Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 22.10.2019 – 9 AZR 71/19 -:
1. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich darin frei, den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen. Sie verfügen im Rahmen ihrer Normsetzungskompetenz aus Art. 9 Abs. 3 GG über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung sowie über eine Einschätzungsprärogative bezüglich der Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen, die eine differenzierende Regelung sachlich rechtfertigen können. Der grundrechtlich geschützte Gestaltungsspielraum berechtigt die Tarifvertragsparteien allerdings nicht, das in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG geregelte Verbot der Diskriminierung in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer auszuhöhlen (Rn. 33).
2. Das in Art. 28 GRC gewährleistete Recht auf Kollektivverhandlungen muss im Geltungsbereich des Unionsrechts im Einklang mit diesem ausgeübt werden. Treffen die Tarifvertragsparteien Maßnahmen, die in den Geltungsbereich der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit fallen, müssen sie diese beachten (Rn. 31).
3. Nach § 4 der Rahmenvereinbarung kann die unterschiedliche Behandlung von Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu vergleichbaren in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern nur durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden. Teilzeitbeschäftigte werden in diesem Sinne ungleichbehandelt, wenn sich die Grenze der Entstehung ihres Anspruchs nicht proportional zu ihrer Arbeitszeit vermindert. Es ist Sache des nationalen Gerichts, orientiert am Zweck der Leistung zu beurteilen, ob objektive Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (Rn. 31 f.).
4. Die nach § 2a Ziffer 1. Abs. 1 Satz 1 MTV iVm. § 2a Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 MTV vorgesehene Beschränkung des Anspruchs auf eine ab Vollendung des 54. Lebensjahrs zu gewährende bezahlte tarifliche Altersfreizeit auf Arbeitnehmer, deren wöchentliche Regelarbeitszeit mehr als 35 Stunden beträgt, verstößt auch unter Berücksichtigung des den Tarifvertragsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG (Rn. 25, 28).
5. § 2a Ziffer 6 Abs. 2 MTV schließt eine Nachgewährung der tariflichen Altersfreizeit nicht aus, wenn die Altersfreizeit dem Arbeitnehmer nicht gewährt wurde, obwohl der Anspruch nach § 2a Ziffer 1 MTV entstanden ist und nach § 2a Ziffer 2 MTV fällig war (Rn. 40).