henry Ford nicht so wichtig. Doch plötzlich war die Konkurrenz besser. Und Ford musste 1927 sein Werk ein halbes Jahr schließen, um ein neues Modell zu entwickeln. • Was für ein Zufall, 2003 gründeten mehrere Ingenieure Tes- la. Damals lächelten die führenden Automobilkonzerne über dieses Start-up. Heute hat es die Automobilwelt verändert. Da darf man zurecht fragen, welche Gründung aus dem Jah- re 2023, verändert die Welt 2043. 15 Jahre zuvor, 1988 entschied ein kleiner Expertenkreis, das neues Netzwerk „Internet“ zu nennen. • 2004 starb Willi Haller, Erfinder der Gleitzeit und Gründer von Interflex Ende der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts erkannte Willi Haller, dass Unternehmen und deren Mitarbeiter, die Wirtschaft und unsere Gesellschaft mit starren Konzepten und Regelun- gen zur Arbeitszeit die aufkommenden Probleme in der Arbeits- welt kaum bewältigen würden. Die Folge war, dass Willi Haller Konzepte zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten entwickelte, an- gefangen mit der bekannten Gleitzeit, der variablen Arbeits- zeit, der Jahresarbeitszeit bis hin zu Entwürfen mit längeren betrieblichen Nutzungszeiten bei sich stets verkürzenden Ein- zelarbeitszeiten. Das war in einer Phase der faktischen Vollbe- schäftigung keine Selbstverständlichkeit. Um das alles prak- tisch realisieren zu können, entwickelte er selbst auf der Basis von Industriezählern die ersten Zeiterfassungsgeräte Ende der Wer erinnert sich noch an das Schaufenster der Bits & Bites? Die CeBIT, das „Centrum der Büro- und Informationstechnik“ fand 1986 erstmals in Hannover statt. Bereits in den 60er-Jah- ren hielt die Elektronik Einzug in die Verwaltung. Um dieser Ent- wicklung gerecht zu werden, spaltete die Deutsche Messe AG in Hannover die Bürotechnik von der Industrieschau Hanno- ver Messe ab. Nach gut 30 Jahren fand 2018 die letzte CeBIT statt. Weder Deutschland, noch Europa hatten es geschafft, in der Welt der Digitalisierung damals eine Vorreiterrolle zu über- nehmen. Inzwischen gehört die Digitalisierung zum Alltag. Sie durchzieht und begleitet uns in allen Lebens- und Arbeitsbe- reichen. Die Zahl der Anbieter wuchs, die Preise fielen und das Internet wurde immer wichtiger Die Preise für Software und Hardware fielen. Damit wuchs die Bereitschaft der Unternehmen, einzelne HR-Bereiche zu di- gitalisieren. Die junge Generation freute sich über diese Ent- wicklung. Heute bewegt uns das Thema KI landauf landab. Vor 20 Jahren dominierte die Diskussion „Computing on demand“ in Gestalt von ASP (Application Service Providing) die Landschaft. Doch die mangelnden Leitungskapazitäten, der ungenügende Internetservice und die Sicherheitsrisiken bremsten die Ent- wicklung. Was geschah noch 2003? 78 HR Performance 2/2023

60er-Jahre. Sein Entwicklungsehrgeiz war damit keineswegs gestillt. So machte er sich daran, weltweit das erste Computer- system zur Zeiterfassung zu entwickeln. Daraus entstand we- nig später das erste PC-basierende Zeiterfassungssystem für Mittelstandsbetriebe. An den Grundstrukturen des Systems hat sich bis heute wenig geändert. Ihm war es immer wichtig, dass die Arbeit Spaß machte. Das spürten die Menschen, die mit ihm arbeiteten. Sein Konzept hat die Arbeitswelt weltweit verän- dert und revolutioniert. Millionen Beschäftigte und Unterneh- men profitieren täglich von seinen Ideen. Hätte es damals schon den Nobelpreis für Personalarbeit (den es leider bis heute noch nicht gibt) gegeben, er wäre ein würdiger Gewinner gewesen. The man who invented management Am 11. November 2005 starb Peter F. Drucker im Alter von 95 Jahren. Der Österreicher gilt als Erfinder des Managements. Seine Lebensphilosophie lautete:“ Es kommt nicht darauf an, was es mir bringt, sondern darauf, was für einen Beitrag ich leisten kann.“ Auch er wäre ein würdiger Gewinner des HR-No- belpreises gewesen. Konrad Zuse, einer der Erfinder des Computers hat einmal er- zählt, dass er als Bauingenieurstudent keine Lust hatte, selbst zu rechnen, und deshalb den Computer erfand. In der der Ausgabe der CoPers 3/2006 habe ich Dr. Ulrich Kampffmeyer, ein Pionier des Informationsmanagements, mit seinen zehn Geboten zum Thema Information zitiert: „Du sollst nicht redundante Information neben der wahren Information haben! Du sollst dir ein Bildnis von deiner Information machen, auf dass du sie finden mögest! Du sollst die Originalität der In- formation ehren und sie nicht verfälschen! Du sollst deine Infor- mation nicht löschen, bevor die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist! Du sollst deine Information so pflegen, dass sie immer rich- tig ist! Du sollst nicht falsche Information benutzen! Du sollst deine Information so schützen, dass sie nicht gestohlen werden kann oder zerstört wird! Du sollst nicht begehren deines Nächs- ten Information, sondern dem Datenschutz huldigen! Du sollst deine Information so ordnen, dass sie dir nützlich ist! Du sollst den wahren Wert deiner Information erkennen und deine Infor- mation sorgsam bewahren! Kampffmeyer war und bleibt ein Multitalent. Erst kürzlich hat er seinen Rückzug angekündigt. Auch ein würdiger Kandidat für den HR-Nobelpreis. Erinnern Sie sich noch, was für sie 2007 wichtig war? Das iPhone kam auf den Markt und hat die Welt und unser Leben durchdrungen. In der CoPers 3/2007 wurde E-Recruiting erst- mals zum Thema. Und seither dominiert es die Personalmes- sen. 2008: Aus CoPers wird HR Performance Das Digitale gehörte ab sofort zu unserem Alltag. Deshalb änderten wir den Titel der Zeitschrift in HR Performance. Das Ziel der Redaktion war es immer, den bestmöglichen In- put für die optimale Performance der Personalabteilung zu bieten. IT leistet hier einen herausragenden Beitrag. 2008 30 Jahre HRP IInn ddiieesseerr AAuussggaabbee lleesseenn SSiiee uu.. aa..:: • • • • • • Zeit und Zutritt Zusammenspiel von RFID und ECM Jahresregister 2007 Business Intelligence und HR Identity Management Strategie Rettung vor der E-Mail-Flut Anbieterübersichten: - HR-/IT-Berater - CeBIT Highlights - HR Tools starb Prof. Dr. Eduard Gaugler. Er gehörte zu den Gründungs- vätern der Personalwirtschaftslehre an den deutschen Hoch- schulen. Er hat die wissenschaftliche Entwicklung dieser Dis- ziplin der Betriebswirtschaftslehre und den Kontakt mit der Personalpraxis nachhaltig gefördert und beeinflusst. Die P&I AG feierte im gleichen Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum. Eine HR-Softwareschmiede, die Jahre vor Microsoft gegründet wurde. Eine Studie fand 2009 heraus, dass sich mehr als jeder zwei- te Deutsche seinen Alltag ohne das Web nicht mehr vorstellen kann. Viele würden lieber auf das Auto oder sogar einen Le- benspartner verzichten als auf das Internet oder ihr Handy. 2010 lag erstmals die zweimal im Jahr erscheinende „HR RoundTable News“ der HR Performance bei. Im Editorial 4/2010 erinnerte ich an Konrad Zuse, der 1910 ge- boren wurde. Und im Sommer 2010 nahmen wir Abschied von Bernd Hentschel. Er gehörte zu den Mitbegründern von DATA- KONTEXT. Gemeinsam mit Prof. Dr. Wilhelm Mülder hob er 1993 den Newsletter „Computergestützte Personalarbeit“ aus der Taufe. 2012 verkündete die Internationale Delphi-Studie 2030, dass die IKT in 10 Jahren unser gesamtes Leben bestimmen wird. Die umfassende Vernetzung wird private, geschäftliche und öffentliche Bereiche miteinander verbinden. Dieses Jahrzehnt zeigte, die Menschen sind der treibende Mo- tor. FRANZ LANGECKER, Chefredakteur HR Performance HR Performance 2/2023 79

Datenschutz und HR Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) – der zweite Anlauf Der Deutsche Bundestag hatte zunächst am 16. Dezember 2022 ein Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Um- setzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht (ABl. L 305 v. 26.11.2019, S. 178) melden, beschlossen. Nachdem der Bundesrat diesem Gesetz in seiner Sitzung am 10. Februar 2023 die Zustimmung versagte, haben die Koalitionsparteien dem Bundestag das HinSchG unter Verzicht auf die Regelungen, die die Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrats begründet hatten, und ansonsten in weitgehend unveränderter Fassung erneut vorgelegt; (BT- Drs. 20/5992 v. 14.3.2023). Der Beitrag stützt die- sen Text. Für die öffentlich-rechtlich Bediensteten der Länder soll die Thematik in einem gesonder- ten, der Zustimmung des Bundesrats bedürftigen Gesetz erfolgen. Der Bundestag behandelte die Gesetzesentwürfe am 17.3.2023 in erster Lesung. Der weitere Fortgang des Gesetzgebungsverfah- rens war bei Fertigstellung dieses Beitrags noch offen. Das HinSchG als neues Whistle- blowing-„Stammgesetz“ Das Gesetzesziel Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes ist es, Personen, die unternehmens-/behördeninter- ne Rechtsverstöße i.S.d. § 2 HinSchG melden (§ 3 Abs. 4 HinSchG) oder offenlegen (§ 3 Abs. 5 HinSchG), vor negativen Konsequenzen vornehm- lich seitens des als „Beschäftigungsgeber“ (§ 3 Abs. 9 HinSchG) benannten Arbeitgebers aber auch seitens der gemeldeten „Rechtsverletzer“ zu schützen und ihnen damit die Entscheidung für 80 HR Performance 2/2023

Datenschutz und HR eine Meldung zu erleichtern.1 Es soll neben fort- bestehenden Einzelregelungen das Stammgesetz zur Regelung des Whistleblowings2 sein. Gesetzesadressaten Nach § 12 HinSchG sind Beschäftigungsgeber zur Einrichtung von Meldesystemen und inter- nen Meldestellen verpflichtet, sofern in der Re- gel – Abweichungen nach unten regelt Absatz 3 – mindestens 50 Beschäftigungen vorliegen.3 Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigten- zahl bedarf es eines Rückblicks auf die bisheri- ge personelle Stärke und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung.4 Es soll nicht eine auf einen bestimmten Stichtag abgestellte Betrach- tung erfolgen. Die geschützten Meldedaten und ihre Haftung Der Schutz des Gesetzes umfasst als „hinweis- gebende Personen“ (§ 1 HinSchG) neben Arbeit- nehmern auch Beamte, Anteilseigner, Mitarbeiter von Lieferanten und Personen, die bereits vor Be- ginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnisse von Verstößen erlangt haben. Informationen über die in einem umfangreichen Katalog aufgelistete Rechtsverletzungen erfasst das Gesetz mit dem Begriff „Meldung“ (§ 3 Abs. 4 HinSchG). Potenzielle Hinweisgeber5 sollen zu entsprechen- dem Handeln motiviert werden und werden daher auch dann von einer Haftung freigestellt, wenn sie nicht grob fahrlässig falsch beschuldigen (§ 38 HinSchG). Ergreift der Beschäftigungsgeber gleichwohl Maßnahmen gegen den Hinweisge- ber, so sind diesem ausdrücklich (§ 37 Abs. 1 S. 2 HinSchG) auch erlittene Nicht-Vermögensschä- den (§ 253 Abs. 1 BGB) zu ersetzen. Gesetzwid- riges Verhalten des Beschäftigungsgebers kann mit relevantem Bußgeld belegt werden (§ 40 Abs. 6 HinSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG). 1 Vgl. z.B. Gerdemann, Neuer Entwurf für ein HINWEISGEBER- SCHUTZGESETZ; ZRP 2022, 98; Junker, Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen; EuZA 2023,1; Ibel, Whistleblowing über Verstöße gegen die Pflicht zur Verfassungstreue, NJOZ 2023, 321, Schoch/Kumar; Der neue Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes, CB 2022, 181; Rosner, Entwurf des HinSchG geht weit über die Umset- zung der EU-Richtlinie hinaus, NWB 7/2022, S: 3173; Zim- mer/Humphrey;. Petzen? Ja, bitte! Meldesysteme nach der Whistleblower-Richtlinie der EU | BB 2021, 372. 2 Scholz, Hinweisgeberschutz zwischen Legalitäts- und Lega- litätskontrollpflicht, Die Aktiengesellschaft 2022, 553. Andererseits schuldet der Hinweisgeber bei vor- sätzlicher oder grob fahrlässiger Falschbeschul- digung Schadensersatz sowohl gegenüber dem Beschuldigten als auch gegenüber dem Arbeit- geber (§ 38 HinSchG). Es besteht Beweislastum- kehr.6 Zur Meldung berechtigende Sachverhalte Zu den zu meldenden Rechtsverletzungen ge- hören zunächst Handlungen, die straf- oder (mit einigen Einschränkungen) bußgeldbewehrt sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG). Unter dem Aspekt des Datenschutzes relevant sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG Verstöße gegen die in lit. o) und p) genannten Vorschriften zum Schutz der Pri- vatsphäre und personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation, zum Schutz vor unzumutbaren Belästigungen durch elektroni- sche Werbung oder auch zum Schutz personen- bezogener Daten im Anwendungsbereich der Da- tenschutz-Grundverordnung. Der in § 1 Abs. 1 HinSchG geforderte „Zusammen- hang des gemeldeten Vorgangs mit der berufli- chen Tätigkeit“ ist weit zu verstehen. Er umfasst nicht nur das formale Arbeits- oder Dienstver- hältnis, sondern z.B. auch Tätigkeiten von Arbeit- nehmervertretungen. Es genügt, wenn laufende oder auch frühere berufliche Tätigkeiten betrof- fen sind. Nicht mehr geschützt sind jedoch Meldungen über privates Fehlverhalten, auch wenn die hin- weisgebende Person im beruflichen Zusammen- hang davon erfährt. Dies gilt auch – trotz der ihrer außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht – für Beamte.7 Melderecht und Meldepflicht Eine Meldepflicht enthält das Gesetz nicht.8 Ob eine solche besteht, hängt – sofern interne Com- pliance-Regelungen9 nicht eine solche im zulässi- gen Rahmen enthalten,10 – von der Reichweite der Treuepflicht der Beschäftigten ab.11 Diese umfasst keine Pflicht zur Selbstbelastung.12 6 Vgl. Zimmer/Schwung, Hilfe für Hinweisgeber – Beweislast- umkehr nach § 36 II HinSchG-RegE, NZA 2022, 1167. 7 BT-Drs 20/5992 S. 39. 8 Gola, HinSchG, HR-Performance 1/2023, S. 68. 9 Teichmann/Weber, Die Whistleblower-Richtlinie, ihr Miss- brauchspotenzial und Implikationen für den Compliance-Be- auftragten, CB 2022, 157. 3 Gortan, Berechnung der Beschäftigtenanzahl und Begriff der 10 Naderhirn, Whistleblowing im Arbeitsrecht, DRda 2014, Organisationseinheit im RefE des HinSchG , NZA 2022, 838. Heft 348. 4 BAG, Urt. v. 31.1.1991 – 2 AZR 356/90, v. 24.1.2013 – 2 AZR 140/12. 11 Gola, HinSchG; HR-Performance 1/2023, S. 68. 12 BGH v. 23.2.1989 – IX ZR 236, 86; Schulz, Compliance – Inter- 5 Gola, HR Performance 1/2023, S. 68. nes Whistleblowing, BB 2011, 629. HR Performance 2/2023 81

Datenschutz und HR Fortgeltung bereits bestehender Hinweisregelungen Auch wenn das Hinweisgeberschutzgesetz das „Stammgesetz“ zur Regelung des internen und externen Whistleblowings sein soll, bleiben zur Thematik bereits geschaffene bereichsspezifi- sche Vorschriften für spezielle Meldesysteme (§ 4 Abs. 1 HinSchG) bzw. besondere Schwei- ge- (§ 5 HinSchG) und sonstigen Geheimhal- tungspflichten (§ 6 HinSchG) mit ihren Sonder- zuständigkeiten vorrangig bestehen. Soweit die spezifischen Regelungen keine Vorgaben machen, gelten die Bestimmungen des HinSchG.13 Generelles zu den Meldewegen Allgemeines Der Beschäftigungsgeber hat den hinweisge- benden Personen zwei gesetzlich definierte und gleichwertig nebeneinanderstehende Möglich- keiten zur Mitteilung von Meldungen (§ 3 Abs. 4 HinSchG) an interne (§ 12 HinSchG) oder externe Meldestellen (§§ 19 bis 24 HinSchG) anzubieten. Entgegen früherer Rechtsprechung14 wird nicht mehr der Vorrang des Versuchs der innerbetrieb- lichen Klärung als arbeitsvertragliche Neben- pflicht postuliert. Der interne Meldekanal kann z.B. ein elektroni- sches Hinweisgebersystem, der Weg zur Com- 13 Vgl. Gola, HinSchG; HR-Performance 1/23, S. 19. 14 BAG, Urt. v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02. 82 HR Performance 2/2023 pliance-Abteilung oder zu einer Ombudsperson oder einem Vertrauensanwalt15 sein. Während die Einrichtung des internen Meldeka- nals Sache des Beschäftigungsgebers ist, sind die externen Meldestellen gesetzlich u.a. als Einrich- tung beim Bundesamt für Justiz oder bei Behör- den mit speziellen Zuständigkeitsbereichen wie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- sicht (BaFin) dem Bundeskartellamt (BKartA) eta- bliert. Anonyme Meldungen Interne und externe Meldestellen müssen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten (§ 16 Abs. 1 S. 4.; § 27 Abs. 1 S. 2 HinSchG), obwohl zur Regelung dieser Meldeart keine Notwendigkeit nach Art. 6 Abs. 2 HinSch-RL bestand.16 Dafür sind Meldekanäle vorzuhalten, welche die anonyme Kontaktaufnahme und die für die hinweisgeben- de Person anonyme Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und der Meldestelle er- möglichen. Aus Compliance-Sicht sind anonyme Meldungen begrüßenswert, da sie eine weitere potenzielle Hemmschwelle für Hinweisgeber abbauen. Aus der Sicht unberechtigt „Verleumdeter“ gilt das Gegenteil. Bereichsspezifische Erlaubnis der Meldestellen zur Datenverarbeitung Interne und externe Meldestellen erhalten in § 10 HinSchG die bereichsspezifisch geregelte Befug- nis gemäß Art. 4 DS-GVO, personenbezogene Da- ten zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer in den §§ 13 und 24 bezeichneten Aufgaben erfor- derlich ist. Abweichend von Art. 9 DS-GVO ist auch die Verarbeitung besonderer Kategorien perso- nenbezogener Daten durch eine Meldestelle zu- lässig, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben er- forderlich ist. In diesem Fall hat die Meldestelle spezifische und angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorzusehen; § 22 Abs. 2 S. 2 BDSG ist entspre- chend anzuwenden. Vertraulichkeit der Meldung Meldestellen haben die Daten der involvierten Personen vertraulich zu behandeln (§ 8 HinSchG), 15 Fassbach, Hülsberg, Spamer, Hinweisgeberschutz durch Ver- trauensanwälte, CB 2022, 151. 16 Kritisch hierzu Thüsing, Effektiver Hinweisgeberschutz mit Augenmaß, DB 2022, 1066; Miguel, Das Stigma der Denun- ziation bei anonymen Hinweismeldungen am Beispiel des HinSchG-E – ein Trugschluss!, KriPoZ 2021, 165.

d.h., sie dürfen nur den mit der Bearbeitung des Meldevorgangs zulässigerweise betrauten Per- sonen zugänglich sein. Nach der Gesetzesbe- gründung 17 sind – „soweit erforderlich“ – die für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständigen Personen zur Vertraulichkeit zu verpflichten. Die Erforderlichkeit ergibt sich aus den parallel gel- tenden Vorschriften der DS-GVO und des BDSG. Das Gebot der Vertraulichkeit bedingt aber auch Einschränkungen der datenschutzrechtlichen Auskunfts- und Informationsrechte. Ausnahmen von Vertraulichkeitsgebot gelten ferner zum ei- nen für vorsätzlich oder grob fahrlässig handeln- de Hinweisgeber (§ 9 Abs. 1 HinSchG) und zum anderen im Rahmen der Untersuchungen durch nationale Behörden oder in Gerichtsverfahren – und hier auch im Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person. Die Vertraulichkeit seiner Person kann von dem Hin- weisgeber dadurch sichergestellt werden, dass seine Meldung anonym erfolgt. Dokumentationspflicht Internen und externen Meldestellen wird in § 11 HinSchG vorgegeben, alle eingehenden Meldun- gen in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beach- tung des Vertraulichkeitsgebots (§ 8 HinSchG) schriftlich oder – mit Einwilligung des Betroffe- nen – auch elektronisch zu dokumentieren. Die Aufbewahrungsfrist beträgt drei Jahre. Nach Art. 18 Abs. 2 bis 4 HinSch-RL ist dem Hin- weisgeber – ggf. in elektronischer Form – Ge- legenheit zu geben, das jeweilige Protokoll, die Niederschrift oder das Gesprächsprotokoll zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren und es durch seine Unterschrift zu bestätigen. Interne Meldestelle Der Handlungsspielraum Nach § 14 HinSchG hat der Beschäftigungsgeber bei der Organisation interner Meldestellen einen weiten Spielraum. Voraussetzung für die Funk- tionsfähigkeit des Meldesystems ist allerdings, dass die Person oder Organisationseinheit, die mit der Aufgabe betraut wird, die nötige Unab- hängigkeit hat und ohne Interessenkonflikte für eine gewisse Dauer arbeiten kann. Die interne Meldestelle kann auch „extern“ sein, d.h. es können, so wie dies auch bereits in der 17 BT-Drs. 20//73442, S. 74. Datenschutz und HR Praxis teilweise durch Ombudspersonen18 ge- handhabt wird, externe Dritte mit der Einrichtung und dem Betreiben der internen Meldestelle be- auftragt werden, wobei der Dritte jedoch nicht losgelöst von dem betreffenden Unternehmen oder der jeweiligen Institution agieren kann. Sei- ne Tätigkeit sollte demgemäß als Auftragsdaten- verarbeitung geregelt werden.19 Insbesondere für Folgemaßnahmen zur Prüfung der Stichhaltig- keit einer Meldung und der Abstellung eines Ver- stoßes bedarf es einer Kooperation zwischen der Meldestelle und dem Beschäftigungsgeber. Auch Konzernregelungen sind zulässig.20 Verfahren der internen Meldung Nach § 16 Abs. 3 müssen interne Meldekanäle Meldungen in mündlicher oder in Textform er- möglichen, solange bei dem gewählten Übertra- gungsweg die Vertraulichkeit der Identität der von der Meldung betroffenen Personen gewahrt ist. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer ange- 18 Feger, EU-Hinweisgeberrichtlinie und HinSchG-E: Möglich- keiten und Nutzen der Einbindung von Ombudspersonen, CB 2022, 187. 19 Vgl. auch Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 1 HinSchG; BT- Drs. 20/5992, S. 64. 20 Gola, HinSchG, HR-Performance 1/2023, S. 68; Zimmer/Hum- phrey; Meldesysteme nach der Whistleblower-Richtlinie der EU, BB 2022, 372; Kappen/Cho/Gaertner, Konzernlösung des HinSchG-E –Unionsrechtswidrig?; CB 2022, 237. HR Performance 2/2023 83

Datenschutz und HR cher Konsequenzen informiert bzw. Strafanzeige stellt, ist ebenfalls ihm überlassen. Eine Reaktionspflicht besteht allein gegenüber dem Einmeldenden beginnend mit der Eingangs- information und endend mit der Mitteilung, ob bzw. welche Maßnahmen ergriffen wurden. Externe Meldestelle Zuständigkeit Die zentrale externe Meldestelle auf Ebene des Bundes wird beim Bundesamt für Justiz (BfJ) an- gesiedelt (§ 19 HinSchG). Daneben sollen in spezi- ellen Zuständigkeitsbereichen, wie z.B. denen der BaFin oder des Bundeskartellamts, dort existente Meldestellen bestehen bleiben. Verfahren Das Verfahren bei externen Meldestellen regeln im Einzelnen die §§ 27 bis 31 HinSchG. Die externe Meldestelle kann Auskünfte einholen und erteilt der hinweisgebenden Person Rückmeldungen. Die externen Meldestellen haben auch anonym eingehende Meldungen zu bearbeiten und müs- sen hierfür einen sicheren Meldeweg vorsehen (§ 27 HinSchG). Meldung an die Öffentlichkeit Schließlich kann als nicht subsidiäre Hinweis- möglichkeit der Weg an die Öffentlichkeit gewählt werden (§ 32 HinSchG). Es ist der hinweisgeben- den Person überlassen den Weg der „Offenle- gung“ (§ 3 Abs. 5 HinSchG) des Vorgangs zu wäh- len. Sie darf hierbei nicht behindert werden (§ 7 Abs. 2 HinSchG). Praxisbezogene Gesetzesfolgen Bei der technischen Umsetzung des HinSchG sind des Weiteren sich aus anderen rechtlichen Vor- gaben ergebenden Anforderungen zu beachten, wozu Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats oder unter Einschaltung des DSB zu erfüllende datenschutzrechtliche Anforderungen gehören. PETER GOLA, u.a. Herausgeber eines Kommentars zur DS-GVO und des bei DATAKONTEXT erschienenen Hand- buchs zum Beschäftigten- datenschutz messenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen. Mit Einwilligung der hinweisgeben- den Person kann die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen. Datenschutzbeauftragte als Meldestelle Die internen Meldestellen müssen unabhängig sein, die nötige Fachkunde haben und ihrer Tä- tigkeit ohne Interessenkonflikte nachgehen kön- nen (§ 15 Abs. 1 HinSchG). Bei kleineren Beschäf- tigungsgebern wird oftmals der Arbeitsbedarf nicht so groß sein, dass ein Beschäftigter aus- schließlich für das Betreiben der internen Melde- stelle zuständig sein muss. In diesen Fällen kann die jeweilige Person gleichzeitig andere Aufgaben wahrnehmen, sofern sie hierbei nicht in Interes- senkonflikte gerät. Die Gesetzesbegründung sieht z.B. die Möglichkeit, den Datenschutzbeauftrag- ten mit der Aufgabe zu betrauen.21 Dabei spielt es keine Rolle, ob eine interne oder externe Bestel- lung vorliegt. Reaktion des Meldeempfängers Welche Konsequenzen der Meldeempfänger, d.h., in der Regel der Arbeitgeber, aus der Meldung zieht, bleibt – abgesehen davon, dass er rechts- widriges Verhalten abstellen muss – ihm überlas- sen. Schenkt er einer „Verdachtsmeldung“ keinen Glauben, so muss er der Sache nicht nachgehen. Stellt er eine Verfehlung eines Mitarbeiters fest, kann er versuchen die Angelegenheit intern zu regeln. Ob er Behörden bezüglich strafrechtli- 21 Vgl. Erwägungsgrund 56 HinSch-RL sowie BT-Drs. 5992 S. 66. 84 HR Performance 2/2023

Advertorial Praxis Datenschutz: Einwilligungen im Arbeitsverhältnis Dokumentation, korrekte Formulierung und Freiwilligkeit. Des- halb sollten Unternehmen sorgfältig prüfen, ob sie nicht auf eine andere Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personen- bezogener Daten zurückgreifen können. Insbesondere die elek- tronische Erfassung von Mitarbeiterdaten kann für den Arbeit- geber Nachteile und Unsicherheiten mit sich bringen. Das Weiterbildungsangebot im Bereich Datenschutz der Bitkom Akademie Das Thema Datenschutz ist ein zentraler Bestandteil des Wei- terbildungsangebots der Bitkom Akademie. Der Fokus liegt ins- besondere auf praxisnahen und aktuellen Fortbildungen. Zu den Highlight-Seminaren zählen unter anderem: • Ausbildung zum Datenschutzbeauftragten gemäß DS-GVO und BDSG • Recht & Datenschutz für IT-Verantwortliche • Datenschutz-Risikomanagement in der Praxis (DSFA) Bitkom Consult Das Beraterteam von Bitkom Consult unterstützt Unternehmen aus allen Branchen bei rechtlichen, technologischen und orga- nisatorischen Fragen rund um den Datenschutz. Unsere Leis- tungen reichen vom externen betrieblichen Datenschutzbeauf- tragten, über Mediationsdienste bis hin zur Durchführung von Schulungen, Seminaren und Weiterbildungen: www.bitkom- consult.de. Bei Interesse an unseren Weiterbildungen, wenden Sie sich gern an Ricarda Pfirrmann: r.pfirrmann@bitkom-service.de. QUELLE: www.bitkom-akademie.de HR Performance 2/2023 85 Die Debatte rund um Beschäftigteneinwilligungen – welche in § 26 Absatz 2 BDSG festgeschrieben sind – ist in den letzten Jahren intensiver geworden. Der Paragraf regelt die Einwilli- gung von Angestellten und die Verarbeitung ihrer personen- bezogenen Daten. Eine wirksame Einwilligung liegt hierbei nur dann vor, wenn sie freiwillig erfolgt und auf einer informierten Entscheidung beruht. Zudem müssen die Mitarbeitenden jeder- zeit das Recht haben, ihre Einwilligung zu widerrufen. Dennoch wird insbesondere die Frage, ob diese Einwilligung von Mitarbeitenden als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten ausreichend ist, kontrovers disku- tiert. Einige Sachverständige argumentieren, dass die Abhän- gigkeit der Beschäftigten von ihren Arbeitgebern zu einem Un- gleichgewicht führen und die Freiwilligkeit von Einwilligungen infrage stellen könnte. Freiwilligkeit der Einwilligungen Neben der Einwilligung können auch andere Rechtsgrundlagen wie die Erfüllung des Arbeitsvertrags, gesetzliche Verpflich- tungen oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers für die Datenverarbeitung herangezogen werden. Arbeitgeber müssen jedoch sicherstellen, dass sie diese Rechtsgrundlagen einhal- ten und die Datenverarbeitung auf das erforderliche Maß be- schränken. Auch die DS-GVO betont, dass Einwilligungen von Arbeitnehmern freiwillig und in einer klaren und verständlichen Sprache formuliert sein müssen. Im Kontext von Arbeitnehmerverhältnissen sind Zustimmun- gen daher ein unsicherer Bereich. Sie erfordern eine genaue

Management Gesundheit im digitalen Zeitalter „Hannes managt“ ist eine Geschichten-Serie mit feinsinniger Satire aus den und über die Management-Etagen. Die neue App soll es richten Das Unternehmen von Hannes hat den An- spruch, im eigenen Teilmarkt als Innovations- führer zu gelten. Das wird zugegebenermaßen immer schwieriger. Dieselben Softwares überall, die Margen sind knapp, die Prozesse austariert, viele Produkte austauschbar. Auch „Gesundheit am Arbeitsplatz“ ist erfunden. Aber das Thema in den Zusammenhang von „New Work“ zu setzen – hier liegt noch Potenzial. Also hat man entschie- den, „Gesundheit am Arbeitsplatz“ in die digitale Welt zu transferieren. Nur „Gesünder-Sein“ ist zu profan, dank feiner Rückkehrgespräche die Moral hochzuhalten und damit die Absenzentage zu re- duzieren, das kennt und tut man. Hannes ist dazu verknurrt worden, eine Arbeits- gruppe zu bilden. Diese erstellt die Anforderun- 86 HR Performance 2/2023

Management gen an eine neu zu schaffende Health-App-Y. (Y steht für why = warum? und etwas behelfsmä- ßig ergänzt: darum). So werden sämtliche Gesundheitsaktivitäten mit einem persönlichen Bonussystem verknüpft und entsprechend den Ermäßigungsquoten in ähn- lichen Apps von Krankenversicherungen hier in Freistunden umgewandelt. Optional kann auch, wer genügend Gesundheits-Punkte (sogenann- te GePus) gesammelt hat, auch das teurere Menü am nächstjährigen Weihnachtsessen kostenlos upgraden. Nur vernetzt ist gut Die persönliche H-App-Y ist direkt mit der zen- tralen HR-Datenbank in der Lohnadministration verknüpft. Über Blockchain werden die Daten (of- fiziell) anonymisiert und als neutrale Meldung ins HR übermittelt. Es werden neben den übli- chen Schrittzählern auch innovative Smalldaten erfasst. Wer einen Apfel ist, hält bis längstens zehn Minuten nach dessen Verzehr seinen Finger auf den Fingerprintleser. Das System erfasst den tieferen Cholesterin-Wert. Gibt GePus. Wer im Personalrestaurant mit dem digitalen Zahlungs- system für einen MaxHavelaar-Grüntee bezahlt, dem werden nochmals vier GePus direkt hono- riert. Die Menüauswahl ist neu an das H-App-Y- Bonusprogramm verknüpft und „gesund-essen“ wird direkt in entsprechende Gutschriften bezahlt u.v.m. Aber klar: Wer im Upgrade dann an Weih- nachten die fette Gans wählt, erhält ausnahms- weise an jenem Tag keinen Abzug. Der nächste Schritt ist noch offen Dazu: Wer sein Büro unter 21 Grad aber über 19 Grad heizt, hat einen ganz bestimmten Schlot- terkoeffizient. Ein wenig sich bewegen, damit man warm hat, aber nicht zu stark, das auf ge- sundheitsschädliche Unterkühlung hinweist. Die- ses Faktum ist gut bezahlt. Gibt zehn GePus. Was man mit dem Zahlenmaterial macht? Nun ja, das ist dann wohl die Aufgabe einer zweiten Arbeitsgruppe, wo Hannes hofft, dass er vom Mitmachen in selbiger davon kommt. Mit einem provisorischen Eintrag im Outlook, das mit der H-App-Y verknüpft ist, sollte das klappen. Jeder sieht, dass er plant, bald in das Sabbatical zu ge- hen. Er ist terminlich blockiert und allein der Ein- trag gibt schon fünf GePus. Tagesziel erreicht! STEFAN HÄSELI, Keynote-Speaker, Kommunikationstrainer und Kabarettist, E-Mail: stefan.haeseli@ stefanhaeseli.ch, stefan-haeseli.com Tausendschöne Momente. Endlich sind sie da. Spenden und Infos unter www.rotenasen.de

Profil: Vorname, Name: Prof. Dr. Norbert Rohleder Firma, PLZ/Ort: Hochschule Mainz, Fachbereich Wirtschaft, 55128 Mainz Position/Tätigkeit: Professor für Human Resource Management und soziale Interaktion Kontaktdaten: www.hs-mainz.de Was ist für Sie im Leben wichtig? Familie, Gesundheit und Freude am Augenblick. Was ist der beste Ratschlag, den Sie je erhalten haben? Überdenke, was wirklich wichtig im Leben ist und richte dich entsprechend danach aus. Worüber können Sie lachen? Gut gemachte Satire. Wobei können Sie am besten abschalten? Beim Sitzen auf einer Bank bei sonnigem Wetter mit Panorama- ausblick und Roséwein. Langes Wochenende. Kurztrip. Wohin und mit wem? Städtereise mit meiner Frau. Sie bekommen 1.000 Euro geschenkt. Was machen Sie damit? Den nächsten Kurztrip am verlängerten Wochenende. Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Freizeit? Musik (aktiv in einer BigBand) und ehrenamtlich in der Kommu- nalpolitik. Welche Musik hören Sie gern? 80er. Hier können Sie ein Buch empfehlen: Herausforderung Arbeitsalltag: Tipps und Impulse für Motiva- tion und Lebensqualität im Berufsleben. ;-) Service WIR STELLEN VOR Prof. Dr. Norbert Rohleder Persönliches Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind? Arzt. Ein guter Tag beginnt … … mit einem guten Kaffee und ausgiebigem Frühstück. Am liebsten beschäftige ich mich mit … … Themen rund um das HR-Management. Wenn Sie einen persönlichen Wunsch frei hätten, würden Sie … … alle schweren Krankheiten besiegen. Beschreiben Sie sich mit drei Worten: Strukturiert, zuverlässig, empathisch. Was würden Sie gern in Ihrem nächsten Leben machen? Musik komponieren (in der Hoffnung, dann Begabung dafür zu haben). 88 HR Performance 2/2023

Service Entweder … oder: Tee oder Kaffee? Kaffee Berge oder Meer? Berge (mit Seen). Winter oder Sommer? Sommer. Fahrrad oder Auto? Fahrrad. (Nacht-)Eule oder Lerche? Lerche. Kino, DVD oder Streaming? Streaming. Fotos: © Hochschule Mainz/Nathalie Zimmermann Zum Beruf Wie sind Sie zu dem gekommen, was Sie heute machen? Bereits während meiner Ausbildung zum Industriekaufmann bei einem Automobilzulieferer formierte sich ein Interesse für den Personalbereich. Und so konnte ich als „Wahlabteilung“ in den letzten sechs Monaten meiner Ausbildung den Perso- nalchef am Produktionsstandort des Unternehmens in viel- fältigen HR-Aufgaben unterstützen – und auch an einem ers- ten Vorstellungsgespräch teilnehmen. Der Ausbildung schloss sich ein betriebswirtschaftliches Studium an, in dem ich mich im Hauptstudium auf „Personal und Ausbildungswesen“ fo- kussierte. Direkt im Anschluss war ich als wissenschaftlicher Assistent auch für das Fachgebiet Personalmanagement tätig und studierte parallel Wirtschaftspädagogik. Die erste „richtige“ Personalerstelle führte mich dann für knapp vier Jahre in ein IT-Systemhaus, in dem ich im Laufe der Zeit die Gesamtverantwortung für den HR-Bereich über- nehmen konnte. Fast zeitgleich mit Beginn meiner berufsbe- gleitenden Promotion wechselte ich dann in die Personal- und Organisationsentwicklung eines weltweit führenden Pharma- unternehmens. Nach zwölf Jahren einschlägiger HR-Arbeit z.B. in der Personalleitung für Forschung, Entwicklung und Medizin und der HR-Verantwortung für Vertrieb, Marketing und Busi- nesssupport, nahm ich 2012 den Ruf als Professor für Human Resource Management an die Hochschule Mainz an. Was schätzen Sie an Ihrem Job am meisten? Die Freiheitsgrade, mich in meiner Funktion mit den Entwick- lungen im HR-Bereich auseinanderzusetzen, die Möglichkeit, sehr nah an den Unternehmen zu sein und die betrieblichen Herausforderungen, im Personalmanagement erleben und teilweise mitgestalten zu können sowie die akademische Leh- re als Impuls zu betrachten. Aber auch die Studierenden in den Veranstaltungen im seminaristischen Stil zu unterstützen und ihre Ziele vor dem Hintergrund ihres Vorwissens, ihrer Erfah- rungen und Interessen zu erreichen. Was sollte in Ihrem Tätigkeitsbereich noch erfunden wer- den? In vielen unternehmerischen Funktionsbereichen ist es mög- lich, ökonomische Kennzahlen zu ermitteln, zu interpretieren und als Grundlage strategischer Entscheidungen einzusetzen. Insofern wäre es eine begrüßenswerte Ergänzung, eine funkti- onierende (!) und anwendungsorientierte Berechnungsgrund- lage zu erhalten, die es ermöglicht, den ökonomischen Wert der Mitarbeitenden einer Organisation zu bestimmen. Bis dato wird der Erfolgsfaktor Mitarbeiter im Rechnungswesen nicht abgebildet; die Belegschaft taucht als Aufwand durch direk- te Personalkosten, Arbeitgebersozialausgaben oder Fortbil- dungsaufwendungen auf. Sollte es umsetzbar sein, immateri- elle Vermögenswerte wie Wissen, Kompetenz, Weiterbildung, Zufriedenheit und Motivation zu bewerten, könnte in einem Folgeschritt darüber nachgedacht werden, einen Aktivposten „People & Culture“ als monetären Wert der Habenseite der Bi- lanz hinzuzufügen. Ihre Botschaft an unsere Leser? Ab und zu mal „Nichtstun“! Dauerstress, Selbstoptimierung, ständige Erreichbarkeit – viele von uns fühlen sich getrieben, ob im Beruf oder privat. Häufig meldet sich das schlechte Ge- wissen, wenn wir nichts tun und es wird mit Zeitverschwen- dung oder unproduktivem Faulenzen assoziiert. Doch als Ge- genpol zu unserem beruflichen und privaten Stress könnten wir Nichtstun – den Müßiggang – gezielt zur Erholung nutzen und quasi als Entspannungstankstelle gewinnbringend ein- setzen. Nichtstun, z.B. beim Spazierengehen oder beim Cap- puccino im Café um die Ecke, sorgt nicht nur für Entspannung und Ausgeglichenheit, sondern ermöglicht in Ruhe seinen Ge- danken nachzuhängen – die wiederum zu innovativen Ideen und kreativen Problemlösungen führen können. Nichtstun schafft damit auch Raum für Inspiration, Kreativität und neue Denkansätze. HR Performance 2/2023 89

Vorschau/Impressum HR Performance 3/2023 – September (geplante Themen) Messe Zukunft Personal Europe 30 Jahre HR Performance Work Systems/New Work Jobportale/Events Workforce Management HR-Transformation Special: Compensation & Benefits Veranstaltungen LEARNTEC 2023 23. bis 25. Mai 2023 in Karlsruhe www.learntec.de Flexible Teilzeit und Altersteilzeit in der Entgeltabrechnung 13. Juni 2023 in München www.datakontext.com oder Tel. 0 22 34/9 89 49-40 Die bAV in der Entgeltabrechnung kompakt 21. Juni 2023 – Online-Schulung www.datakontext.com oder Tel. 0 22 34/9 89 49-40 Lösungen für Befristungen, Teilzeit und Freistellungen 27. bis 28. Juni 2023 – Online-Schulung www.datakontext.com oder Tel. 0 22 34/9 89 49-40 Datenschutz Kompakt 12. bis 13. September 2023 – Online-Schulung www.datakontext.com oder Tel. 0 22 34/9 89 49-40 Zukunft Personal Europe 12. bis 14. September 2023 in Köln www.zukunft-personal.com Aktuelle Infos und Änderungen finden Sie auf der Internet- seite www.datakontext.com. Vertrieb: Dieter Schulz E-Mail: dieter.schulz(at)datakontext.com Abo-Service: Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH Abonnentenservice Hultschiner Straße 8 81677 München Tel.: 0 89/21 83-71 10 Fax: 0 89/21 83-76 20 E-Mail: aboservice(at)hjr-verlag.de Anzeigen-/Mediaberatung und Sonderdrucke: Petra Priggemeyer Tel.: 0 22 34/9 89 49-67 E-Mail: petra.priggemeyer(at) datakontext.com Nachdruck: Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages und unter voller Quellenangabe. Für eingescann- te Manuskripte und Bildmaterialien, die nicht ausdrücklich angefordert wurden, übernimmt der Verlag keine Haftung. Abonnement: 154,00 Euro Jahresabonnement: Einzelheft: 42,00 Euro Jeweils inkl. MwSt. und Versandkosten Herstellung: Dieter Schulz E-Mail: dieter.schulz(at)datakontext.com Der Abonnementspreis wird im Voraus in Rechnung gestellt. Das Abonnement verlängert sich zu den jeweils gültigen Bedingungen um ein Jahr, wenn es nicht mit einer Frist von acht Wochen zum Ende des Bezugszeit raumes ge- kündigt wird. Anzeigenverwaltung Wolfgang Scharf (verantwortlich) Tel.: 0 22 34/9 89 49-60 wolfgang.scharf@datakontext.com Satz/Layout: M-O-P-S, Kirsten Pfaff Königskauler Straße 1, 53773 Hennef Tel.: 0 22 42/91 68 20 E-Mail: kirsten.pfaff(at)posteo.de Druck: QUBUS media GmbH Uwe Schacht Beckstraße 10, 30457 Hannover E-Mail: u.schacht(at)qubus.media Druckauflage: 5.500 Stück 31. Jahrgang 2023 ISSN 1866-3753 Erscheinungsweise: Vier Ausgaben + Specials Beilage: DATAKONTEXT GmbH; HRM Institute GmbH & Co. KG Bildnachweis: Firmenbilder; DATAKONTEXT; (Alex from the Rock, Alexander Limbach, alphaspirit, Andrey Popov, BalanceFormCreative, Bangkok Click Studio, beeboys, ChayTee, David, Dilok, Feodora, gt29, Jesse B-peopleimages.com, jirsak, Kenstocker, khunkorn, , Maksim Kabakou, Ngampol, oxinoxi, pathdoc, pownibe, pressmaster, Prostock-studio, Thapana_Studio, THesIMPLIFY.svg, vectorfusionart, vegefox.com, Vladislav Ociacia, WavebreakmediaMicro, Whale Design, WoGi, Worawut, yellow_man)/ stock.adobe.com Impressum HRPerformance #Netzwerk_für_digitale_HR Verlag: DATAKONTEXT GmbH Augustinusstraße 11 A 50226 Frechen-Königsdorf Tel.: 0 22 34/9 89 49-30 Fax: 0 22 34/9 89 49-32 www.hrperformance-online.de Chefredaktion: Franz Langecker (Fla.) (verantwortlich) Tel.: 0 22 34/9 89 49-75 E-Mail: langecker(at)datakontext.com Redaktion: Michael Dullau Prof. Dr. Wilhelm Mülder Online-Redaktion: Jessica Herz (Leitung Online) E-Mail: herz(at)datakontext.com Lisa Bieder Konstantin Falke Silvia Klüglich Janek Macak Chiara Schönbrunn E-Mail: datakontext-online(at) datakontext.com 90 HR Performance 2/2023

Jetzt kostenlose Check- liste herunterladen Verbessern Sie jetzt Ihre Employee-Experience Unternehmen mit leistungsbereiten Mitarbeitenden arbeiten 57 Prozent effektiver, Team-Mitglieder kündigen 87 Prozent seltener und selbst der Umsatz ist deutlich höher. Genau deshalb ist eine positive Employee Experience in den letzten Jahren ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor für Arbeitgeber geworden. Mit unserer Checkliste lernen Sie, welche die effektivsten Stellschrauben sind und wie Sie Ihre Employee Experience langfristig verbessern. personio.de