WIE UNTERNEHMEN DIE REFLEXIVITÄT IHRER TEAMS FÖRDERN KÖNNEN Damit Unternehmen Maßnahmen ablei- ten können, mithilfe derer Teams ihre Re- flexivität erhöhen können, ist es zunächst relevant, die verschiedenen Facetten der Teamreflexivität zu identifizieren. In An- lehnung an Chen und Kollegen (2018) lässt sich Teamreflexivität aus einer Prozessper- spektive verstehen und in vier Prozesse zu- sammenfassen, welche als Ausdruck einer hohen Teamreflexivität angesehen werden können: 1. Analyse des Verhaltens der Team- mitglieder, um daraus Schlüsse in Bezug auf Erfolge und Misserfolge in der gemeinsamen Zusammenarbeit zu ziehen. 2. Validierung der Sichtweisen und Ergebnisse, zum Beispiel durch Dis- kussionen im Team oder Betrach- tung objektiver Daten (z.B. Verkaufs- zahlen im Rahmen der Produktivität oder Krankheitstage im Rahmen der Gesundheitsförderung). 3. Aktive Suche nach Feedback von Kolleg:innen, um verschiedene Sichtweisen zu integrieren. 4. Planung und Vereinbarung gemein- samer Ziele sowie Ableitung konkre- ter Maßnahmen zur Verbesserung der Teamsituation (z.B. Kommunika- tion oder Koordination im Team). Interventionen zur Steigerung der Team- reflexivität sollten also vor allem den per- sönlichen Austausch zwischen Teammit- gliedern fördern. Weiterhin fassen Lines und Kollegen (2021) zusammen, dass ent- sprechende Maßnahmen zyklisch, also in regelmäßigen Abständen, wiederholt wer- den sollten und beispielsweise mit beste- henden Feedbackprozessen kombiniert werden können. So können regelmäßige oder anlassbezogene Reflexionen (z.B. zum Jahresstart oder -ende, nach Projektmei- lensteinen) eine gute Möglichkeit sein, um Stressoren zu identifizieren und entspre- chende gesundheitsfördernde Maßnahmen zu vereinbaren. Unternehmen sollten also systematisch An- lässe schaffen, um Teams die regelmäßi- ge Reflexion der Zusammenarbeit zu er- möglichen. Darüber hinaus können Teams durch Moderationsangebote aktiv unter- stützt werden. Der Stellenwert dieser Re- flexionen kann zum Beispiel über zentrale Maßnahmen und Kommunikationskanäle des BGM verankert werden. Gleichzeitig sollte transparent gemacht werden, dass den Teams explizit Zeit und Ressourcen für die gemeinsame Reflexion eingeräumt werden. FAZIT Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein effektives BGM für den nachhaltigen Unternehmenserfolg unerlässlich ist. Wäh- rend zentrale Maßnahmen und Bemühun- gen wichtig sind, um globale Leitplanken vorzugeben, stellen dezentrale Maßnahmen unter Einbindung von Führungskräften und Teams ein häufig ungenutztes Potenzial dar. Eine Integration aus zentralen und dezen- tralen Bemühungen ist notwendig, um die Komplexität in den Ansprüchen der Arbeit, aber auch der Mitarbeitenden adäquat be- antworten zu können. Zur Aktivierung der Teamebene im BGM sollte Energie nicht in den Aufbau zusätzli- cher Strukturen fließen, sondern durch die Einbindung der tatsächlichen Teams, und deren regelmäßige Reflexion, das Thema „Gesundes Arbeiten“ in regulären Arbeits- strukturen verankert werden. Verschiedene Forschungsarbeiten und Praxiserfahrungen zeigen, dass die Förderung von Teamrefle- xivität einen zusätzlichen Schutz gegenüber emotionalem Stress bieten kann und somit die Prävention gegenüber psychischen Ge- fährdungen sowie die Gesundheitsförde- rung doppelt unterstützt. Dadurch werden Teams befähigt, handlungsbezogene, für die individuelle Situation passende Lösungen zu finden und flexibel auf immer komple- xer werdende Anforderungen zu reagieren. Um das volle Potenzial solcher dezentralen Maßnahmen zu nutzen, sind Unternehmen jedoch gefordert, entsprechende Ressour- cen für Teams zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet zum einen, die authentische Ver- mittlung des Stellenwertes von gesunder Arbeit sowie ein Empowerment der Teams im Sinne von Gewährung von Ressourcen und Gestaltungsmöglichkeiten. Zum ande- ren sollten Unternehmen Teams durch ent- Betriebliches Gesundheitsmanagement sprechende Hilfestellungen und zielführen- de Tools in der Umsetzung regelmäßiger Reflexionsprozesse unterstützen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, bietet die aktive Einbindung von Teams in den BGM-Prozess und die Förderung von Teamreflexivität eine wertvolle und gesunde Erweiterung zu etablierten zentralen BGM- Maßnahmen. n Literaturverzeichnis Andela, M., & Truchot, D. (2017). Emotional dissonance and burnout: The moderating role of team reflexivity and reevaluation. Stress and Health, 33(3), 179–189. AOK-Befragung (2019). Zufriedener im Homeoffice, aber stärker psychisch belastet. Fehlzeiten-Report 2019. 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